Think I'm finally clean

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Mittwoch, 25. Juni

Heute vor einem Jahr ist Alex eingezogen. Und wenn ich dran denke... ja, was fühl ich dann eigentlich? Relativ wenig.
Ich glaube, ich hab's endlich geschafft.
Mittlerweile empfinde ich wirklich wieder Freude am Leben. Der letzte Rückschlag ist nun vier Monate her... ich denke, ich bin auf einem wirklich guten Weg. Ich glaube, selbst wenn er jetzt wieder vor mir stehen würde, dann würde ich nicht mehr das empfinden, was ich mal empfunden habe.
Man, was bin ich erleichtert. Klar, wenn ich jetzt grade schreibe und mich dadurch an ihn erinnere, dann frage ich mich schon... Ober überhaupt noch lebt. Aber ich denke.
Hoffe eher.
Rückblickend kann ich wirklich sagen, dass wir eine wunderschöne Zeit hatten. Die schönste meines Lebens. Der tollste Sommer, den man nur haben kann.

But nothing lasts forever.
Außer Angelina anscheinend...
Ich komme nicht wirklich mit ihr klar, aber ich habe mich arrangiert. Ziehe wenn möglichst meinen Kopf ein, verhalte mich unauffällig. Reiße meine Klappe nicht auf, mach halt einfach meinen Job.
Sie findet gar keinen Grund mehr, mich kritisieren zu können.
Ich habe mir Anfang des Jahres für Schützenfest Urlaub genommen, der einzige für dieses Jahr, und den kann sie mir unmöglich verwehren.
Ich freue mich wirklich auf Schützenfest.

Heute feiern wir meinen Geburtstag nach. Letzte Woche, am 19. musste ich leider arbeiten, deswegen jetzt erst. Und das gute, wenn man Schichtdienstler als Freunde hat?
Unter der Woche feiern ist kein Problem.

Ich....

Es klingelt.
,,Ich geh schon!", rufe ich und Klappe das mittlerweile fast vollgeschriebene Tagebuch zu.
Schaue noch einmal in den Spiegel.
Ich trage ein rotes Cocktailkleid mit schwarzen Ballerinas. Meine mittlerweile sehr langen blonden Haare fallen mir nach vorne über die Schultern.
Und ich sehe wirklich glücklich aus. Es steht mir; das Glücklich- Sein.
Es lässt mich jünger aussehen und viel... frischer.

Ich laufe zur Tür und öffne. Stephan, Paul und Hannah stehen breit grinsend davor und halten ein riesiges Geschenk in den Händen.
Bevor ich alle umarmen kann, stürmt eine aufgedrehte Lena herbei und drückt allen Sektgläser in die Hände.
Ich Lotse sie ins Wohnzimmer, wo ich überall Sitzkissen verteilt habe. Auf dem Balkon ist nicht genügend Platz, da steht nur der Grill.
Dazu gibt es ohne Ende Salate, Baguette und Brotaufstriche, die in der Küche stehen- eine Art Buffet.
Nach und nach trudeln alle anderen ein und es wird ziemlich voll in der Wohnung, die nun erfüllt ist von Lachen, Quatschen und generell Guter Laune.
Nachdem ich das letzte Mal die Tür wieder schließe, schaue ich glücklich ins volle Wohnzimmer.
Ich habe wirklich tolle Freunde. Die immer für mich da sind, selbst wenn es mal schwer ist.
,,Was ist los, Josi?", fragt Flo.
,,Nichts. Ich bin einfach... glücklich.", sage ich.
,, Das freut mich. Und jetzt Probier mal die Schaschlikspieße, die sind wirklich köstlich."
,,Ich weiß. Ich hab sie ja ausgesucht.", antworte ich lachend.

Das große Geschenk ist von allen zusammen und entuppt sich als neue Einsatztasche, meine Alte hatte dann nach Jahren treuer Partnerschaft doch mal das zeitliche gesegnet.

Es wird ein lustiger Abend. Ich soll wie zu meinen damaligen Kindergeburtstagen noch mal Topfschlagen, (Lenas Idee) wobei ich mich wirklich ungeschickt anstelle.
Irgendwann muss sich Lena dann von ihrem geliebten David lösen und mich erlösen, alleine hätte ich den Topf nie gefunden.
Darunter liegt ihr Geschenk: ein paar roségoldene Ohrstecker, die wirklich wunderschön sind.
Eigentlich besitze ich nur ein Paar, und einen Teil davon habe ich im letzten Einsatz verloren. Muss ihr wohl irgendwer meiner Kollegen verraten haben.
Flo grinst schuldbewusst.

Gegen 1 verabschieden sich die letzten. Lena, David und ich sind auch ziemlich müde und entscheiden uns, das aufräumen auf den nächsten Morgen zu verschieben.
Ziemlich zufrieden falle ich in mein Bett und schlage auf direkt ein.

Trotz meines späten Zubettgehens wache ich mit den ersten Sonnenstrahlen auf und fühle mich wundersamer Weise ziemlich ausgeschlafen.
5:30 Uhr. Kriminell.
In einem kurzen Anfall von Motivation beschließe ich, Joggen zu gehen. Danach duschen und aufräumen.

Am Rhein geht es entlang. Tatsächlich gibt es einige Menschen, die so motiviert sind wie ich.
Da ich aber selten diese Motivation habe, ist meine Kondition entsprechend schlecht. Nach zwei Kilometern muss ich eine Pause machen, setze mich auf die Mauer und lasse die Beine baumeln.
Beobachte die Menschen, die an mir vorbeilaufen. Drehe mich dann um und schaue auf den Rhein.
Auf der anderen Rheinseite joggt ein Mann in kurzer Hose.
,,Bisschen kühl...", murmel ich.

Mit meinem Blick verfolge ich den Läufer über mehrere Dutzend Meter.
Irgendwann fällt es mir dann auf: er kommt mir bekannt vor.
Ich erkenne sein Gesicht nicht... aber sein Laufstil und die Art, wie er sich bewegt.
Unwillkürlich springe ich wieder auf meine Beine. Mein Herz pocht schnell.

Du bist bekloppt Josi. Du wirst doch jetzt nicht hinlaufen?

Ich schalte meinen Verstand komplett aus, laufe Richtung Brücke.
Währenddessen frage ich mich doch ein bisschen, was ich da gerade tue. Einem fremden Mann hinterher laufen, weil ich meine, dass er...

Genug. Du läufst nicht wegen dem Mann, sondern weil du eh vorhattest, auf der anderen Seite zu laufen.

Ich seufze.

Verarschen kann ich mich wirklich.

Mehrere Minuten später, meine Lunge brennt und ich bin bestimmt knallrot im Gesicht, bin ich auf der anderen Seite.
Aber auch als ich noch mehrere Minuten den Rhein runterlaufe, entdecke ich den Läufer nicht.

Ich lasse mich auf eine Bank plumpsen. Ich bin wirklich gestört.
Jetzt renne ich schon fremden Männern nach.

Ich bin sowas von überhaupt nicht clean.

ASDS- auch Retter müssen mal gerettet werden Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt