Fremdgehen ohne fremdzugehen

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Auf dem Parkplatz des KH seh ich schon von weitem Florians mattgrauen Audi. Er ist mächtig stolz drauf und ich vermute, dass er den häufiger wäscht als seine eigenen Socken wechselt.
Ich steige ein.
,,Hey Kleine.", begrüßt er mich.
,,Na Großer."
Es riecht nach Männerparfum. Hat sich aber mächtig rausgeputzt der Gute. Er trägt ein Hemd, dass ihm wirklich gut steht. Und trotzdem taucht im selben Moment vor meinem Inneren Auge Alex auf. Im Hemd.
Stopp Josi. Du bist mit Flo unterwegs. Wobei es aber ja kein Date ist. Es ist kollegial. Egal. Hör einfach auf an Alex zu denken.
,,Was hast du so angestellt?"
,,Hab mit Linda Kaffee getrunken."
,,Das ist doch die Nette von der Intensiv, oder?"
Genau die. Und hübsch ist sie auch. Und klug auch. Und sie steht verdammt noch mal auf dich. Und jeder weiß es. Außer dir.
,,Jep."
,,Ja cool."

Die ganze Fahrt wissen wir uns kaum zu unterhalten. Normalerweise haben wir damit nie ein Problem, wir finden immer was. Jetzt ist die Stimmung aber komisch angespannt.
Ich schaue verstohlen zu Flo. Er wirkt genauso wenig locker wie ich, seine Hände umklammern das Lenkrad.

Nachdem das Auto abgestellt ist, schlendern wir zusammen über die Schildergasse und wundern uns über die vielen neuen Geschäfte. Immer, wenn ich hier bin, haben gefühlt alle Schaufenster gewechselt.
Wir konnten uns beide auf Hans im Glück einigen. So ,,schick" waren wir noch nie zusammen essen, im Dienst landet man nunmal meistens eher bei Mecces oder Burger King.
Es ist angenehm warm und so setzen wir uns auf die Terrasse. Gott sei dank entspannen wir uns beide langsam und ein Gespräch rollt an. Das Typische Thema: Die Unfähigkeit mancher Notärzte. Manchmal muss man sich halt über die selbst ernannten Halbgötter Unterhalten, um dem Ärger über den eigenen Beruf etwas Lust zu machen.
,,... auf jeden Fall kam da dieser Patient mit leichten Rückenschmerz und sonst keine Problemen und der hat dem einfach 6 statt 2 Mikrogramm injiziert und sich dann gewundert wieso der intubationspflichtig wird. Und als wir das dann danach beweisen wollten, hatte er das Protokoll so unordentlich geschrieben, dass man es nicht mehr nachvollziehen konnte.", regt sich Flo auf.
Und schon sind wir voll im Thema. Mit Flo kann ich mich einfach (fast) immer gut unterhalten.
Das Essen schmeckt wunderbar und ich trinke entgegen meiner ärztlichen Empfehlung auch zwei Gläser Rotwein. Zudem habe ich auch eigentlich morgen Dienst. Aber was soll's.

Bis es dunkel wird, sitzen wir noch draußen.
,,Zusammen oder getrennt?", fragt die Kellnerin. ,,Getrennt.", sage ich und Flo: ,,Zusammen."
,,Ich bezahle.", sagt er und zückt einen 50€- Schein. ,,Stimmt so."
,,Danke. Wär nicht nötig gewesen.", sage ich.

,,Nächstes Mal geht Mecces auf dich.", erwidert er.
Wir beschließen uns, noch etwas zu spazieren. Zurück über die Schilder Gasse, Hohe Str., Domplatte. Weiter durch den Hauptbahnhof und zur Rheinpromenade. Die Lichter glitzern auf dem Wasser, es sieht wunderschön aus. An manchen Anlegern liegen Restaurantschiffe und beleuchten die Umgebung. Der Kölner Dom ist angestrahlt und hebt sich von den restlichen Gebäuden ab.
,,Wunderschön, nicht wahr?", sagt Flo leise.
,,Hm." Ich genieße den Anblick. Und mit ihm hier lang zu laufen. Zwischendurch streifen sich unsere Hände, so nah laufen wir nebeneinander. Und dann wieder dieses Schweigen. Es ist mir irgendwie etwas unangenehm.
Plötzlich bleibt Flo stehen und deutet auf die Mauer, die die Promenade eingrenzt. Wir gehen dorthin und ich setze mich darauf. Nun steht vor mir. Er lächelt und seine Augen funkeln. Das steht ihm.

,,So wie du.", sagt er plötzlich und ergreift meine Hände.
,,Ja?", frage ich. Was besseres fällt mir nicht ein.
,,Ja. Wunderschön.", wiederholt er und berührt meine Wange. Sein Gesicht kommt immer näher. Und dann- irgendwie bekomme ich das gar nicht so mit, weil ich noch dabei bin, die Situation zu sortieren- berühren seine Lippen meine.

Es ist das erste Mal seit Jahren, dass ich wieder jemanden Küsse und ich versuche mich zu erinnern, wie es sich angefühlt hat. Hat es sich so angefühlt? Seine Lippen sind weich und es fühlt sich ingesamt sehr gut an. Aber irgendwie.... anders als in meiner Erinnerung. Ich muss überlegen. Was ist anders? Und als es mir einfällt, lässt auch Flo von mir ab.
Sein Gesichtsausdruck ist undefinierbar. Ich möchte nichts sagen, weil ich absolut nicht weiß, was er denkt.
,,Irgendwie...", setze ich dann doch an.
,,Nicht so ganz, wie... wie ich es mir vorgestellt hab.", sagt er etwas verwundert und fährt sich durch die Haare.
Genau das. Danke, dass du es mir vorweg genommen hast. Das Gefühl hat gefehlt. Dieses eine Gefühl, wenn man jemanden küsst, den man wirklich über alles liebt. Also, ich liebe Flo, keine Frage. Aber nicht auf diese Weise.
Er setzt sich neben mich.
,,Es war gut, wirklich...."
,,...aber das Gefühl hat gefehlt.", vollendet er meinen Satz.
,, Genau. Danke." Ich seufze erleichtert. Beide sitzen wir nebeneinander und irgendwann lege ich meinen Kopf auf seine Schulter.
,,Was bin ich aber froh, dass ich das gemacht hab.", sagt er plötzlich.
,,Ja?"
,,Ja, was glaubst du, wie lang ich darüber überlegt hab. Ich hab dich wohl echt richtig gern, aber ich war mir echt nicht sicher..."
,,Ob das mehr als eine wirklich gute Freundschaft ist.", helfe ich ihm.
,,Genau. Danke. Jetzt könnt ich immerhin nicht sagen, ich hätte es nicht probiert." Er lacht erleichtert. Es ist das typische Flori Lachen.
,,Ich hab dich echt echt gern.", sage ich.
,,
Ich dich auch Josi, ich dich auch." Er zieht mich an sich.
Erleichtert atme ich die frische Luft ein. Das fühlt sich nun an wie der entspannteste Teil des Abends. Es ist alles geklärt, was zwischen uns stand. Denn seien wir ehrlich: ich hatte schon länger das Gefühl, dass Flo vielleicht mehr will. Und ich war mir ehrlich auch nicht sicher wie das bei mir ist.
,,Eigentlich ist es doch gut so, wie es ist, nicht?", sage ich leise.
,,Ja. Wir zwei gegen den Rest der Welt. Gegen alle Dummen Patienten, und insbesondere Notärzte." Er lacht.
,,Ja..." Beim Wort ,Notärzte' muss ich direkt an jemanden denken.
Und ich weiß nicht wieso, aber ich habe ein schlechtes Gewissen. Als wäre ich fremdgegangen.

ASDS- auch Retter müssen mal gerettet werden Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt