Teil 46

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 Es ist schon komisch, das mit der Liebe. Man kann eine Person lieben und sie trotzdem für das was sie tut hassen.

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Mein Vater bestraft mich mit Schweigen. Seit zwei Tagen hat er kein Wort mehr mit mir geredet. Die letzten Worte waren die: "Ich möchte das du nie wieder Kontakt zu diesem Jungen hast. Verstanden?" Ich habe darauf nicht geantwortet. Daraufhin hat mein Vater eine Vase gegen die Wand geschmissen. Ich bin zusammengezuckt, habe mich geduckt und gezittert. Als mein Vater meine Reaktion gesehen hat ist kurz etwas durch sein Gesicht gehuscht das man mit Reue in Verbindung bringen könnte aber es so schnell wieder weg das ich mir nicht sicher war.

Seit zwei Tagen habe ich Hausarrest. Mein Vater hat mein Job gekündigt, ohne meiner Erlaubnis. Ich habe keine Möglichkeit weder Kim noch Kenan zu erreichen da ich kein Handy mehr habe. Eric ist fast rund um die Uhr da und beschäftigt sich mit mir. Er redet und ich schweige und suhle mich in meinem Frust.

Am nächsten Tag konnte Kenan nicht zur Schule kommen. Kim sollte mir ausrichten das seine Mum krank ist und er Marlon in die Schule fahren muss und ihn wieder abholen. Kim hat gefragt was mit meinem Handy passiert sei, ich habe ihr gesagt es sei runtergefallen. Als sie fragte ob ich Lust hätte mit ihr in die Stadt zu fahren musste ich schweren Herzens absagen und ihr eine Ausrede auftischen, da ich die Wahrheit nicht sagen wollte. Nach der Schule hat mein Vater mich abgeholt. Seit 8 Jahren hat mein Vater mich nur bei besonderen Anlässen von der Schule abgeholt, jetzt war wohl schon wieder ein besonderer Tag.

Ich liege gerade mit dem Gesicht zur Decke in meinem Zimmer und lasse meine Gedanken kreisen. Von unten dringen Stimmen nach oben. Es ist irgendwann spät am Abend. Wir haben Freitagabend und ich sitze in meinem Zimmer, alleine, während Kim und die anderen heute einen Kino Abend machen. Ob Kenan mit ist? Am Freitag habe ich ihn nur flüchtig gesehen, da es Eric war er mich zur Schule gefahren hat und mich auch wieder abgeholt hat. Ich fühle mich wie ein Kleinkind das Mist gebaut hat. Dabei habe ich nur mit einem Jungen rumgemacht, was für Leute in meinem Alter normal ist.

Ich merke wie ich Stück für Stück meinen Mut zu drohen verliere. Den Mut, den ich mir so lang und hart erarbeitet habe. Den Mut den mir Kenan zugesprochen hat. Er ist mir so kostbar aber im Moment droht er unter den ganzen Mist zu verschwinden.

Ein Klopfen an der Tür zerreißt meine Gedanken. Ich stütze mich auf meine Ellenbogen auf und schaue zur Tür. "Herein." sage ich mehr aus Pflicht als aus wirklichem Interesse an der Person die vor der Tür steht.

Eric streckt den Kopf in mein Zimmer. Seufzend lasse ich mich wieder zurück auf den Rücken sinken und starre weiter zur Decke. "Was gibts?" frage ich gelangweilt. "Unten ist jemand für dich." Ich runzle die Stirn. Ein naiver Teil in meinem Hirn ruft sofort KENAN! Aber der rational denkende Teil ruft den Naiven Teil zur Ordnung. Eric würde mich nicht holen kommen, wenn Kenan vor der Tür stehen sollte. Außerdem wäre es Selbstmord hier aufzukreuzen. "Wer denn?"

Eric zuckt mit den Schultern. "Irgendein Mädel. Sie sagt sie hätte ihr Mathe Buch bei dir vergessen und sie bräuchte es ganz dringend für die Klausur Morgen." Mein Stirnrunzeln wird stärker. Wir schreiben Morgen kein Mathe. "Soll ich sie wieder wegschicken?" fragt Eric. "Nein. Alles gut, habe es nur gerade vergessen gehabt." Ich lächle ihn gezwungen an. Unter seinem skeptischen Blick gehe ich zu meinem Schulranzen und nehme mein eigenes Buch heraus.

"Da ist es." Ich zeige es kurz Eric bevor ich mich an ihm vorbei nach draußen, auf den Flur, quetsche. Mit schnellen Schritten gehe ich die Treppe nach unten zur Haustür. Sie ist angelehnt.

Neugierig quetsche ich mich an der Tür vorbei und ziehe sie aber direkt hinter mir wieder zu. Dann stutze ich.

"Kim?" frage ich. Kim steht mit unsicherem Blick in unserem Vorgarten und schaut sich um. Als ich ihren Namen sage zuckt ihr Blick zu mir. Sofort zeichnet sich Erleichterung in ihrem Gesicht ab. "Ah gut ich bin richtig." Sie streicht sie den imaginären Schweiß von der Stirn.

"Hier, dein Mathebuch." ich reiche ihr mein Mathebuch. Sie lächelt mich zerknirscht an. "Hat er es geklaubt?" fragt sie. "Ja, ich glaube schon." Vorsichtig nimmt sie es entgegen. "Du bekommst es Morgen wieder." verspricht sie. "Woher weißt du wo ich wohne?" frage ich sie gleich. Jetzt schaut Kim noch schuldiger drein. "Ich habe in deiner Schulakte nachgesehen." Sie wippt auf ihren Fußballen, hat die Arme hinter dem Rücken verschränkt und schaut nach oben.

Meine depressive Stimmung bekommt bei ihrem Anblick risse. Ich lächle ein wenig. "Kim." sage ich nur und schüttle den Kopf. "Du bist seit zwei Tagen richtig komisch drauf, ich muss wissen was los ist." Jetzt erlischt mein Lächeln wieder. "Kim." mahne ich sie vorsichtig. "Nein, Ever. Ich bin deine Beste Freundin. Ich muss wissen was los ist. Ich hatte wirklich viel Verständnis, das habe ich immer noch aber..." Sie seufzt einmal tief. "Wird es dir bald wieder gut gehen?" fragt sie stattdessen.

"Ja, ich...hoffe schon." "Oh man Ever." in wenigen Schritten ist Kim bei mir und umarmt mich fest. Sobald ich in ihren Armen bin muss ich gegen die Tränen ankämpfen. Ich drücke sie ebenso fest an mich wie sie mich. "Ich habe dich lieb, Kim." nuschle ich an ihrer Schulter. "Ich dich auch, Ever."

"Ich soll dich noch Fragen ob es dir besser geht und ob du noch Probleme bekommen hast." Ich brauche nicht zu fragen von wem sie es fragen soll. "Du kannst ihm schreiben das es mir soweit gut geht. Keine weiteren Probleme." Kim nickt an meiner Schulter. "Mach ich."

"Jetzt mal was anderes. Wer war der blöde Typ der mir die Tür geöffnet hat? Und was für Musik hört denn deine Familie?" Ich versteife mich und löse mich langsam von ihr. In Kims Augen sehe ich nur Neugier, keine Voreiligen Schlüsse oder Verurteilungen.

"Das war Eric. Ein Freund der Familie. Wieso...hat er was zu dir gesagt?" Sie schüttelt den Kopf. "Ne, aber er hat mich komisch gemustert und war total unfreundlich." "So ist Eric." Ich zucke mit den Schultern und tue es als Nebensache ab.

"Kann es sein das deine Familie eher rechts gepolt ist?" flüstert Kim plötzlich. Jetzt bin ich es die ihren Blick ausweicht und verdächtig rot wird. "Wie kommst du darauf?" meine Stimme ist ganz leise. "Ich habe die Musik aus dem Wohnzimmer gehört. Außerdem hängen bei auch Flaggen mit Symbolen die Verboten sind." Zu den Flaggen im Flur habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. sie sieht man auch nur wenn man ein Stück weiter in den Flur kommt. Kim muss es wohl gewagt haben einen Schritt in die Höhle des Löwen zu wagen. "Ich habe dich trotzdem lieb. Nur damit du dir keine Sorgen diesbezüglich machen musst." quatscht Kim weiter.

"Du bist ja anscheinend total anders, und für seine Familie kann man bekanntlich nichts. Wer kann das besser beurteilen als ich?" Sie lacht hohl auf. "Naja auf jeden Fall will ich nur das du weißt das es mir egal ist."

Ich muss mir auf die Lippe beißen um die Tränen zu unterdrücken. Statt etwas zu sagen ziehe ich sie wieder an mich und umarme sie fest. "Danke." hauche ich ihr ins Ohr. Und das Danke steht noch für so viel mehr als das sie ahnt. 

The DifferenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt