P.o.V. Grell„Und, wie war Therapie?"
Fragte ich Mary, wir saßen nebeneinander auf dem türkisen Sofa im Gruppenraum.
Die Sonne schien mir auf den Körper, angenehm wärmte sie mich und legte zur Stimmung bei.
Meine sonst so kalte Haut verstecke ich unter einer Decke, die ich eigentlich immer mit mir trug.
„Ganz ok eigentlich."
Murmelte sie und schaute zum Dienstzimmer.
„Wie ist denn Frau Jaden so? Ich habe kaum ein Wort mit ihr gesprochen."
„Ach sie ist ganz nett, sie grinst immer so komisch. Aber an sich ganz nett, sie hilft mir sehr."
Abwesend schaute ich mit ihr zum Dienstzimmer.
„Das freut mich."
Sie kicherte etwas.
„Klang auch so, als wenn du dich richtig freuen würdest."
Ich lachte und schielte zu ihr.
„Du bist so doof."
Murmelte ich und schaute wieder zum Dienstzimmer, noch mit Lächeln auf den Lippen.
„Und wie gehts bei dir voran?"
Ich summte nur und zog meine Augenbrauen hoch.
„So wie immer, denk ich mal."
Ich zog die Decke näher an mich ran.
„Ich hoffe, dass ich demnächst mal wieder im Zimmer schlafen darf.."
Noch schlief ich im Gruppenraum, die Matratze wurde jeden Abend dort hingetragen.
„Und ich würde auch so gerne wieder spazieren gehen."
Mary nickte, konnte sich nicht wirklich vorstellen wie es wäre, wenn ihr all diese, für mich Privilegien, weggenommen werden würde.
„Darfst du zumindest in den Garten?"
Ich behielt starr den Blick nach vorne.
„Weiß ich gar nicht, ich glaube schon. Mit dem Rollstuhl auf der Terrasse.."
„Aber das ist doch zumindest etwas."
Ich zuckte mit den Schultern.
„Noch find ich's zu kalt draußen."
„Ist dir nicht immer kalt?"
Ich summte.Ich strich mir über meine Taille, vor dem deckenhohen Spiegel, seitlich davor stehend.
Es wird immer breiter.Die Tage ziehen nur so vorbei.
„Traumtagebuch?"
Sie nickte, Frau Jesko.
„Ich kann ja mal mit Herrn Revens darüber reden."
Wir waren in dem Gang welcher die Ambulanz mit den Stationen verband, dort waren einige Therapieräume, unter anderem der für die Tanztherapie.
Frau Jesko war relativ klein, braunes Haar welches hinten zusammengebunden war, vielleicht schulterlang. Schon ein wenig älter, sie lachte nicht viel, bei meinen sarkastischen Bemerkungen antwortete sie eher ernst drauf.
Trotzdem war sie sehr nett, sehr angenehm, sehr beruhigend.
Der Raum in welchen wir uns befanden war relativ groß, und gelb.
Ich saß hinten rechts in der Ecke auf einer Art niedrigen kleinen blauen Couch, in der Ecke schräg gegenüber von mir waren große Matten, auf ihnen lagen Dutzende Kissen und Decken.
Links von mir war noch eine Tür, da waren all die Geräte die man so für eine Tanztherapie gebrauchen könnte, in einer kleinen Abstellkammer.
Gerade sprachen wir über meinen Schlaf, da ich mich erstmal nicht wirklich bewegen soll, können wir die ganzen Übungen in Richtung Yoga nicht machen. Deswegen das Traumtagebuch, sie zeigte mir auch einige Achtsamskeitübungen.
Ob ich mir dabei ein wenig bescheuert vorkam? Aber auf jeden Fall.
Eine Übung hieß ‚3,2,1', da sollte man erst drei Gegenstände aufs kleinste Detail beschreiben, dann diese anfassen und ihre Oberfläche beschreiben, das Gefühl welches sie geben. Danach das gleiche mit zwei anderen Gegenständen tun, und das dann noch mal mit einem anderen Gegenstand.
Sehr spannend, oder?
Herr Revens sprach auch schon so etwas an, doch er hat sich eher auf die imaginativen Übungen spezialisiert, Achtsamkeitsübungen gehen wohl viel in die Verhaltenstherapie, nicht die Tiefenpsychologie.
Trotz dessen würde er natürlich vieles zeigen, aus beiden Schienen - denn warum nicht das tun, was hilft.
Im nächsten Einzel wollte er mir einiges zeigen.
„Grell?"
Ich schaute zu ihr.
„Wirklich anwesend bist du nicht oder?"
Ich stockte, etwas peinlich berührt schaute ich in gefühlt alle Richtungen.
„Ich hab zugehört.."
Sagte ich und wusste nicht was ich tun sollte.
Sie legte ihren Kopf schräg und machte den Anschein zu überlegen.
Sie lächelte nicht, was mich schon die ganze Zeit verunsicherte.
Ich schaute aus dem Fenster.
Ich war so kaputt, ich wollte am liebsten schlafen.
Stattdessen saß ich hier mit wippenden Beinen, in der Tanztherapie, die eigentlich besser als erwartet war.
Auch wenn ich glaubte, dass Frau Jesko mich hasste.
Ich lächelte etwas bei dem Gedanken, da ich wusste, wie dumm er eigentlich war.
Ich setzte mich wieder in den Rollstuhl, eine Stunde haben wir geredet, viel geredet.
Es war eigentlich ganz gut, auch wenn ich sehr erschöpft war.
Sie begleitete mich zur Station - sie musste.
Ich durfte nicht alleine abseits der Station herumlaufen. Oder eher herumfahren.
Sie öffnete die Tür und verabschiedete sich erstmal, der Termin blieb der gleiche für nächste Woche.
Damit ging sie ins Dienstzimmer.
Ich seufzte und schaute auf die Uhr, es war Zwischenmahlzeit.
Meine rechte Hand traf auf meinen Kopf, schon bei dem Gedanken bei weiterem Essen könnte ich weinen.
Ich fuhr etwas nach vorne, schaute in die Küche und sah Frau Zent, fragte sie nach der Sonde, das Typische eben.Ernährungsberatung, nach der Mahlzeit.
Wir saßen in der Küche, die leere Schüssel in welchem der Joghurt bis eben noch drin war, stand halb ausgekratzt links neben mir.
Meine Hände lagen nervös auf dem Tisch, mein Blick nach unten.
„Ich befürchte, dass wenn wir die Sondierung erhöhen, du dich daran halten wirst, und nicht zu fester Nahrung kommst, die Hemmschwelle noch größer wird."
Ich schluckte.
„Kannst du dir vorstellen zu Abend zu essen, oder Zwischenmahlzeiten ohne Sonde zu nehmen?"
„..Ich weiß nicht."
Bekam ich heraus, probierte meine Stimme so stetig wie möglich zu halten.
„Könntest du dir vorstellen, die Zwischenmahlzeiten zu erhöhen und beim Abendessen noch etwas dazu zu essen?"
Ich unterdrückte mir das Zittern und spannte meinen Hals an.
Sie lehnte sich etwas zurück.
„Wie wär's wenn wir beim Abendessen einen Joghurt dazu tun, und bis nächsten Montag so weit sind, dass dazu zwei Esslöffel Müsli kommen."
Ich sagte nichts, hatte nur die Horrorvisionen in meinem Kopf.
„Heute dann der Naturjoghurt, Morgen oder Sonntag dazu ein Esslöffel, und danach zwei Esslöffel."
Ich zuckte etwas mit den Schultern.
„Ich weiß nicht.."
Sie passte nur auf.
„Wir können es ja probieren. Zur Obstpause vielleicht noch ein Stück Obst oder.. ein Glas Milch?"
Ich schüttelte den Kopf.
„1.5% Milch können wir auch nehmen. Die Gläser hier sind relativ klein, also reichen 200ml, und wenn geht 50ml mit in den Joghurt. Doch wir wollen es ja nicht übertreiben."
Ich legte meine Hand auf die Stirn und versteckte mein Gesicht, fuhr mir dann gestresst durchs Haar.
Meine Gedanken schweiften zu Adrian ab, den ich so vermisste.
Von dem ich schon 6 Wochen getrennt war.
Für denn ich es tun musste..
„Man kann es ja probieren.."
Sagte ich dann eher schluchzend.
Sie hielt inne.
„Überanstrenge dich nicht, wenn du morgen merkst, das mit dem Müsli klappt nicht oder die Milch ist zu viel, dann ist das so. Doch wir müssen uns irgendwie bewegen."
Ich nickte schluchzend.P.o.V. Undertaker
Ich erhielt die Nachricht, dass ich am Sonntag für 1 1/2 Stunden zu Besuch bleiben durfte, und ich freute mich sehr.
William konnte ich dazu bringen, endlich zu fragen, ob er denn auch mitkommen dürfte.
Sie meinten, dass das nächste Woche funktionieren könnte, wenn denn alles weiterhin stabil bleibt.
Ich saß auf dem Dach, Blick zum Sternenhimmel, das Telefon in meiner rechten Hand, wartete schon den kommenden sehnsüchtigen Anruf ab.
Der angenehme Wind zog durch die Straßen, ich nahm einen Bissen meines Keks, lauschte den eher ruhigen Straße.
Ich roch den Duft von Zimt und es formte ein trauriges Lächeln auf meine Lippen.
Wie schön es jetzt wäre Spazieren zu gehen. Wie schön es jetzt wäre zusammen hier auf dem Dach zu sitzen?
Zu philosophieren wie wohl die Sonne morgen steht.
Wie schön es wäre, wenn es ihm wieder gut gehen würde.
Ich schaute etwas nach rechts, spürte eine Träne meine Wange runterrennen.
Wann kommst du wieder zu mir?
DU LIEST GERADE
A Way To Escape
FanfictionTrigger Warning : Essstörung. Anorexie und Grell - zwei sich Suchende finden sich. Der Rotschopf wusste keinen Ausweg mehr, er hat keine andere Strategie, keinen anderen Bewältigungsmechanismus je gelernt, als Kontrolle. Es fällt ihm alles durch...