Chapter 31

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P.o.V. Grell

Wir gingen auf die Station, es war immer noch dieser gelbliche Ton an den Wänden.
Links neben dem großen Eingang war direkt das Dienstzimmer, rechts der Gruppenraum - die Station war wie ein ‚A' aufgebaut - zwei sich spreizende Gänge die hinten miteinander verbunden sind.
„Dein Zimmer ist Nummer 8."
Er zeigte auf die erste Tür im rechten Gang.
Klasse, so nah wie auch nur möglich an all den anderen Räumen.
In jeder Außenseite der Gänge waren die Zimmer, links drei rechts vier, Zimmer 2 und 3 waren Einzelzimmer, 4 und 5 hatten ein eigenes Bad.
Die drei Gesellschaftsräume waren die Küche, der Tagesraum und der Gruppenrum.
Küche und Tagesraum lagen hintereinander, durchtrennt mit Glasfenstern, auf der linken Seite der Station, noch vor den Gängen.
Hier waren sowieso überall Fenster - bis ungefähr zur Taille diese gelben Wände und von da an Glas, damit man vom Dienstzimmer auch alles sehen konnte.
Die eigenen Zimmer natürlich nicht, aber es machte die Station heller und einladender.
„Mark ist diese Woche Patientensprecher, später wird er Dir auch noch einiges erklären."
Er zeigte auf einen Mann, jünger als ich, der gemütlich mit einer Zeitung auf einem blauen Sofa saß.
Es hatte ungefähr Platz für drei, vielleicht auch vier Leute, stand links neben der Küchentür und in einem Blickwinkel unzugänglich für das Dienstzimmer. Vorausgesetzt man war nicht allzu groß.
„Patientensprecher?"
Fragte ich und studierte den anderen weiterhin.
„Ein Amt. Jede Woche kriegt jeder ein Amt - eines davon ist der Patientensprecher, der kümmert sich auch um die Neuaufnahmen und führt sie ein wenig ein."
„Ah.."
Er öffnete meine Zimmertür.
Links und rechts standen sich zwei Betten gegenüber, davor ein deckenhoher Kleiderschrank und dahinter ein jeweiliger Schreibtisch.
Das Fenster an der anderen Seite war ziemlich groß.
Rechts von der Tür war ein Waschbecken mit Spiegel, viele kleine Regale.
„Die linke ist deine Seite, wie man sieht."
Die andere war ziemlich vollgestellt, Bücher bis zu CDs und Dekoration, kleine Bilder an den Wänden und eigener Bettwäsche von irgendeiner Band.
„Leider kann ich dich hier nicht alleine lassen. Essen ist um 14:30 Uhr, bis dahin kannst du dir von Mark Aufsätze anhören lassen, okay?"
Wie könnte ich denn dazu nein sagen..

P.o.V. Undertaker

Ich hatte William weggeschickt.
Er solle seinen Kram machen - mit der Ärztin telefonieren, mir scheiss egal.
Ich saß am Esszimmertisch des Wohnzimmers, die Stirn auf der Hand ausgeruht.
Meine Zähne biss ich zusammen, die Finger um die Haare geballt.
„Scheisse..!"
Die andere Faust auf den Tisch schlagend.
..Tränen rannten mit das Gesicht runter.
Alleine saß ich da.
An dem Tisch, im Wohnzimmer, oben in der Wohnung.
Alleine.
Keinen schlafenden Grell auf der Couch, nicht den Sporttreibenden oben im Zimmer, keinen Kreativen am Klavier, nicht die Dramaqueen in der Küche.. er war nicht hier. Nicht bei mir.
Die Flüssigkeit tropfte auf den Tisch.
Das war das einzige Geräusch in dieser unaushaltbaren Stille, das Aufprallen des Wassers im Gleichklang meines Schluchzen.
Meines erbärmlichen Schluchzens.
Es tut so weh,.. ich bin froh, dass er da ist.. aber es tut trotzdem so unglaublich weh.
Mein Körper spannte sich an.
„Ich habe versagt!"
Meine Hand zerbrach den Tisch.
Mit Verzweiflung in den Augen stand ich auf, nahm den Stuhl in die Hand und warf ihn brüllend gegen die Wand.
Jetzt war es sowieso egal.
Ich trat gegen den anderen Sitz und schleuderte ihn weg, der Boden geziert mit abgetrennten Holzteilen und Spänen.
Ich lehnte mich an die Wand, rutschte auf den Boden und verbarg mein Gesicht in Knie und Arme.
Ich muss durchhalten.
Ich bin nicht derjenige, dem es schlecht geht.
Das Schluchzen hörte nicht auf.
Widerwillig drückte ich mich an den Knien ab, zwang mich zum aufstehen.
Schaute durch den Pony auf den zerbrochenen Tisch, wandte mich wieder ab und packte die Sachen für Grell.

P.o.V. Grell

„So, hab ihn."
Ich saß auf dem Sofa, Mark hatte jetzt wohl den ‚Patientenordner' gefunden.
Er setzte sich ebenfalls, schlug ihn auf.
Ziemlich dick war er, alt dazu auch, vorne drauf war viel dekoriert.
Das ganze wirkt auf mich wie keine Klinik für Erwachsene.. aber vielleicht war das auch besser so.
Mark hatte braunes kurzes Haar, ein weiches Gesicht und leicht runde Brillengläser.
Eine schwarze Uhr am Handgelenk und eine silberne Kette, die von seinem langem Pullover verdeckt wurde.
„Also,"
Fing er an und schlug das erste Kapitel auf.
„Ich werde nicht jede Seite vorlesen, da kannst du Klara fragen ob sie das für dich tun."
Anscheinend musste er das wohl schon öfter machen.
„..ach alles gut."
„Ich kann nicht nachvollziehen warum man jeden einzelnen Satz vorgelesen bekommen möchte.. aber nun denn - erstes Kapitel, die Regeln. Die sind auf  auf den Zimmern, also können wir das überspringen. Als nächstes.. der Tagesablauf."
Er schlug um.
Um 8 Uhr war Frühstück, dienstags war immer wiegen, Therapie und Aktivitätszeit, Mittagessen um zwölf, von 13-14:30 Uhr Mittagspause im Zimmer, 14:30 Uhr Obstpause, Therapie und Aktivitätszeit, 18 Uhr Wochenzielrunde und im Anschluss Abendessen, freitags war immer ein Filmeabend, Zimmerzeit um 22:15 Uhr außer freitags und am Wochenende.
„Wochenzielrunde..?"
Fragte ich zögernd nach.
„Wir haben alle Wochenziele, du kriegst später noch eine Mappe dafür und besprichst sie mit deinem jeweiligen Team, und in der Runde sagen wir immer, ob wir sie gemacht haben oder nicht. Anfangs hast du welche wie, ich lerne die Namen der Patienten und Betreuer, was möchte ich hier erreichen und so weiter."
Ich nickte.
Er schlug um.
Ämter.
„Also es gibt verschiedene Ämter, die werden auch wöchentlich von den Betreuern verteilt, das macht immer der Sonntagsdienst. Von Küchen- bis Gartenamt gibt es eigentlich alles, wirst du ja dann sehen was du hast. Hier stehen die auch noch dran."
Er zeigte mit dem Daumen hinter sich, an der Glasscheibe zur Küche waren viele laminierte kleine Zettel mit Ämtern zum unterschreiben.
Nächste Seite, Therapie.
„Gut, du hast deinen zuständigen Therapeuten und das Bezugsteam, zudem noch zwei Co. Therapien, wenn du ganz besonders bist drei."
Sagte er halb sarkastisch.
„Es gibt Ergo, Kunst, Musik, Tanz und Reiten. 3 Mal die Woche ist Sport Pflicht, 2 Mal montags und freitags mit Herrn Dreest und dienstags mit einem Betreuer. Freiwillig Sport kann man sich während der Planung einfordern."
„Planung?"
„Ach so, nach dem Frühstück und nach der Obstpause gibt es eine Planung, da plant man den Tag im Viertelstundentakt."
Viertelstundentakt?!
„..ah."
„Klingt strenger als es ist. Da planst du dann auch deine Wochenziele ein, Tagesreflexionen und so weiter."
Ich nickte.
„Das hier sind die Fächer."
Er zeigte rechts von uns an 12 quadratisch verschlossene Fächer, angrenzend zum Dienstzimmer.
„Da packst du deinen Kram rein wie.. ich weiß nicht, Nagelfeilen, Pinzetten, eine Switch-"
„Eine Switch..?!"
Meine Augen leuchteten ein wenig auf.
Er blieb kühl.
„Wir dürfen keine elektrischen Geräte mit Kamera (!) haben, aber die Switch besitzt keine, also geht das. Man benutzt sein Fach kaum, um ehrlich zu sein. Schließlich darf man alles auf dem Zimmer haben."
Ich nickte.
Das muss Adrian unbedingt mitnehmen!
„Hinten im Gang gibt es den Raum mit Handtüchern. Gegenüber von den Toiletten der Frauen ist der Sportraum."
„Darf man den einfach so benutzen?"
„Also,"
Er schaute mich, eher gesagt meinen Körper, an, ich wippte mit den Beinen.
„Du wahrscheinlich erstmal nicht, aber wenn man es sonst einplant schon."
Ich nickte und schaute ein wenig.. beschämt weg.

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