Chapter 54

33 3 3
                                    


P.o.V. Grell

„Ich sehe dich nächste Woche?"
Ich grinste in den Kuss.
„Natürlich."
Er drückte mir den kleinen Zettel in die Hand.
Ich winkte ihm zu als er die Station verließ und er lächelte noch zurück.
„War's so toll?"
Ich drehte mich nach rechts, erschreckte mich fast zu Tode als ich die Stimme von Herrn Rica hörte, welcher lächelnd im Türrahmen stand.
„Ach, so wie immer."
Sagte ich und schaute lächelnd zur Seite, spürte wie mein Kopf immer noch warm war, wie die Röte auch nicht abnahm, viel eher noch stärker wurde.
„Hmmm?"
Summte er und grinste, starrte mich durchlöchernd an.
„Was ist denn hier los? So glücklich sieht man dich ja selten."
Hörte ich eine weitere Stimme welche die Station betrat, mein Therapeut.
„Aaach."
Kicherte ich schon fast und konnte kaum still stehen.
„Ich hole mal den Rollstuhl."
Sagte der Betreuer.
Ich nickte, das war mir gerade so egal.
Das Essen was noch anstand war mit gerade so egal.
Das ich nicht Sport machen konnte war mir gerade so egal...!
Denn.. endlich hatte mich jemand akzeptiert, akzeptiert als Frau!
Ach ich war so glücklich und konnte mich nicht zurück halten, grinste weit und dachte nur an meinen Schatz, an Undertaker, derjenige der mich akzeptierte.
Der mich sah - mich wirklich sah.
Der es von sich aus gesagt hatte.
Ich setzte mich in den Stuhl und sah die bunten Sticker an den Lehnen.
Herr Revens sah mich immer noch verdächtig an.
Ich öffnete meine Hand und schaute auf den Zettel. 
Lass mich dich lieben, meine Liebste.
Ich drückte ihn fest an mich.

Ich konnte mir meine Ekstase kaum erklären.. doch ich war so glücklich.
Lange habe ich nichts mehr gespürt, doch jetzt gerade..
Mein Blick fiel auf den Zettel.
Von ihm akzeptiert zu werden, so wie ich bin.
Ich wusste die Antwort eigentlich schon, doch klagten meine Zweifel und die Skepsis immer wieder.
Ich.. ich fühlte mich sicher bei Adrian.
Zum ersten Mal, überhaupt.
Ich kam mir so egoistisch vor, ich nahm ihm seine ganze Zeit, ich fühlte mich schlecht vor Schuld.. und doch..
Und doch akzeptierte er mich so wie ich bin, obwohl ich mich eher als eine Last ansah als alles andere.
Ich hatte ihn nicht verdient, nicht ein bisschen.
Umso dankbarer war ich um ihn.
Ich war so unglaublich dankbar.
Und umso mehr wollte ich wieder zu ihm.
Es fühlte sich immer noch so fragil an.. die Beziehung.
Ich hatte Angst sie kaputt zu machen, wieder einen Fehler zu begehen.
Etwas zu sagen, etwas zu tun, etwas zu denken - was alles zerstören würde.
Ich lehnte mich in den Stuhl und schaute hoch zum Himmel, die kalte Brise fuhr mir durchs Haar und wehte es leicht nach hinten.
Dass er mich so akzeptiert wie ich bin ist schwer zu glauben.
Dass er überhaupt in mich.. verliebt ist, ist schwer zu glauben.
Wenn ich doch so kaputt bin, und er so faszinierend.. wie kann es da sein, dass er ausgerechnet mich attraktiv findet?
Ich seufzte, meine Hände zogen die Decke näher an mich.
Anscheinend muss ich ihm den Gefallen tun, dass er mich lieben kann, solange ich dasselbe zurückgeben kann.

2kg zugenommen.
Ich hatte das Gefühl mein Herz würde stehen bleiben, wenn ich eine weitere Bewegung machen würde.
Mein Blick welche fest auf die Zahl vor mir gerichtet war, die Zahl die sich in mich hineinbrannte, wie ein Wert, welcher auch meinen darstellte.
Der Gedanke daran, dass ich zum Frühstückstisch gehen musste, obwohl ich jetzt so viel schwerer geworden bin.
Wenn ich sage, dass ich das Gefühl habe, die Krankheit frisst mich auf - wäre das dann ironisch oder paradox?
Eine warme Hand bahnte sich den Weg zu meiner Schulter, und die ruhige Stimme rann in mein Ohr.
„Du kannst jetzt wieder runter gehen."
Meine Beine bewegten sich wie von selbst.
Mir war schlecht vor Anspannung.
Mit drei Schichten Kleidung bedeckt ging ich zum Tisch, musste mir mein Brot belegen, musste mein Wasser trinken, musste ein weiteres Brot belegen.
Mir war warm.
Wann war mir zuletzt warm?
Mir war nicht nur warm, es war verdammt heiß.
Warum war mir heiß..?!
Ich biss ab, aß immer weiter, aß es auf.
Für Adrian.. dafür dass ich wieder nach Hause kann.. für..

„Für dich."
Ich schluckte, musste mir die Tränen zurückhalten.
„Du tust es für dich, Grell. Für keinen anderen."
Meine Konzentration widmete ich den Händen in meinem Schoß, welche sich angespannt an den Stoff krallten und sich wie unter Beschuss fühlten, nur der rote Therapiestuhl gab ihnen Schutz.

Der nächste Wiegetag, die nächste Woche.
Ein weiteres Kilo zugenommen.

„Ja, ich probiere jetzt Zwieback zu essen während der Obstpause, und abends Salzstangen. Natürlich bleibt der Rest bestehen."
„Glaubst du, dass du das schaffst?"
Seine Stimme klang besorgt.
„Ich probiere es zumindest."
Es gab eine kurze Pause, so als würde er Abwegen etwas zu sagen.
„Du wirkst müde."
Ich lachte etwas.
„Nicht müder als du, du arbeitest viel mehr als ich - in deine Höhle."
Ihm war nicht zum Lachen, was eher untypisch war.
„Ich habe Angst, dass es zu schnell geht."
Ich ließ ihn reden.
„Ich bin besorgt, dass du dir zu viel Druck machst."
Er atmete ein Mal tief durch.
Ich dachte an das Abendessen welches wir auf dem Dach verbrachten, wie schön damals der Himmel aussah.
„Natürlich freue ich mich über die Nachrichten, und bin auch stolz.."
„..bloß besorgt."
Beendete ich ihn sanft, man konnte ihn praktisch nicken hören, den Grauhaarigen am anderen Ende der Leitung.
„Es geht mir auch zu schnell, es geht mir viel zu schnell."
Hätte ich am liebsten gesagt.
„Aber ich möchte so schnell wie möglich wieder zurück zu dir."
„Herr Revens macht sich sorgen, dass wenn ich wieder zurück bin, ich in alte Verhaltensmuster falle."
Vielleicht möchte ich wieder in alte Verhaltensmuster fallen.
Vielleicht möchte ich wieder abnehmen, wenn ich erstmal wieder die Kontrolle habe.
Ist das der Plan, den ich eigentlich verfolge?
„Aber er sagt auch, dass ich weiter bei ihm ambulant bleiben würde."
Ich hatte das Thema angesprochen, wie es ist, wenn ich nicht mehr hier bin.
Er meinte, das wäre noch zu früh, viel zu früh, doch ich beharrte.
„Ist Herr Revens dir eine große Sicherheit?"
Fragte er.
„Ja."
Es war komisch, das auszusprechen.
Ich wusste nicht mal warum ich mich schämte.
„Dann ist es doch gut, dass du weiterhin bei ihm bleiben kannst."
Er klang wieder etwas euphorischer, was mich beruhigte.
„Das finde ich auch."
Ich lehnte mich zurück, umklammerte das Telefon an meinem Ohr.
„Das Wetter ist schön heute."
Sagte ich, als mein Blick zum Fenster viel.
„Das ist es."
Träumend starrte ich nach draußen.
„Gerne würde ich jetzt wieder bei dem See sein in Japan."
Er lachte etwas, entsann sich wohl gerade zurück
„Das würde ich auch gerne.. liebend gerne.

A Way To Escape Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt