P.o.V. GrellMit zusammengepressten Lippen und in das Ende des Oberteil gekrallte Hände probierte ich mein Schluchzen zu unterdrücken.
Heiße Tränen tropften mir die Wangen herunter, rote geschwollene Augen.
Möglicherweise erzählte ich nicht alles Herrn Revens, doch das Meiste.
Er schien sehr erfreut darüber zu sein, auch wenn er sich nicht darüber erfreute, welche Taktiken ich alles anwendete.
Jetzt saß ich da mit Herrn Rica im Tagesraum, unter Beobachtung, konnte nicht den Schlauch der Sonde, das ‚Drehteil', zu meinem Nutze machen.
„Es ist schwer auszuhalten, oder?"
Sagte er ruhig und las meine Gedanken.
Ich nickte, mit dem Gefühl von echtem Verständnis.
Es war jetzt der fünfte Tag.
Es wurde immer schlimmer.
„Immer wenn ich mich im Spiegel sehe.. da sehe ich wie ich immer mehr zunehme, überall."
Schluchzte ich und wollte mich zusammenreißen.
„Und die Zahl hört nicht auf hoher zu werden.."
Sagte ich verzweifelt mit sichtlichem Beben in der Stimme.
Mein Blick und Gesicht nach unten, viele Strähnen gingen mir über die Schulter, meine Beine entlang streifend.
„Du machst das sehr gut, du warst sehr tapfer, all das zu erzählen. Und machst jetzt auch tolle Fortschritte."
Tolle Fortschritte..!
„Nur w-weil das Gewicht steigt, mache ich doch keine mentalen Fortschritte."
Durch das ständige weinen wurde mir ganz heiß, eine Abwechslung zu sonst.
„Aber du hast doch nicht wieder die Sondierung ausgespuckt, oder? Das sehe ich als sehr guten Fortschritt an. Zudem redest du doch gerade mit mir darüber, vor einigen Wochen wäre das nicht möglich gewesen."
Nur ein paar Mal..
„Je mehr ich zunehme, desto weniger will ich das Ganze - ich habe fast ein ganzes Kilo zugenommen..!"
Und das in nur 4 1/2 Tagen..
„Und,"
Unterbrach ich ihn, bevor er überhaupt ansetzen konnte.
„Ich kann mir das rational alles erklären.. dass es normal ist, dass es jetzt so abrupt hoch geht und all das."
Ich schwieg.
„Aber das macht es nicht besser."
Vollendete er und ich nickte ertappt.
Er atmete ein mal ein und aus.
„Ich wünschte mir und dir, dass es dir helfen könnte. Vielleicht auch wenn du das als Auftrag siehst, von Herrn Revens und mir, dem PED. Dann suchst du den Ärger nicht bei dir."
Ich schaute auf die Uhr.
„Er ist schon gleich da, wie die Zeit fliegt."
Sagte er.
Noch 10 Minuten, dann würde Adrian kommen.
„Er soll mich nicht so sehen.."
Murmelte ich durch eine Gardine von Haaren.
„Warum das denn?"
„Ja warum wohl, mir wird es wohl in 10 Minuten nicht besser gehen."
Ich schluckte.
„..ich möchte ihm die Zeit nicht kaputt machen."
Rica umschlug seine Beine und legte seinen Kopf schräg, verzog seine Augenbrauen.
„Kannst du dich nicht so vor ihm zeigen?"
„..doch schon."
„Und hat er dagegen irgendetwas, dass es dir so geht."
Ich seufzte und schüttelte den Kopf.
„Jaja ich versteh schon.."
„Nein, ich glaube du verstehst nicht- jede Emotion die du vor ihm, vor mir oder vor irgendjemanden zeigst, ist immer gut und berechtigt. Vor allem bei ihm, da sollte es doch kein Problem sein."
Ich setzte mich wieder etwas auf.
„..ich hab einfach angst, dass er sauer sein wird, da es bisher noch nie Fortschritt gab. Und es mir immer noch schlecht geht, ich immer weiter abnehme, und hier jetzt auch noch rumheule.."
Ich schaute wieder weg.
„Zwar glaube ich, dass es.. okay ist, mich so vor ihm zu zeigen. Ich meine, das ist ja bei weitem nicht das erste Mal, mal davon abgehobene.. Doch denke ich das nur, vielleicht sieht er das ja ganz anders?"
Mit verzweifelter Stimme machte ich eine leichte Handbewegung.
„Was denkst du denn wie er reagieren wird, wenn er dich so sieht. Das Schlimmste was passieren könnte."
Ich verzog meine Lippen.
„Ach keine Ahnung.. dass er irgendwie wütend wäre, dass es immer noch nicht gut läuft und so.."
„Und was denkst du wäre realistisch, wie er reagieren würde?"
Ich seufzte.
„Dass er fragt was los ist und nicht wütend ist.."
Murmelte ich und sank weiter.
Die Stationtür öffnete sich.
„Schau an, auf die Sekunde genau. Er möchte wohl keine Einzige mit Dir verpassen."
Grinste er und stand auf, ich saß noch, fühlte mich nicht bereit.
„..haben sie ein Taschentuch für mich.
Er lächelte.Ich ging mit dem Betreuer nach vorne, nachdem ich mich ein wenig sammelte, mir durchs Haar fuhr und die Tränen wegwischte.
Die Beiden begrüßten sich und ich schaute zu meinem größeren Partner, merkte wie es wieder hochkam.
Doch wollte ich mich zusammenreißen, nicht auf dem Flur Grell, nicht auf dem Flur..
Er legte eine Hand an meinen Hinterkopf und fuhr mir so wie gerade durchs Haar.
Herr Rica war wieder im Dienstzimmer.
„Hallo mein Schatz."
Hauchte er als er sich zu mir runterbeugte, ich musste etwas schmunzeln, auch wenn es erst nicht rauskommen wollte.
Unsere Lippen trafen sich kurz und dann gingen wir in den Tagesraum.
Meine Beine konnte mich immer noch kaum tragen - ich meinte, dass ich während der Besuchszeit keinen Rollstuhl haben wollte, dafür den Rest des Tages in einem sein würde.
Durch die Anstrengungen der letzten fünf Tage hat sich mein Wunsch erfüllt.
Ich strengte mich an, dass es Adrian nicht allzu sehr auffallen würde, musste mich aber etwas an seinem Ärmel festhalten.
Als wir dann endlich die Tür hinter uns schließen konnten und durch die Wand links von uns ein wenig Ruhe hatten, kein Blick uns unterbrechen konnte, krallte ich mich an ihn und vergub meine Gesicht in seine Schulter.
Ich spürte seine Arme um mich herum, konnte die Tränen, auf ein weiteres Mal, nicht unterdrücken.
Einer seiner Hände zwischen meinen Schulterblättern, die Andere um meine Taille herum.
Wir sagten nichts, zumindest sagte ich nichts.
Ich war zu sehr damit beschäftigt zu Weinen, Schluchzen - lauthals zu Schluchzen.
Herr Rica hatte recht, er war wohl mit einer der Einzigen, bei denen ich das konnte.
Nein, er war der einzige, bei dem ich das so wirklich konnte.
Nach einer Weile beruhigte ich mich, verharrten in der Position.
„Bist du nicht sauer.."
Murmelte ich gegen den Stoff.
„Warum sollte ich das sein.."
Hauchte er mir zu, ich lockerte mich.
„..weiß ich auch nicht.Er half mir auf den Stuhl, setzte sich ebenfalls.
Erschöpft wusch ich mir die Tränen weg und schaute nach oben, wieder etwas Luft bekommen.P.o.V. Undertaker
Er sah schwächer denn je aus, das sagte ich wohl jede Woche.
Doch auch wenn es immer noch nicht gut aussah, gab es zumindest eine Steigerung zum letzten Wochenende.
Die erste Steigerung, in diesem Monat, diesem Aufenthalt.
Die Betreuer und sein Therapeut meinten zu mir, das sei ganz normal, wenn auch nicht Wünschenswert.
Aber mein Rotschopf soll wohl sehr hart gearbeitet haben, anderes habe ich es auch nicht erwartet.
Natürlich denke ich daran, war es falsch ihn auf diese Station zu bringen?
Wird es sich wirklich lohnen?
Er kann kaum laufen, isst gar nicht, all das hatte sich verschlimmert.
Meine Entscheidung stand jedoch fest, er solle hierbleiben. Das war erst ein Monat, und wenn man ein unendliches Leben in Betracht zieht sind 4 Wochen wohl gar nichts.
Manchmal zwinge ich mich dazu, die Schwäche vor ihm nicht zu zeigen, doch weiß ich, dass es falsch ist.
Die Schwäche, meine Sorge und mein Bedenken über diesen Aufenthalt
Denn wenn ich auch nur ein Mal sage, ist die Klinik wirklich so gut? Nehme er das wohl als Zeichen, dass es eine reelle Chance gäbe, rauszukommen.
Rein theoretisch könnte er immer gehen, aber dafür hat er wohl noch ein wenig ‚Hoffnung' hier drin.
Oder seine Prinzipien stehen über ihm, das ist wohl eher der Fall.
„Cola Light oder Cola Zero?"
Fragte ich und er entschied sich für das Erste.
„Nächste Woche soll geschaut werden, dass ich wieder esse."
Erzählte er, weiter im Gespräch.
„Zu den Zwischenmahlzeiten und so.."
Ich summte.
„Und was denkst du?"
Er zuckte mit den Schultern.
„Weiß nicht, schau ich mal.."
„Du kannst dich ja herantasten."
Er nickte.
„Herr Rica möchte morgen Abend das schon mit mir üben, kann dir dann ja Bescheid sagen wie's gewesen ist."
„Das klingt doch nach einem Plan."
Er seufzte.
„Gibts zu Hause irgendwas Spannendes?"
Dann seufzte ich.
„Nicht viel, die Arbeit ist so wie immer, die Kunden sind so wie immer.. William meldete sich letztens und fragte, ob er mit zu Besuch kommen könnte."
„Und?"
Fragte er und nahm einen Schluck.
„Ich fragte, warum er sich da bei mir melden würde, und nicht bei dir oder den Betreuern."
Grell summte.
„Wenn es um Beziehungen geht ist er wohl noch ein wenig unbeholfen, der Mister Spears."
Ich grinste auf seinen Kommentar.
„Lieben Gruß von Sebastian, er hatte sich auch gemeldet. Er hingegen meinte, er wollte erst hier auf Station anrufen, sah es aber als unpassend an, so als Teufel."
Er lachte.
„Das wäre aber schon witzig geworden."
Ich stimmte ihn zu.
„Er regt sich etwas darüber auf, dass er nicht zu Besuch kommen kann. Meinte aber, er würde einen Brief unter Decknamen schreiben."
Daraufhin musste er lachen.
„Das wäre schön.."
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A Way To Escape
FanfictionTrigger Warning : Essstörung. Anorexie und Grell - zwei sich Suchende finden sich. Der Rotschopf wusste keinen Ausweg mehr, er hat keine andere Strategie, keinen anderen Bewältigungsmechanismus je gelernt, als Kontrolle. Es fällt ihm alles durch...