You can see it with the lights out

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Dass ich meinen ersten Termin bei Michaela vereinbart habe, erzähle ich niemandem. Ich lege ihn extra so, dass Alex da arbeiten ist- ich möchte ihn nicht anlügen, wo ich war.

Den Abend davor bin ich ziemlich fertig mit meinen Nerven. Ich kann mir nicht so ganz erklären, wieso. Immerhin strahlt sie nicht die typische Psychologen- Attitude aus. Sie scheint mir ein sehr angenehmer Mensch zu sein.

Es gibt nichts, wovor du Angst haben musst.

Trotzdem drehe ich unwillkürlich die ganze Zeit mein Weinglas mit dem Mythique in der Hand.
,,Dreh noch ein bisschen schneller, dann hast du gleich ein schönes Muster auf der Couch.", sagt da ein grinsender Alex, der von seinem Laptop aufschaut. Ich lese eigentlich ein Buch. Eigentlich. Es liegt zugeschlagen in meinem Schoß.

,,Hm?" Ich schrecke hoch.
,,Und auf der Tapete.", fügt er hinzu.
Ich stürze das restliche Glas in einem Zug runter und bemerke, dass der Wein wirklich ein wenig zu trocken für meinen Geschmack ist.

Naja. Jetzt ist er ja vernichtet.

,,Problem gelöst.", antworte ich.
,,Was haben wir?", fragt er, stützt sein Kinn auf seine Hand und mustert mich eindringlich. Wenn er das macht, habe ich immer das Gefühl, er schaut mir direkt in die Seele. Und liest alles.
,,Nichts. Dienst war anstrengend."

Tatsächlich war mein Dienst heute nicht besonders angenehm. So viele Tote hatte ich selten an einem Tag. Aber ich gelernt, damit umzugehen. Ich würde nicht sagen, dass es mich nicht mehr berührt... ich lasse es aber nur noch begrenzt zu.

Alex schiebt seinen Laptop beiseite und zieht mich in seine Arme.
,,Hey..." Er streicht mir meine Haare aus dem Gesicht.
,,Ich mag das Gefühl der Hilflosigkeit nicht. Alles zu haben. Soviel gelernt zu haben. Und es reicht nicht.", sage ich niedergeschlagen.
Ich genieße die Nähe und seine Berührungen. Sehr.
,,Ja. Ich weiß.", sagt er und streicht mit seinem Daumen über meine Wangen.
,,Nächstes Mal wird's besser.", versuche ich mutig zu klingen.
,,Ja. Es wird immer besser."

Auch wenn mich die Einsätze beschäftigen- das bevorstehende Gespräch beschäftigt mich viel mehr. Macht mir irgendwie Angst- weil ich mir absolut nicht vorstellen kann, wie es verlaufen wird. Was wird Michaela sagen? Fragen? Was werde ich über mich lernen?

Meine Unsicherheit spürt Alex auch noch, als wir längst im Bett liegen. Obwohl ich versuche, sie zu überspielen.
,,Beschäftigt dich noch was anderes?"
Ich spüre seinen Atem in meinem Nacken.
Ich will nicht lügen. Ich könnte ihn niemals anlügen.
,,Ich... das Übliche.", sage ich vage.
,,Du brauchst keine Angst haben."

Lustig, das hab ich eben auch gedacht.
Es sagt sich so leicht...

Ich zucke mit den Schultern. Schweigend liegen wir da und ich versuche mich auf das hier und jetzt zu konzentrieren. Und bemerke, wie glücklich ich mich eigentlich schätzen kann.
Ich fühle mich bei ihm seit langer Zeit wieder... Geborgen. Sicher. Beschützt.

Wär das alles andere nicht, wär ich der glücklichste Mensch auf Erden.

,,Bist du glücklich? So wie es mit uns ist?", fragt er unvermittelt.
Ich muss kurz auflachen.
,,Darüber hab ich grad noch nachgedacht. Und du?"
Er scheint sich die Worte zurecht legen zu müssen. Ich bin gespannt, was jetzt kommt.
,,Sehr."
Ist jetzt zwar nicht die Rede, die ich erwartet hab- aber trotzdem löst dieses kleine Wort in mir unbeschreibliche Glücksgefühle aus.
,,Ich auch."
Und in diesem Moment kann ich es wirklich aus voller Überzeugung sagen.
Seine Umarmung verstärkt sich ein wenig.

Ich kann es, wenn ich darüber nachdenke, immer noch kaum fassen, dass ich so mit ihm liege.
Hätte man mir das vor zwei Monaten erzählt....

Irgendwann döse ich weg.
Mitten in der Nacht wache ich auf. Der Mond scheint hell durchs Fenster rein und der Wind spielt mit den Gardinen.
Und am Fenster steht Alex- nur in Boxershorts.
Auch wenn ich noch irgendwie im Halbschlaf bin, genieße ich den Anblick.
Er ist wirklich gut gebaut.
Ich überlege, ob ich ihn anspreche, aber lasse es dann.

Diese Muskeln...

,,Josi?", sagt er leise. Seine Stimme ist ziemlich rau.

Was schon irgendwie sexy ist.
Aber ich wurde wohl auf frischer Tat ertappt...

,,Ja?" Ich klinge wie ein Blecheimer, was absolut nicht Sexy ist.

Er dreht sich zu mir um.
Ein leicht verwirrter Gesichtsausdruck liegt auf seinem Gesicht.
Undefinierbar irgendwie.

,,Ich hätt nie gedacht, dass ich das jemals nochmal sag..."
Seine Stimme ist tonlos.

,,Was?"
Was kommt jetzt?

Er fährt sich durch die Haare.
,,Ich liebe dich."

Damit hab ich nicht gerechnet.

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Tun soll. Meine wenigen Gehirnzellen, die wach sind, sind überfordert.

Er setzt sich neben mich auf die Bettkante.

Du musst jetzt was sagen, Josi.

Wahrscheinlich starre ich ihn gerade wie ein Rehkitz im Schweinwerferlicht an.

Liebst du ihn?
Ja. Tust du. Sowas von. Seit der ersten Sekunde.

,,Ich dich auch."
Meine Stimme ist kaum hörbar.
Er lächelt glücklich.

Das Schönste Lächeln dieser Welt.

Er beugt sich über mich und gibt mir einen sanften Kuss.
Deckt mich dann wieder ordentlich zu, legt sich zu mir. Ich lege meinen Kopf auf seinen Oberarm, er legt seinen anderen Arm über meine Taille.

,,Was glaubst du, wie glücklich ich jetzt erst bin.", sagt er.

,,Findest du dann jetzt deinen Schlaf wieder?", frage ich ironisch.

,,Ja, ich denke... was mich wach gehalten hat, das hab ich jetzt erledigt."

Ich höre ein Grinsen in seiner Stimme.

___________
Ein bisschen kurz ist das Kapitel- aber immerhin, ich hab's geschafft!
Na, da wurde der sonst so kühle Alex aber mal von seinen Gefühlen übermannt...
Wie geht es euch zurzeit?

ASDS- auch Retter müssen mal gerettet werden Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt