Jennie's POV
Wir fuhren lange Zeit auf einer überraschend wenig befahrenen Hauptstraße bis Lisa irgendwann nach recht abbog. Sie sagte mit zuvor, dass sie noch nie in Bus an war. Die Schlussfolgerung ist dementsprechend, dass sie sich hier nicht auskennt. Trotzdessen fuhr sie genau in die Richtung in der mein Lieblingsort in der Stadt ist.
Nicht nur mein Lieblingsort, viel eher mein Rückzugsort. Mein Elternhaus war nie sehr liebevoll. Meine Mutter war so gut wie immer auf Arbeit. Ich hab sie höchstens mal am Wochenende gesehen. Mein Vater war zwar immer da aber nie für mich da. Er wollte immer seinen Willen durchsetzten. Ich sollte immer das machen was er verlangt, selbst wenn es meine ganze Welt auf den Kopf stellen würde.
Ich verstehe ja, dass man als Elternteil will, dass seine Kinder ein gutes Leben führen und auch dafür sorgen dies führen zu können aber ich bin der Meinung, dass es ihnen umso wichtiger sein sollte das ihr Kind glücklich ist.
Ich war so in Gedanken, dass ich garnicht bemerkte das wir bereits angekommen sind. Sie ist wirklich hier her gefahren. War das vielleicht nur ein riesen Zufall? Ich stieg vom Motorrad ab und setzte den Helm ab. Ich nahm mir 3 Minuten um mir den Platz nochmal genauer anzuschauen. Er hat sich kaum verändert.
Wir befanden uns auf einem Gelände, welches etwas von der Stadt abgeschottet war. Eigentlich befand er sich so ziemlich an der Stadtgrenze jedoch bemerkte man von dieser so gut wie garnichts. Wir waren auf einer großen weiten Wiese mit Wald um uns rum.
Ich schätze die Fläche auf ein 3x4 Feld verglichen mit einem Fußballfeld. Auf der Wiese an sich findet man viele verschiedene Blumemarten also nichts spektakuläres. Das beste ist der riesige Baum am Ende der Wiese. Er ist riesig und hat viele dicke Äste. Perfekt zum klettern.
Ich sah mir den Baum etwas ganauer an. Ich saß dort fast jeden Tag mit meinen Hausaufgaben unter dem Baum und habe gelernt einfach nur um meinem Vater aus dem Weg zu gehen. Irgendwann, als ich älter wurde, habe ich mich auf den niedrigsten Ast gesessen und einfach nur Stundenlang auf die Wiese gestarrt. Ich beschloss an dem Tag jedes Jahr an meinem Geburtstag einen Ast höher zu klettern.
Zu diesem Zeitpunkt war ich circa 8 Jahre alt. 8 Jahre später, also mit 16 habe ich dann den letzten Ast erreicht. Von dort oben konnte man die ganze Wiese sehen. Man konnte Tiere dabei beobachten zu essen ohne sie zu stören und man konnte fast bis über die Baumkronen schauen.
Mit Anfang 17 habe ich dann teilweise Nächte dort verbracht. Ich hab mir eine Decke von Zuhause mitgenommen und habe die dann unter den Baum hingelegt. Jedoch saß ich meistens die ganze Nacht oben auf dem Baum, angelehnt an den Stamm und hab in den Nachthimmel geguckt.
All diese Erinnerungen kamen Schlagartig hoch, als wir in Richtung des Baumes gingen. Lisa schien das zu merken denn sie hielt an und griff nach meinem Oberarm.
,,Was ist los?" ihre Stimme klang besorgt.Sehe ich wirklich so bemitleidenswert aus?
Ich lief weiter und antwortete. ,,Ja, mir gehts gut. Mir kommen nur gerade alte Erinnerungen hoch" sagte ich und hing Richtung Baum. Ich fing an hoch zu klettern einfach nur der alten Zeiten willen.Sie stand unten am Baum und lehnte sich an den Stamm. ,,Care to share?" fragte sie. Ich schaute kurz runter und lächelte zu ihr. ,,Dann musst du aber zu mir hoch klettern."
Sie nahm das anscheinend als Herausforderung denn eh ich mich versah fing sie an den Baum hoch zu klettern. Schneller als ich es erwartet hätte. Schließlich ist es 2 Uhr morgens. Man sieht kaum einen Ast.
Ich drehte mich um und konzentrierte mich auf's klettern. Ich war circa auf dem 5. größten Ast als Lisa neben mir war. ,,Ich bin anscheinend zuerst da." sagte sie lachend und kletterte an mir vorbei. ,,Hey! Warte!" rief ich ihr hinterher. Das führt allerdings nur dazu, das sie noch schneller kletterte.
Einige Minuten später sehe ich wie sich Lisa auf den Ast ganz oben setzte, angelehnt an den Baumstamm, so wie ich immer. Ich kletterte die letzten Äste hoch und setze mich, mehr oder weniger, gezwungener weise auf ihren Schoß. Ich lehnte mich allerdings an sie. Meine Beine hingehen in der Luft. ,,Die Aussicht ist am Abend bestimmt schön." sagte sie, als sie in den Himmel starrte.
,,Sie ist unbeschreiblich" antworte ich und sah ebenfalls in den Himmel. ,,Ich hoffe das ist mit guten Erinnerungen verbunden." sagte sie. Ich antwortete nicht. Ich sah nur weiter in den Himmel. ,,Verstehe" fügte sie hinzu. ,,Ich verurteile dich für nichts also wenn du mir sagen willst was vorgefallen ist stehe ich dir zur Seite."
Ich atmete mehrmals tief ein und aus bevor ich mich dazu entschloss es ihr zu erzählen. Von Anfang an. Ich erzählte ihr alles von meinem Vater und meiner Mutter, von meinen schlechten Erfahrungen mit neuen Schule und hinterhältigen Freunden. Und schließlich auch von diesem Ort hier.
Irgendwann mitten in der ganzen erzählerei wurde mir einfach alles zu viel. Die Erinnerungen, die ich lange vergessen wollte, kamen wieder hoch und ich fing an zu weinen. Lisa zog mich komplett auf ihren Schoß und drückte meinen Körper an ihren.
Ich fand mich in ihren Armen wieder. Ein Platz an den ich mich gewöhnen könnte. Ich fühlte mich sicher und verstanden immer wenn ich bei ihr bin. ,,Shh, ist okay. Ich verstehe. Du musst mir nicht mehr sagen."
Sie versuchte mich zu beruhigen, dies klappte aber erst nachdem die anfing leicht meinen Rücken zu streicheln. Sie weiß genau was sie tun muss um mich zu beruhigen.Wir blieben eine Weile in dieser Position. Ich klammerte mich immer mehr und immer fester um sie. Nach einer Weile flüsterte ich dann ,,aber du machst eine perfekte aus den vielen schlechten". Bevor ich einschlief spürte ich einen Kuss auf meinem Kopf und eine Hand auf meiner Hand. ,,Schlaf gut Nini" vernahm ich noch bevor ich einschlief. In ihren Armen, auf einem Baum voller Erinnerungen.
DU LIEST GERADE
To Get To You
FanfictionEine Online Bekanntschaft entpuppt sich als mehr. Ich hätte nie gedacht, dass mein Handy jemals das wichtigste in meinem Leben sein könnte.