Chapter 45

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„Such Dir einen aus."
Ich starrte sie an.
„Der, der dir am meisten gefällt."
Er hatte es wie immer geschafft, mich mehr ins hier und jetzt zu kriegen.
Mit seiner blöden Geschichte und seiner blöden Art.
Ich nahm einen Stein in die Hand, nicht groß, vielleicht so groß wie ein kleiner Kieselstein, wenn das Sinn macht.
Dunkelblau, innen dunkel immer heller werdend, mit schon fast blitzartigen hellblauen bis weißen Strichen durchkreuzt.
„Den also?"
Ich nickte und umspielte ihn mit meinen Fingern.
„Ich habe ein Fach im Dienstzimmer. Sag den Betreuern einfach, sie sollen den in das Fach legen, wenn ich ihn dann sehe werde ich zu Dir kommen. Bei egal welchen Situationen, einfach wenn du gerade denkst ‚ich brauche ein Gespräch mit Herrn Revens'."
Ich fühlte mich schlecht, schuldig ihm nichts von der Verletzung zu sagen.
Ich legte den Stein weg.
„Es tut mir leid heute nicht da gewesen zu sein. Ich probiere morgen mir etwas Zeit einzurichten, und Donnerstag sehen wir uns sowieso."
Ich nickte zögernd.
„Nicht zufrieden?"
„Doch doch.."
Meine Finger waren immer noch an der Tischkante.
„Aaaber?"
Ich verzog meine Lippen und schaute etwas zur Seite.
Als ich immer noch nicht antwortete rückte er etwas näher.
„Grell, was ist los?"
Ich schaute nach unten, sah wie der Stoff um meinen linken Arm sich langsam rot färbte.
Meine Augen weiteten sich, ich probierte es irgendwie zu verstecken.
„Nein, es ist nichts."
Ich setzte mich etwas auf, vielleicht wegen der aufsteigenden Aufregung.
Er packte die Steine, abgesehen von dem jetzt ‚meinen Stein', wieder in den Tresor.
„Weißt du, was das Gute ist als Therapeut auch noch Shinigami zu sein?"
Fragte er plötzlich, was mich ein wenig unvorbereitet traf.
„..ich weiß nicht..?"
Verwirrt schaute ich ihn an.
Er lächelte.
„Das kennst du bestimmt auch, es riechen alle sehr gut."
Er verschloss den roten Kasten.
„Vor allem Blut, oder?"
Realisierend atmete ich ein, mein Hals spannte sich an und meine rechte Hand umgriff den linken Arm.
„Ich hatte gehofft du würdest es selbst sagen, auch wenn es nicht schlimm ist, dass es nicht so passiert ist."
Ich sah wieder runter.
„Magst du deinen Ärmel hochziehen?"
Nervös streifte ich meine Füße über den Boden.
„Hm?"
Ich seufzte und rückte näher zum Tisch.
„Oder soll ich es für dich tun? Keine Sorge, ich bin auch Arzt."
Meinte er sarkastisch.
Langsam legte ich meinen Arm auf den Tisch, sagte nichts zu seinem Kommentar.
Es drückte schon durch.
Ich probierte den Ärmel hochzuziehen, schließlich war mein Unterarm gefühlt 70 mal dicker geworden durch den Verband.
Er schaute durchlöchernd scharf zu. 
Während ich weiter machte und mich damit abnerven musste drehte er sich schnell zu seinem Schreibtisch um, holte Verbandszeug raus.  
„Dafür, dass das ein Druckverband ist dringt es ja ziemlich durch."
Sagte er und setzte sich wieder hin, lege die Sachen auf den runden Tisch.
„Wie sieht es bei dir mit Berührung aus?"
Ich summte zögernd.
„Nicht soo sehr.."
Ich legte meinen Arm nach unten gerichtet hin.
„Aber das ist okay?"
Er nahm sich die Verbandsschere, bereitete all die anderen Sachen vor.
Das Wort Verband ging mir auf die Nerven.
„Hier oben ist nichts?"
Ich nickte, er deutete auf den Oberarm.
Bei den Verletzungen sehend zog er seine Augenbrauen hoch atmete leise durch die Nase aus, legte schnell Kompressen unter den Arm und darauf natürlich zum Abdrücken.
„Drückst du bitte fest drauf?"
Schweigend schaute ich zu.
„Das muss genäht werden."
Sagte er und kramte nach einigem Zeug.
„Wissen Sie was das Gute ist als Selbstverletzer auch noch Shinigami zu sein?"
Ich machte eine Pause.
„Am Ende ist keine Verletzung da."
Er lachte ohne seinen Blick wegzubewegen, bemerkte die Anspielung zu vorhin.
„Das Nähen verringert die Chance für Entzündungen, und die Verletzung verheilt nach 11-14 Tagen, nicht erst 2-4 Wochen."
Er schaute zu mir.
„Aber das weißt du doch bestimmt, oder?"
Ich verzog nur meine Lippen.
„Bescheuert."
Er lachte wieder kurz auf, leise und nur ein kleines Kichern wie so oft auch.
„Soll ich es machen oder möchtest du mit einem Betreuer ins Krankenhaus, und Dir dann das dort nähen lassen?"
„Wo ist das Krankenhaus?"
Er drückte auf die anderen Kompressen, konnte nicht alle erreichen.
„Hier um die Ecke, paar hundert Meter."
„Darf ich laufen?"
„Hahah, nein."
Ich seufzte lächelnd.
„Gewieft ist er."
Sagte er grinsend zu sich.
„Also soll ich es nähen?"
Genervt nickte ich.
„Dann drück bitte weiter drauf, ich sage eben auf Station Bescheid."
Er ging zu seinem Schreibtisch ans Telefon, setzte sich auf den Drehstuhl.
„Ich finde es trotzdem nicht gut, dass du das gemacht hast, nur um dir das noch mal zu verdeutlichen."
Sagte er und legte den Hörer der schon piepte gegen seine Schulter, nur um mir das Ebene noch mal zu erzählen.
„Ja hallo Frau Zent,"
Antwortete er dann als eine leicht verzerrte Stimme ertönte, Telefon am Ohr.
„Ich wollte nur einmal Bescheid geben, dass Grell und ich noch ein Weilchen brauchen bis wir wieder da sind."
„Ach na klar, lasst.. ruhig Zeit."
Hörte ich leise, wollte alles heraushören.
„Natürlich, ich muss nur noch eine Verletzung behandeln."
Dabei schaute er mich speziell an, schaute mir sowieso 70% der Zeit des Telefonates in die Augen.
Ich konnte Frau Zents Antwort nicht verstehen.
Er legte den Hörer wieder auf die Station, konnte nicht zu weit weggehen, es hatte noch ein gekräuseltes Kabel dran.
„Also,"
Sagte er und zog sich die blauen Größe L Handschuhe an.
Nahm eine Spritze und klopfte mit dem Zeigefinger dagegen.
„Von mir aus können wir ohne Betäubung machen."
Unterbrach ich ihn vielleicht. 
Er zog die Augenbrauen hoch, das Gesicht nur leicht nach unten gerichtet zu mir schauend.
„Wir machen mit Betäubung."
Ich seufzte.
Er legte einige Kompressen weg, setzte sich auf den anderen Stuhl im 45* Winkel von mir und setzte an.
„Wenn es nicht mehr geht und du eine Pause brauchst sag Bescheid."
„Klar."
Meinte ich flach, er lächelte.
„Du darfst mich nicht zum Lachen bringen während ich hier am machen bin."
Da musste ich lachen.
Draußen war es stockdunkel, nur die Deckenlampe spendete Licht.
Er schaute zu mir und fragte somit nach einem ‚Bereit', ich nickte.
Beim Einstechen zog ich leise scharf Luft ein, kniff leicht das linke Auge zu.
Beim weiteren Einstich fragte er dann,
„Geht's?"
„Hmmm."
Machte ich.
Ich sah wie meine Haut durch die Spritze an den bestimmten Stellen um einen Zentimeter aufstieg.
Erstaunt und angewiedert zugleich sah ich zu.
„Du musst nicht hinschauen."
Sagte er ohne mich anzuschauen.
„Haben Sie Augen überall oder wie bemerken sie alles."
Er lächelte.
„Du sollst mich doch nicht zum Lachen bringen."
Er machte eine Pause und betäubte weiterhin, ich immer noch mich zusammenreißend.
„Nach jahrelangem Studium und gemeinsamen beschreiten der Wege von Patienten habe auch ich einiges dazugelernt, kaum vorstellbar, oder?"
Erzählte er.
Ich lächelte.
„Probieren Sie das gerade so angenehm zu gestalten wie möglich für mich?"
Ich spürte das Blut auf die Kompressen unter meinen Arm rennen.
„Ich rede doch gerade nur mit dir. Mich freut es schon wie es dir jetzt geht, im Gegensatz zu den letzten 35 Minuten."
Er hielt inne.
„Auch wenn es mich nicht, ich wiederhole, nicht freut dass das passiert ist."
Er meinte den Arm.
„Es stört mich nicht zwanzig Minuten länger mit Dir hier zu sein, um das zu betonen, nicht dass du das falsch verstehst. Auch wenn das nicht oft passiert, dass ich so lange bleibe."
Er war fertig mit der Betäubung, legte ein blaues dünnes Tuch über den Arm und Tisch, mit einem Loch drin, über die Stelle mit der er anfangen wollte zu nähen.
Er zog sich die Handschuhe aus und desinfizierte sich die Hände.
„Die gehen mir auf die Nerven."
Sagte er und warf sie in den 1 1/2 Meter entfernten Mülleimer.
Er fing an zu nähen.
„Spürst du was?"
Ich schüttelte den Kopf.
„Haben sie super toll gemacht."
Er lächelte.
„Danke."
Sagte er amüsiert.
Wie konnte es sein, dass das Beste des ganzen Tages das Einzel und das daraus resultierende Nähen war?
Ich merkte wie mir ein wenig schwummerig wurde.
Er war endlich mit den ersten beiden Schnitten fertig.
Ich werde die Nähte auf keinen Fall drinnen lassen..
„Nur um es jetzt schon mal zu sagen, du wirst nach dem hier noch mal sondiert."
Ich musste meine Stimme zügeln.
„Wie bitte?"
Man hörte das leichte Beben.
„Also endet der Tag doch auf einer schlechten Note, so wie er auch schon begonnen hat. Man will wohl den Kreis schließen, hm?"
Passiv aggressiv, wie immer.
„Ich lasse es nicht zu, dass du heute hier umkippst. Mein Zimmer ist übrigens tabu dafür."
Eigentlich war es mir an dem Punkt auch schon egal, um ehrlich zu sein.
Schließlich würde es danach sowieso in irgendeinem Topf wieder landen, aber auch weil.. heute einfach so viel los war.
Ich kann nicht mehr, ich fühle mich körperlich erschöpft.
Dafür genieße ich jetzt einfach den Moment hier, wenn man das denn kann.
„Warum arbeiten sie eigentlich so lang?"
Fing ich dann ein neues Thema an, schaute aus dem Fenster, jetzt wo ich keinen Schmerz mehr spürte.
„Im Dispatch arbeitet man doch viel länger."
Ich summte nur, 
„Also haben sie sich fein raus gemogelt."
Er lächelte.
„Wenn du es so nennen möchtest."

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