Say you'll remember me

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Obwohl ich weiß, dass es jetzt nicht richtig ist, Auto zu fahren, tu ich es.
Ich will einfach nur weg. Kurz überlege ich, zu einem Kollegen zu fahren, dann schlage ich doch den üblichen Weg nach Haus ein.
Bei einem Kollegen müsste ich erstmal die ganze Geschichte zwischen Alex und mir erzählen.
Gut, Flo ausgenommen. Aber der arbeitet.

Und Alex wär ja schön blöd, wenn er jetzt nach Hause kommt.

Also stelle ich mein kleines geliebtes Auto vor dem Reihenhaus ab und schleppe mich nach oben.
Greife wahllos Süßigkeiten aus dem Schrank, koche mir Tee, werfe mich in meine ältesten Schlabbersachen und verkrieche mich dann ins Bett.
Starre die Decke an.
Mittlerweile kommen schon gar keine Tränen mehr.

Was, wenn du irrst? Wenn du nur zur falschen Zeit da warst?

Ein kleiner Funken Hoffnung keimt in mir auf.
Doch danke erinnere ich mich daran, dass es jetzt jeder weiß. Angelinas Worte brennen sich schmerzhaft in mein Gedächtnis ein.

Du hast dich hochgeschlafen, Josi. Ohne, dass du es wusstest. Oder wolltest.

Aber Alex wusste, dass man das über mich sagen würde, sollte es rauskommen. Und er hat es in Kauf genommen.

Was hat sich nur bei ihm verändert?
Wieso lügt er mich an?  Wieso... wieso... wieso...

So viele Fragen. Mein Handy klingelt. Nancy ruft an. Ich drücke sie weg.

Mein Handy klingelt. Freddy ruft an.

Mein Handy klingelt. Ich schalte es aus.

Es wird nie wieder so, wie es war. Jetzt weiß es jeder.

Insgeheim wusste ich die ganze Zeit, dass es so enden würde. Insgeheim wusste ich, dass das nicht funktionieren kann. Und vielleicht habe ich mich auch schon versucht, mich darauf mental vorzubereiten.

Aber darauf  kann man sich nicht vorbereiten.

Mit pochenden Kopfschmerzen vom heulen schlafe ich ein.

Ich spüre etwas kühles auf meiner Stirn.
Öffne meine Augen. Im Halbdunkeln erkenne ich Alex. Er hat seine Hand auf meiner Stirn.
,,Du hast Fieber.", flüstert er.
Ich würd gern was sagen, aber mein Mund ist so trocken, dass kein Ton rauskommt.
,,Hör bitte zu.", sagt er.
Ich starre ihn nur mit weit geöffneten Augen an. Ist das ein Traum?

,,Das, was da passiert ist, war... das hab ich nicht so gewollt. Angelina ist einfach scheiße. Ich werde noch mit ihr reden, es geht nicht, so über jemanden herzuziehen."
,,Aber es stimmt doch...", krächze ich.

,,Nein. Ich habe dich nicht bevorzugt, weil wir... eine Beziehung haben. Sondern weil du von deinen Fähigkeiten am besten geeignet bist."
Er fährt fort.
,,Ich wollte dich nicht anlügen, aber ich wollte... glaub mir, ich hab es sehr geschätzt, dass du für mich gekocht hast.
Die Frau war Mira. Sie ist die Schwester von..."
Er atmet tief ein.
,,... Maria."

Daher also kam sie mir bekannt vor. Sie hat das Gesicht wie ihre Schwester.

,,Vor ein paar Tagen tauchte sie das erste Mal auf. Sie wollte wissen, wie es mir geht."
,,Und dafür kommt sie von wo weiß her zu dir auf de Arbeit?", frage ich entgeistert.
Er fährt sich durch die Haare, knetet unruhig seine Hände.
,,Auch." Er seufzt.
,,Du verdienst die ganze Geschichte.", sagt er schließlich und klingt dabei ziemlich traurig.
,,Damals, im Einsatz, wo sie... ja... verstarb, da hat sie ein Projekt gegründet. Ihr Traum, ihre Vision war es, dort, wo wir in Syrien waren, ein Kinderkrankenhaus aufzubauen. Mit ihr starb dann auch erstmal die Idee."
Er klingt, als ob ihn das Erzählen immens anstrengt.
,,Mira erzählte mir, dass sie das Gebäude im letzten Jahr haben dann doch fertig gestellt haben."
,,Was hat das mit dir zu tun?", frage ich.
Er greift vorsichtig nach meiner Hand.
Ich ziehe sie nicht weg.
,,Das Gebäude ist fertig, aber.... ich habe Maria damals versprochen, sie zu unterstützen, wenn sie Hilfe bräuchte."
,,Und jetzt brauchen sie deine Hilfe.", sage ich tonlos.
,,Die Ärzte und Pfleger dort müssen dringend geschult werden, mit den Medizinprodukten vertraut gemacht werden."

Ich ahne so langsam, worauf das hinaus läuft.
Die ganze Zeit hat er mir in die Augen geschaut, jetzt schaut er runter.
,,Ich habe mir eigentlich geschworen, dort nie wieder hinzugehen... aber... ich fühle mich verpflichtet. Verstehst du das, Josi?"
Er klingt, als ob er gleich weint.
Ich sage nichts, ich nicke nur.

,,Ich habe darüber wirklich lange nachgedacht. Aber ich muss. Sonst könnt ich mich selbst nicht mehr im Spiegel angucken. Es war ihr letzter Wunsch."

Ich verstehe dich, Alex. Auch wenn es mir das Herz zerbricht.

,,Wann wirst du fahren?", frage ich leise und versuche stark zu klingen.

,,Sobald wie möglich. Damit ich so schnell wie möglich wieder hier bin.", sagt er und schaut mich vorsichtig an.
,,Also war's das mit uns?", frage ich und bin erstaunt, dass meine Stimme wieder so fest klingt.
Er schaut mich gequält an.
,,Wenn du auf mich warten willst..."
,,Das möchte ich wirklich. Wirklich. Aber das ertrage ich nicht. Zum einen habe ich schon einmal  jemanden verloren... und du bist in Syrien, Alex...und zum anderen... du siehst doch auch, dass du eigentlich noch mehr mit Maria zusammen bist als mit mir. Ich möchte dich keinesfalls vor die Wahl stellen... aber..."
Mir fehlen die Worte.
,,Ich verstehe dich.", sagt er da und versucht seine Enttäuschung zu verbergen.

,,Wer vertritt dich hier?", frage ich um von uns abzulenken.
Er seufzt.
,,Angelina, ich hab's mir nicht ausgesucht... das war der Direktor."
,,Scheiße... Alex... tu mir das nicht an." Mir entweicht ein entgeisterter Lacher.
Er zuckt entschuldigend  mit den Schultern.
,,Freddy hat mir versprochen, dass er dich vor ihr schützt."
,,Ich kann gut auf mich selbst aufpassen.", protestiere ich.
,,Ich weiß." Gedankenverloren legt er seine Hand an meine Wange.
Ich möchte nicht, dass er geht. Ich würde alles dafür geben, dass er hier bleibt.
Aber ich möchte es ihm nicht schwerer machen, als es eh schon ist.

Und ich weiß, dass er sich schon entschieden hat.
Ich setze mich im Bett auf.
,,Ich räume natürlich das Zimmer.", sagt er.
Ich nicke.
Dann schweigen wir uns an.
,,Wir hatten eine gute Zeit.", sagt er schließlich.
,,Ja." Ich habe einen dicken Kloß im Hals.
,,Ich möchte, dass du weißt... dass ich jedes Wort an dich wirklich so gemeint hab. Ich habe, seit ich dich kenne, keine einzige Frau auch nur angeguckt."
Seine Stimme bricht.
,,Ich auch, Alex. Ich auch."

Ich liebe dich so sehr.

Ich hole tief Luft.

,,Erinnerst du dich zwischendurch mal an uns? An mich?"
,,Immer. Ich werd dich niemals vergessen.
Pass auf dich auf, Engel."
Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
Ich weiß, dass es der Letzte ist.
Ich versuche mir das Gefühl genau einzuprägen. Seinen Geruch. Seine Stimme. Alles an ihm.

Lass den Moment bitte niemals enden.

Doch natürlich endet er. Viel zu schnell löst er sich von mir.
Ich schaue ihm noch einmal in die Augen.
Beobachte jede seiner Bewegungen genau. Wie er aufsteht, wie er mich noch einmal sehr traurig anguckt, wie ihm eine Träne aus dem Augenwinkel läuft.
Wie er sich zögerlich umdreht.

Und dann geht.



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Ohje.
Ich hab beim Schreiben geheult.

Kann es das wirklich schon gewesen sein mit Alex und Josi?
Ist das die letzte Seite von ihrer Geschichte?

ASDS- auch Retter müssen mal gerettet werden Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt