cruelty wins in the movies

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Das ist definitiv nicht das erste Mal, dass ich so eine Nachricht bekomme.
Es ist definitiv nicht das erste Mal, dass wir schon im Krankenhaus mitkriegen, wie ein Patient, für den wir so sehr gekämpft haben, für den wir alles menschenmögliche getan haben, verstirbt.
Es ist definitiv nicht das erste Mal, dass wir gegen den Tod verloren haben.

Aber noch nie zuvor habe ich mich so hilflos gefühlt. So unfassbar wütend über den Tod eines Patienten bin.

,,Du solltest dich auch waschen.". sage ich lahm.
Er lächelt müde.
,,Das ist jetzt, das letzte woran ich denke.", antwortet er.
,,Woran denkst du?", frage ich und bemerke in selben Moment, dass diese Frage echt bescheuert ist.
,,Dass ich dir sagen möchte, dass du nicht schuld bist. Und du nichts hättest besser machen können.", antwortet er macht einen Schritt auf mich zu.
Seine Worte treffen mich ins Herz. Er beschreibt eins zu eins, was ich insgeheim aber befürchte.
,,Wie kommst du...?"
,,Josi. Ich kenn dich doch.", sagt er sanft und ergreift meine rechte Hand.
,,Sie wusste es, oder?", frage ich erstickt. Ich habe einen dicken Kloß im Hals.
,,Ja. Wusste sie.", antwortet er.

Nachdem er sich dann doch gewaschen hat, setzen wir uns in die Cafeteria der Klinik und arbeiten den Einsatz auf. Sprechen alles durch.
Er ist schonungslos ehrlich- was wehtut. Er betont, dass sie von Anfang an keine Chance hatte, er betont, dass ihr selbst eine sofortige OP nicht geholfen hätte. Und er betont, dass selbst wenn sie überlebt hätte, ihr Leben nie mehr gewesen wäre, wie es mal war. Ein Leben lang an den Rollstuhl gefesselt. Keine Ärztin mehr. Aufgrund des Herzstillstands Langzeitschäden  im Gehirn.
Ein Leben lang ein Pflegefall.

Seine Ehrlichkeit ist zwar unheimlich brutal für mich, aber gleichzeitig bin ich froh drum.
Ich bin erwachsen. Ich lebe den Job.
Was soll ich mir denn bitte schön reden?
Der Tod gehört zum Beruf dazu, das wusste ich, als ich in die Ausbildung gegangen bin.
Und nirgendwo stand geschrieben, dass es nicht auch Kollegen treffen kann. Familie. Freunde.
Aber dass es so.... so... dann wird, wie es ist, darauf kann man nicht vorbereitet werden.

Viele Tränen meinerseits und Umarmungen seinerseits beschließen wir, dass es an der Zeit für uns ist, zurück zum SanDienst zu kehren. Alle unsere Kollegen, auch die Neusser, sitzen zusammen im Bereitsschaftsraum.
Kein Lachen, keine Musik. Alle sind fassungslos.
Wir wollen alle nicht mehr, wir wollen jetzt keine fröhlichen, Betrunkenen Schützen um uns haben, Leute versorgen, die in Glasscherben getreten sind. Die einen drüber getrunken haben.
Doch wir müssen.
Das ist der Job. Auch wenn jemand stirbt, müssen wir im nächsten Einsatz wieder funktionieren.
Wieder genau so präsent sein, wie bei jedem anderen Einsatz auch.
Genauso freundlich. Genauso gründlich und strukturiert.

Trotzdem hat Alex beschlossen, dass wir nicht bis morgen früh bleiben, sondern schon heute Abend zurückfahren nach Köln.
Eine Frage brennt mir auf der Seele, schon die ganze Zeit.
,,Hat sie Kinder?", platzt es auf der Heimfahrt aus mir raus.
Er schüttelt den Kopf.
Mir fällt ein Stein vom Herzen. Nicht, dass ihr Tod deswegen weniger schlimm ist, aber wenn dahinter jetzt noch Kinder stünden....

,,Josi, ich versteh dich. Aber du hattest doch sonst auch deine Strategie, solche Situationen zu bewältigen. Gib das nicht auf.", sagt Alex eindringlich.
Ich nicke nur.
,,Du wirst sonst wirklich deinen Spaß am Beruf verlieren. Du wirst Angst entwickeln, vor solchen Situationen, wirst unsicher werden. Und das brauchst du nicht, weil du eine verdammt gute Notfallsanitäterin bist.", redet er weiter.
Ich nicke wieder, diesmal mit Tränen in den Augen.
Er legt seine Hand auf mein Knie.
,,Ich will dir keinen Druck machen, aber ich möchte auch nicht, dass du in dem Beruf untergehst. Ich möchte dich weiterhin strahlen sehen bei der Arbeit. Ich wünsche mir, dass dir der Beruf weiterhin Spaß macht.", sagt er sanft.

,,Trifft es dich denn gar nicht?", frage ich schließlich.
Er lächelt bitter.
,,Dass auch Kollegen vom Sterben nicht ausgeschlossen sind, das hab ich beim Militär lernen müssen. Da dachte ich auch noch, ich könne jemanden retten, der auf eine Mine getreten ist.
Dann wurde ich ziemlich unsanft auf den Boden der Tatsachen geholt."
Er klingt kurz ziemlich verletzlich, versucht es aber zu überspielen.
Ich spreche ihn nicht weiter drauf an, möchte alte Wunden nicht aufreißen.

ASDS- auch Retter müssen mal gerettet werden Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt