Kiss me, before they turn the lights out

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Ein Piepen in meinem Ohr. Unangenehm. Störend.

Ich schlage meine Augen auf. Ich sitze- oder hänge eher. In meinem Anschnallgurt, der sich in meine Haut reingeschnitten hat.
Alex.
Mein Blick schnellt nach links. Er reibt sich den Kopf- er blutet.
,,Was ist passiert?", frage ich.
,,Wir...." Ich schaue nach vorne. Vor mir- Leitplanke und Beton, neben mir Geländer. Daneben geht es sehr weiter runter- ein paar Dutzend Meter plätschert das Wasser des Rheins.
,,Alles gut?", fragt Alex.
,,Ja. Du blutest.", stelle ich besorgt fest.
,,Alles halb so wild. Wir sollten die Stelle hier absichern.", sagt er und schnallt sich ab.
,,Ja." Meine Finger wandern zu meinem Anschnallgurt.
Irgendwas ist komisch.
,,Ich kann meine Beine nicht bewegen.", sage ich nervös und versuche meine Beine mit meinen Händen zu ertasten.
,,Ach du Scheiße." Alex' Blick wandert zu mir.

Ich bin komplett eingeklemmt. Bis zu den Oberschenkeln- sehe weder meine Füße, noch kann ich sie fühlen.
Außerdem: Blut, das aus meiner Hose sickert.
Und mit dieser Erkenntnis kommen schlagartig die Schmerzen.
,,Spürst du deine Beine?", fragt Alex ruhig.
,,Es tut weh."hauche ich.
,,Wo hast du noch Schmerzen?",fragt er.
,,Becken. Brust. Bauch. Kopf."
,,Beweg dich nicht. Bleib so sitzen."
Alex wühlt nach seinem Handy. Erst jetzt fällt mir auf, dass wir in einem Schrotthaufen sitzen. Alles komplett verbogen, die Airbags haben ausgelöst.
Er findet es nicht.
Mittlerweile laufen ein paar Menschen um unser Auto rum, jemand telefoniert.
Sie sprechen durch das Fenster aufs Alex Seite mit uns. Niemand traut sich an meine Seite- abgesehen davon würde auch niemand hinpassen. Das Wasser und mich trennen nur noch ein Geländer und eine Autotür- beides verbogen.
Gefühlte Minuten vergehen- wahrscheinlich aber nur Sekunden. Die Schmerzen werden immer stärker- und Panik steigt in mir auf.
Alex versucht unterdessen genauere herauszufinden, wo ich kaputt bin. Die Frage nach dem ,,ob" hat sich längst erledigt.
,,Sag. Wie sehe ich aus?", frage ich ihn mit gepresster Stimme.
,,Wir werden später feststellen, was du hast.", weicht er aus.
,,Hör auf, hier rumzureden. Ich kann meine Beine weder bewegen, noch mit meinen Zehen wackeln. Mein Becken tut höllisch weh." , motze ich ihn an.
,,Ich kann's von hieraus nicht beurteilen. Ich seh dich grad so vom Bauch ab.", antwortet er. Ich seufze. Habe Schmerzen beim Atmen. Mein Kopf hämmert.
,,Scheiß Stelle hier.", fluche ich.
Alex sagt nix und greift nach meiner Hand. Sein Blick kommt mir bekannt vor.

Polytrauma -Sorgen-Blick.
Den er sonst manchmal im Einsatz hat.

Realistisch betrachtet bin ich ein Polytrauma. Auch wenn ich mich abgesehen von Schmerzen nicht so fühle.

Adrenalin.

,,Ich will, hast du eben gesagt.", sagt er leise.
Ich schaue ihm in die Augen.
,,Ja. Es war idiotisch, dich da... so stehen zu lassen. Ich möchte nur dich...", flüstere ich.
,,Ich freue mich drauf, dich zu heiraten. Ich möchte alles mit dir, Kinder, Haus. Ein Leben mit dir.", druckst er.
,,Ja..."

Plötzlich steigt ein ganz komisches Gefühl in mir auf. Angst? Nein.
Nur vielmehr der realistische Gedanke, dass ich das hier fürs Heiraten erstmal überstehen muss.
Von Minute zu Minute, die verstreicht, fühle ich mich schlechter. Schwindel, stärkste Schmerzen.
,,Wo bleiben die denn?", Flucht Alex.
,,Ich fühl mich nicht so, Alex.", sage ich leise. Kalter Schweiß steht mir auf der Stirn- mir ist kalt.
,,Mach keinen Scheiß. Wir holen dich hier gleich raus."
Seine Augen bohren sich in mich.
,,Na klar." Ich lächle.

Aus der Ferne höre ich Martinshorn. Und plötzlich wuseln ohne Ende Rettungskräfte um uns herum.
Jemand steigt hinten auf die Rückbank, packt an meinen Kopf. Alex weigert sich, schonend aus dem Auto rausgeholt zu werden und steigt selbst aus, um dem Notarzt- Phil- Platz zu machen- bleibt aber in meiner Sichtweite stehen.
Ich bekomme nicht sonderlich groß was mit, es ist einfach zu viel, als dass ich es gerade aufnehmen könnte. Bekomme einen Stifneck, Bodycheck und auf mein Bitten hin auch einen Zugang und Analgetika. Und damit bekomme ich auch eigentlich nichts mehr von meiner Außenwelt mit- die hauen ziemlich rein.

,,Ziemlich sicher eine Beckenfraktur.", sagt Phil irgendwann. Dieser eine Satz dringt zu mir durch.

Das erklärt einiges. Ich verliere Blut-höchstwahrscheinlich in großen Mengen.

Letztendlich entscheiden sich alle für eine Crashrettung- durchs Dach, das die Feuerwehr mittlerweile rausgeschnitten hat.
Während meine Rettung weiter vorbereitet wird, wird mein Kopf Schauplatz von einer hitzigen Diskussion. Und der Gedanke, dass ich das hier vielleicht nicht schaffen könnte, macht sich immer breiter. Aber komischerweise- kann ich mich damit abfinden, denn ich weiß, dass ich gerade eh nix dran ändern kann. Als die Feuerwehr den Spreizer ansetzt, um meine Beine zu befreien, möchte ich ,,Stopp" rufen. Vielmehr aber wird es ein Krächzen- Phil hört es trotzdem.
,,Alex... hol Alex.", bitte ich Phil.
,,Wir müssen dich hier raus holen. Jetzt.", antwortet dieser.
,,Bitte.", sage ich. Er seufzt und winkt Alex zu sich, der Phils Platz wieder einnimmt.

,,Wie geht's dir?", fragt er besorgt.
,,Ganz ok. Ich habe kaum Schmerzen mehr." Ich kann nur noch Alex Silhouette ausmachen- meine Sicht verschwimmt.
,,Du schaffst das, ich bleib bei dir."
,,Alex, machen wir uns nichts vor. Sobald die mich hier raus holen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich hier verblute, ziemlich groß. Und dass es mit verbluten vorbei ist, auch."
,,Josi..."
,,Alex. Ne. Ist gut jetzt."
,,Ich..."
,,Du musst nix sagen. Hör zu... in meiner Nachttischschublade, da... schau da rein. Hier nach."
,,Das wirst du schön selber tun." Er scheint die Verzweiflung in seiner Stimme verbergen zu wollen.
,,Schau... weißt du, was ich qualvoll über all die Jahre lernen musste im Rettungsdienst? Du kannst sie nicht alle retten."
,,Aber... nein, Josi."
Ich nicke.

Mein Blick fällt auf den Rhein.
Die aufgehende Sonne. Da, ganz hinten, ist das Bergische Land. Die Lichter an der Promenade, der Kölner Dom. Etwas weiter entfernt höre ich noch mehr Martinshorn.
Ich muss lächeln.

Es ist richtig so. Es fühlt sich richtig an.

Und ganz langsam habe ich das Gefühl, als ob es mich wegzieht. Als ob ich in ein ganz flauschiges Kissen sinke.

Gleich ist es wohl vorbei.

Ich schaue hoch- durch unser fehlendes Dach.
,,Alex...", meine Stimme ist kaum noch ein Flüstern.
,,Mein Engel..." In seinen Augen stehen Tränen- ich meine sie jedenfalls zu erkennen.

Ich versuche Luft zu holen, aber es klappt nicht.

,,Nur deiner..."

I want to leave my footprints on the sand of time
Know there was something that, something that I left behind
When I leave this world, I'll leave no regrets
Leave something to remember, so they won't forget

I was here, I lived, I loved, I was here
I did, I've done, everything that I wanted
And it was more than I thought it would be
I will leave my mark, soul, everyone will know, I was here

I wanna say I lived each day, until I died
You know that I, been something in, somebody's life
The hearts I have touched
Will be the proof that I leave
That I made a difference
And this world will see

I was here, I lived, I loved, I was here
I did, I've done, everything that I wanted
And it was more than I thought it would be
I will leave my mark so everyone will know
I was here, I lived, I loved, I was here

I did, I've done, everything that I wanted
And it was more than I thought it would be
I will leave my mark so everyone will know, I was here
I just want them to know
That I gave my all, did my best
Brought someone some happiness
Left this world a little better just because, I was here
I was here, I lived, I loved, I was here
I did, I've done, everything that I wanted
And it was more than I thought it would be
I wanna leave my mark so everyone will know
I was here, I lived, I loved, I was here
I did, I've done
I was here, I lived, I loved, I was here
I did, I've done


I was here

ASDS- auch Retter müssen mal gerettet werden Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt