P.o.V. Undertaker„Hallo Sebastian., hier ist Undertaker.. ich wollte dir nur mitteilen, dass Grell in naher Zukunft erstmal nicht die Klavierstunden entgegennehmen kann."
„Wieso das denn?"
„Er ist jetzt in der Klinik."
Ein leichtes verzögertes Seufzen vernahm ich durch den Hörer.
„Verstehe. Und.. wie geht es dir?"
Ich machte ein ‚Pff' Geräusch, ein leichtes Lachen mit verzogenen Augenbrauen, so wie Grell es immer tat.
„Was soll denn diese Frage?"
Noch nie hat er mich nach meinem Befinden gefragt, das tut er sowieso kaum.
„Ich frage wie es dir geht, was ist daran denn so verwunderlich?"
Ich zögerte.
„Es geht hier nicht um mich, sondern um Grell. Mir geht es gut genug - es ist das Beste für ihn und das wissen wir beide."
„Ruf' mich an, wenn ihr Hilfe braucht - wenn du Hilfe braucht. Egal was."
Ich summte.
„Das schätze ich wirklich sehr, danke."
„Grüß Grell von mir."
„Mache ich."
Wir legten auf.
Warum ich so förmlich war? Ich glaube wohl, dass ich mich so schütze.
Ich kenne den Teufel kaum, der Einzige der mir ansatzweise nahe steht ist William.. aber es läuft alles nur über Grell.
5 Uhr nachts, ich komme kaum zur Ruhe.
Michaelis hat schon beim ersten Klingeln abgehoben, vielleicht habe ich ja seine Frühstücksvorbereitungen gestört.P.o.V. Grell
Die Matratze quietschte leise, es wirkte unglaublich laut in dem stillen Raum.
Mein Atem parallel zu den kontinuierlichen Bewegungen strengte ich mich an, nicht so unüberhörbar zu sein.
Mary, meine Zimmernachbarin, schläft schon - was man von einer Uhrzeit wie dieser doch erwarteten möchte.
Es schimmerte durch die Rollläden, das blaue Kälte Licht beruhigte.
Die Decke über mir brachte mich noch mehr zum Schwitzen.
Bloß die Nachtwache darf jetzt nicht reinkommen..
meine Bauchmuskeln brannten.
Ein Wunder, dass ich im Zimmer schlafen darf.
Die scheiss Sonde fliegt bei jeder Bewegung hin und her, was mich nur nich mehr anspornte, die ganzen aufgenommenen Kalorien zu verbrennen.
Ich habe es doch nicht geschafft zu Abend zu essen.
Herr Revens und Herr Rica kamen auf mich zu, haben es mir mitgeteilt - haben es zusammen besprochen, auch wenn er dann Herrn Rica rausschickte.
Er will wohl mehr Vertrauen aufbauen.
Seine Stimme ist sehr beruhigend, tief.
Er lächelt auch immer - wirklich immer. Jeden den er sieht strahlt er an, mit den Zähnen.
Und trotz dessen kann er ernst sein, einem das Gefühl geben gehört zu werden, wahrgenommen zu werden.
Aber ich habe Angst, ich will mich nicht einlassen.
Ich muss.. ich kann nicht - ich habe mir geschworen, nicht meine Karten auf den Tisch zu legen.
Die Tür ging auf.
Schnell vergrub ich mich unter die Decke bevor die Lichtstrahlen der hellen Lampen aus dem gelben Flur auf mein Bett trafen.
Mein Atem war flach, so leise wie möglich, meine Lungen schmerzten.
Die Tür schloss sich wieder.
Und ich atmete aus.-200 Gramm, jetzt also genau 32 Kilo.
Ich zog mich wieder an und setzte mich auf die Liege, wartete bis Frau Zent mir die Sonde anschloss.
Zwei Piepen und dann tropfte es, ein proportionales Summen war zu hören, von leise zu laut, und wieder von leise zu laut.
Ich stand auf und nahm mir die Stange, zog das Gestell hinter mir her, die Blicke der anderen Patienten durchbohrten mich.
Oder so kam es mir zumindest vor.
„Frau Menke kommt heute auf dich zu, die Ernährungsberatung."
Ich nickte.
„Und.. was machen wir da?"
„Erstmal ein wenig kennenlernen. Danach einen Ernährungsplan erstellen, was geht und was nicht, viel Allgemeines."
Antwortete Frau Zent, wieder nickte ich.
„So, Frühstück!"
Herr Linebeck klatschte in die Hände.
Wie soll ich mir denn alle Betreuer merken..
Linebeck war sehr.. optimistisch. Lebensfreudig, ein stolzer Vater mit zwei Kindern und einem unterwegs, so ungefähr konnte man sich ihn vorstellen.
Wahrscheinlich ein A in praktisch verlangten Aufgaben, seine Muskeln stachen dezent durchs Shirt, eine kleine Narbe unterhalb des linken Auges, und Glatze.
Er war aber sehr bodenständig wie mir schien, eine fast schon witzige Stimme und ein ziemlicher Stimmungsbringer.
Zu jeder Situation einen Spruch.Das Frühstück war langweilig.
Ich saß schließlich nur da, neben mir der Ständer der Sonde mit dem sich wiederholenden Geräusch bei welchem man meinen würde, man könne sich dabei beruhigen. Kann man aber nicht, zumindest ich nicht - jeder weitere Schub bedeutet ein weiterer Tropfen mehr in meinen Magen.
Es lief immer noch durch, mittlerweile waren wir bei der Planung im Gruppenraum.
Um 10 Uhr Zwischenmahlzeit, danach Ernährungsberatung..
„Guten morgen..!"
Die schwere Glastür öffnete sich, strahlend erblickte man das Gesicht von Herrn Revens, fast schon blendend.
„Dürfte ich Grell einmal entführen?"
Ich schaute zu Herrn Linebeck, er war heute früh für mich zuständig.
„Morgen! Natürlich-" er sah lieb zu mir-„die Planung machst du dann halt danach fertig, kannst einfach beim Dienstzimmer klopfen."
Ich nickte, ich war nur froh aufstehen zu dürfen mit laufender Sonde, mehr Kalorien verbrennen, die Beine bewege ich schon die ganze Zeit beim Sitzen.
Also, eigentlich wäre jetzt Ruhepause.
Für 45 Minuten..
Ich schlängelte durch die Hocker und folgte meinem Therapeuten in sein Zimmer.
„Doof für dich, dass mein Raum so nah an der Station ist, hm?"
Er hielt mir die Tür auf und ich setzte mich auf den nächsten roten Stuhl.
„Oh, also noch weiter zurück kann ich nicht."
Er presste sich schon fast an die Tür.
„Was meinen Sie?"
Er schloss sie.
„Dein Bogen um mich herum, die letzten Male auch schon."
„..oh."
Stimmt..
„Das ist mir noch nie so aufgefallen.."
Murmelte ich und schaute überall hin außer in sein Gesicht.
„Dann haben wir es jetzt wohl zusammen entdeckt. Wie geht es dir ?"
Lächelte er.
"..ich weiß nicht..?"
In den Sitzungen krieg ich noch nicht so den Mund auf.
Was wahrscheinlich sehr normal ist.
„So wie immer, denke ich?"
„Ach wirklich?"
Sein Blick ging hoch auf das unüberhörbare Gerät.
„Hattest du das sonst auch schon bei dir?"
Er richtete sich etwas auf und zeigte in die Richtung.
Ich seufzte.
„Also.. es ist schwer, klar.. aber auch aushaltbar? Ich esse ja nichts dazu-"
„Was wir natürlich erreichen wollen."
„Ja schon klar - mir wäre es auch lieber richtiges Essen zu essen statt das hier zu bekommen."
„Und wieso ist das so?"
Sein Interesse schockte mich etwas.
Nicht negativ.. ungewohnt.
Nicht das Interesse wie bei Undertaker.. sondern so.. ach egal.
„..keine Ahnung, da weiß ich halt genau wo was drin ist. Hier könnte mir ja Herr Rica einfach 20 ml mehr reinkippen."
Er lachte etwas.
„Würde es denn einen Unterschied machen, wenn du es reinkippen würdest? Außer dass du vielleicht 20 ml weniger reintust."
Ich grinste leicht, überlegte dann.
„Nein wahrscheinlich nicht, wahrscheinlich liegt es daran, da das von außen kommt und ich nicht aktiv beim Prozess beteiligt bin. Also so wirklich aktiv."
Er lächelte freudig.
„Es macht so Spaß mit cleveren jungen Leuten Therapie zu machen."
Ich schaute etwas weg.
Seine positive Art ist ja schon fast ansteckend.
Er ist wohl eher realistisch, aber mit einem Hauch von gewaltiger überschwänglicher Freude.
„Ich wollte nur wissen wie es dir geht und dafür nicht bis heute Nachmittag warten, deswegen überfalle ich dich so in der Früh. Denn, wenn es dir passt, hätten wir um 16 Uhr heute Einzel, würden unter Anderem ein paar organisatorische Sachen besprechen, wie zu Beispiel das Wochenende."
Ich nickte.
„Das passt."
„Gut.. und wegen dem."
Er deutete auf die Sonde.
„Natürlich hoffen wir, dass es wieder in einigen Tagen, vielleicht Wochen auch ohne Sondierung funktioniert. Aber, das erwarten wir nicht von dir. Es wäre nicht schlimm wenn es zum Beispiel Monate dauern würde. Und ich weiß, dass das ein sehr belastendes Thema für dich ist, auch wenn du es noch nicht so gern benennen magst, aber man sieht es dir an."
Ich schaute auf meine Beine, spielte mit dem Ende meines Pullovers.
„Ich habe gesehen, dass du heute Ernährungsberatung hast, da kannst du das auch ruhig ansprechen. Ok?"
Ich nickte.
„Gut,", er ließ die Hände auf seine Oberschenkel fallen, stand dann auf - „Dann wieder zurück."
Es war nett von ihm noch einmal kurz vorbeizuschauen und die Zeit für mich einzurichten.
..wahrscheinlich würde er das aber für jeden anderen auch tun.
Es ist wohl eher normal.A/N:
Entschuldigt, dass es so lange gedauert hat, aber ich habe etwas nachgedacht und gebe der Geschichte und den Charakteren nun die Zeit, die sie brauchen. Und bin auch glücklich mit der Entscheidung, ich hoffe ihr auch.
Vielen Dank für euer Feedback!
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A Way To Escape
FanfictionTrigger Warning : Essstörung. Anorexie und Grell - zwei sich Suchende finden sich. Der Rotschopf wusste keinen Ausweg mehr, er hat keine andere Strategie, keinen anderen Bewältigungsmechanismus je gelernt, als Kontrolle. Es fällt ihm alles durch...