Accident

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Irgendwann fällt mir auf, dass ich noch mein Auto holen muss. Ich quäle mich aus meinem
Bett und schlüpfe in kurze Hose und Top.
Alex sitzt an einem der Hocker in der Küche und arbeitet.
Also muss ich wohl oder übel an ihm vorbei.
,,Wohin gehts?", fragt er, nachdem ich wortlos an ihm vorbei gegangen bin. Seine Stimme ist eisig.
Das tut mir mehr weh, als wenn er gar nichts gesagt hätte.
Ich klimpere nur mit meinem Autoschlüssel, weil ich befürchte, dass meine Stimme abbricht.
Er nickt.

Ich spaziere zum Heumarkt und genieße die Abendsonne. Also versuche es. Mit meinem Gedanken bin ich soweit weg, dass ich mehrmals fast in Leute reingelaufen wär.
Mein Auto steht Gott sei dank noch an der selber Stelle, ein Knöllchen hab ich auch nicht, obwohl meine Parkplatz eher so halb legal ist.
,,So, ab nach Haus.", sage ich zu meinem Auto und klopfe auf den Beifahrersitz.
Konzentration, Josi. Fürs Autofahren wichtig- auch wenn's nur wenige Kilometer sind.
Doch immer und wieder schweife ich ab. Und jedes Mal merke ich erst, wenn ich fast meinem Vordermann fast drauf fahre. Ist ja nur noch eine kurze Strecke, sage ich mir- das schaffe ich.

Endlich löst sich der Verkehr auf und ich kann 50 fahren. Alle Ampeln sind grün und ich drücke aufs Gas.

Es passiert schneller, als ich gucken kann. Aus dem Augenwinkel bemerke ich blaues Blitzen und registriere, wie der RTW in die Kreuzung einfährt.
Reflexartig trete ich Bremse und Kupplung bis zum Anschlag durch. Ich spüre das ABS, das ganze Auto vibriert. Der Anschnallgurt schneidet in meinen Brustkorb und mein Kopf schlägt auf das Lenkrad. Ich warte auf den Anprall. Es kommt keiner. Mein Auto steht, und das in einem Stück. Der RTW ist ein paar Meter vor mir auch zum Stehen gekommen.
Die Türen gehen auf- und Franco springt raus.
,,Verdammt, sehen Sie nicht... Josi!"
Er reißt meine Fahrertür auf.
,,Um Himmels Willen, ist alles gut?"
,,Ja. Alles gut. Ihr seid aufm Weg zum Einsatz?"
,,Ja."
,,Fahrt weiter. Es ist alles gut. Nichts passiert.", höre ich mich sagen.
,,Sicher... soll ich nicht einen RTW für dich nachbestellen?"
,,Wieso?"
,,Du blutest da." Er zeigt auf meine Stirn.
Ich fasse an meine Stirn und spüre etwas Warmes.
,,Oh. Aber ne, danke. Gehts euch gut?"
,,Ja. Gut, dann fahren wir weiter. Aber meld dich, wenn was ist."
,,Ja, mach ich. Franco- ich hatte doch grün oder?"
,,Ja. Wir sind aber mit Horn gefahren."
,,Ach ja. Ja, hab ich Gehört." Nein, hab ich nicht. Ich hab's einfach nicht gehört.
,,Gut, dann... Pass auf dich auf."
Er guckt mich etwas zweifelnd an, steigt dann aber wieder ein und der RTW fährt weiter.
Hinter mir hat sich mittlerweile eine Schlange gebildet. Ich fahre wieder an und halte bei der nächsten Gelegenheit rechts auf einem Parkstreifen.

Als das Auto sicher steht, Lehne ich mich zurück. Jetzt erst merke ich, wie mein Herz rast und mir wird klar, was da eben passiert ist. Ich habe fast einen Unfall gebaut. Weil ich abgelenkt war. Weil ich an Alex gedacht hab.
Weiter fahren kann ich nicht mehr, dazu fühle ich mich nicht in der Lage. Meine Beine sind weich, mir ist schwindelig, meine Ohren pfeifen.
Ich überlege, was ich jetzt tun soll. 

Dann greife ich nach meinem Handy und suche in meinen Kontakten nach Alex. Bis mir auffällt, dass ich seine Nummer gar nicht hab. Vielleicht ist er noch Zuhaus?
Ich wähle meine Festnetznummer. Mehrmals Freizeichen, nix. Klar geht er nicht ran. Aber vielleicht sitzt er im Wohnzimmer, dann hört den AB. Ich hole tief Luft, dann springe ich über meinen Schatten.
,,Hey Alex, ich hoffe du hörst das. Kannst du mich bitte abholen? Ich hatte einen kleinen Unfall..."
,,Josi?" Auf einmal höre ich seine Stimme. Mir fällt ein Stein vom Herzen, er ist drangegangen.
,,Ja. Gott sei dank." Meine Stimme bricht.
,,Was ist passiert?"
,,Ich... hatte einen kleinen Unfall. Also Auto ist heile, ist niemandem was passiert. Aber ich will jetzt nicht mehr weiterfahren."
,,Wo bist du? Ich komme."
,,Bonner Str. Ecke Cäsarstraße."
,,Bin aufm Weg."
,,Danke."

Er legt auf. Ich lege mein Handy weg. Mein Adrenalinspiegel sinkt langsam. Ich fühle mich völlig fertig und muss hemmungslos anfangen zu heulen.
Scheiße, wenn mir das mit einem RTW passiert wäre, den ich gerade fahre. Mit Patienten und Kollege drin. Und Notarzt.

An meiner Scheibe klopft es auf einmal. Ich erkenne Alex und wische mir die Tränen weg. Er öffnet die Türe.
,,Verdammt, was hast du denn gemacht?", Flucht er.
,,Ich weiß es nicht. Der RTW war auf einmal einfach da..." Ich kann meine Tränen nicht mehr zurück halten.
,,Du bist fast in einen Rettungswagen gefahren?"
,,Ja, in den Einser mit Franco."
,,Wie schnell warst du?"
,,Es war Tempolimit 50."
,,Bist du 50 gefahren oder schneller?"
,,Ich weiß es nicht."
,,Hast du irgendwo Schmerzen?"
,,Nein, alles gut."
,,Das sieht aber nicht so aus."
,,Ach so, das." Ich deute auf meine Stirn.
,,Spürst du das oder tut das weh?"
Er klopft meine Wirbelsäule ab.
,,Nein. Alles gut." Ich will aussteigen.
Direkt wird mir Schwarz vor Augen.
,,Langsam."
Er packt meinen Arm und hält mich somit auf den Beinen.
Ich schließe mein Auto ab und steige bei ihm ein. Er hat einfach mit Warnblinker und laufendem Motor auf der Straße gehalten.
Er wendet.
,,Halt, wo fahren wir hin?"
,,Klinik."
,,Bring mich einfach nach Haus."
,,Nein. Wir klären das jetzt ab."
,,Ich will nicht. Bring mich einfach nach Haus. Das ist nix. Airbags haben doch auch nicht ausgelöst."
,,Bin ich der Arzt oder du?"

ASDS- auch Retter müssen mal gerettet werden Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt