Looking at it now

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Nachdem ich mich kernsaniert habe, trete ich wieder in den Aufenthaltsraum. Alex sitzt entspannt auf dem Sofa, eine Tasse Kaffee in der Hand.
,,Josi, möchtest du auch was?", fragt Damian mich.
,,Danke dir... aber ich muss jetzt wieder zurück. Wir sind nur grad in der 6."
Alex nickt, stürzt seinen restlichen Kaffee runter, wir verabschieden uns und gehen wieder raus.
,,Was hast du im letzten Jahr so gemacht?", fragt Alex plötzlich.
Ich drehe mich zu ihm um.
,,Gearbeitet. Gegessen. Geschlafen. Gelebt halt. Warst du erfolgreich?", will ich wissen.

Eher existiert. Richtig leben kann man das nicht nennen.

,,Ja. Es ist sehr gut gelaufen. Wir konnten also insgesamt einen großen Teil Infrastruktur dort errichten."

Das Licht der Laternen lässt sein Gesicht fast Gold erscheinen.

Nach wie vor der schönste Mann, den ich jemals gesehen hab. Ein Porzellanteller durch und durch.

,,Schön." Ich greife nach dem Griff der Autotür.
,,Und.... hast du neue Leute kennen gelernt? Jemand Neues vielleicht?", fragt er zögerlich.

Niemand würde an dich ran kommen.

,,Nicht wirklich. Ich war denke ich, einfach zu beschäftigt. Und du?"
Er schüttelt den Kopf. Sein Gesichtsausdruck ist undefinierbar- ich kann absolut nicht erraten, was er gerade denkt.
,,Geht's dir denn langsam besser?", fragt er.
,,Bitte?"
,,Flo macht sich Sorgen, schon länger. Und offen gestanden, wenn ich dich so sehe, mache ich sie mir auch."

Er macht sich Sorgen. Um mich.

,,Brauchst du nicht." Ich versuche möglichst neutral zu klingen.
,,Er sagte im November, dass er..."
,,... im November? Ihr hattet Kontakt?", frage ich entgeistert.
,,Ja... ich habe ihn angeschrieben. Ich wollte wissen, wie es so läuft. Und wie es dir geht."
Er schaut ertappt.

Deswegen war Flo so komisch drauf. Hat mich ständig ausgefragt.

Irgendwie macht mich diese Tatsache sauer.
,,Ich hatte monatelang keine Ahnung. Ob es dir gut geht, ob du überhaupt noch lebst.... und Flo plaudert mit dir über meinen seelischen Zustand?"
,,Josi..." Er hebt entschuldigend die Hände.
,,Ich dachte, wir hätten das im September beendet.", sage ich kalt.
Also ich versuche es.
Er kommt einen Schritt auf mich zu.
,,Josi... ich weiß, dass wir das beendet haben. Ich akzeptiere, dass du nicht warten wolltest. Völlig, Ich verstehe es sogar. Aber ich... ich hab nicht die Hoffnung aufgegeben, dass, wenn ich zurückkomme... du..." Er bricht ab.
,,Wieso hast du mir dann kein einziges Mal geschrieben? Dich gemeldet? Ich dachte... auch du würdest das nicht mehr wollen ... mit uns."
,,Ich wollte mich nicht aufzwängen. Ich wollte deine Entscheidung respektieren und dann persönlich mit dir reden.", antwortet er leise und kommt noch näher.
Mein Herz galoppiert setzt aus.
,,Alex... Stopp." Er hält inne.

Ich ertrage das nicht. Seine Nähe, seine Anwesenheit.
Und dass er da steht, und sagt... dass er sich Sorgen macht. Wissen wollte, was mit mir ist.
Eigentlich bin ich sauer auf Alex und Flo. Angesichts dessen, dass Flo mich ausspioniert hat und Alex berichtet hat.
Aber eigentlich... wenn ich die Chance dazu gehabt hätte, hätte ich es vielleicht genauso gemacht.

,,Okay." Er guckt ziemlich niedergeschlagen.
,,Alex... das geht nicht mehr.", flüstere ich und merke, wie mir eine Träne runterläuft.
,,Wieso? Wieso denn?", fragt er.
,,Weil... weil wir eine schöne Zeit hatten. Uns verabschiedet haben. Und uns jetzt auch verändert haben. Beide. Vielleicht passt das gar nicht mehr."
Er schweigt und schaut mich erwartungsvoll an.
Das bringt mich noch mehr durcheinander als sowieso schon.
,,Worauf... worauf wartest du?", frage ich verwirrt.
,,Ich warte auf ein überzeugendes Argument, dass das nicht geht, wie du sagst."
,,Aber..."
Er kommt noch etwas Näher und greift nach meiner Hand.
Ich zucke zusammen.
,,Ich hab dich vermisst, Josi, hab jeden Tag, jede Minute an dich gedacht. Ich hab die Tage gezählt, bis ich dich wiedersehe.
Wenn es nach mir ginge... an meinen Gefühlen für dich hat sich nichts geändert. Wieso also sollten wir es nicht nochmal versuchen? Die einzige Voraussetzung dafür ist, dass... dass... es bei dir ähnlich aussieht."

,,Alex ich..."
Er schaut mich hoffnungsvoll an. Bittend. Verzweifelt?
,,Josi, versuch es nochmal mit mir. Ich verspreche dir, ich werde nie wieder gehen."
,,Alex..."
Er unterbricht mich.
,,Die Zeit, die wir hatten, war die Schönste, die ich jemals hatte und ich hab eine Entscheidung getroffen, die ich zwar nicht bereue, weil ich das machen musste...
Aber Josi, mir ist klar geworden, dass ich nicht ohne dich will und..." Er redet wie am Fließband.
,,Alex!", jetzt unterbreche ich ihn.

,,Ja?", fragt er hoffnungsvoll und greift auch noch nach meiner anderen Hand.
Und schon im selben Moment bereue ich, was ich dann sage:

,,Gib mir Zeit. Bitte."

ASDS- auch Retter müssen mal gerettet werden Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt