여섯

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"Und, was wollte Mr. Kim von dir?", fragte mich Jimin mit einem schelmischen Grinsen, sobald ich bei ihm, Taehyung und Jungkook bei dem Mauerstück auf dem Schulhof angekommen war. "Hat er dich nach einem Date gefragt, hm?"

"Na klar, was denn sonst?", erwiderte ich sogleich sarkastisch und ließ mich neben meinem besten Freund auf die Mauer fallen.

"Hey, hey, warum so schlecht gelaunt?", hakte Taehyung besorgt nach.

"Weil er es nicht getan hat?", mutmaßte Jimin. Ich sah den Silberhaarigen mit zusammengekniffenen Augen an, ehe ich mich abwandte und mir mit einem lauten Seufzen durch meine schwarzen Haare fuhr.

Wenn er nur wüsste, was er mit diesen Worten bei mir auslöste.

"Meine Laune ist so semi-gut, weil sich meine Mutter gedacht hat, dass es ihrem Sohn sicherlich weiterhelfen würde, wenn er in seinem letzten Schuljahr Nachhilfe in Mathematik bekommen würde", erklärte ich dann meine Stimmung. Alle Drei schauten mich mit überraschten Mienen an, als Jimin plötzlich zu lachen anfing.

"Wow, deine Mutter ist echt die Beste!"

Genervt verdrehte ich die Augen.

"Und sie glaubt wirklich, dass das bei dir noch irgendwie helfen wird?", murmelte Jungkook skeptisch. Ich konnte ihm für diese freche Aussage nicht einmal böse sein, weil ich es echt verstehen konnte, weshalb er sie ausgesprochen hatte.

"Anscheinend."

Ich war nicht genervt darüber, dass ich Nachhilfe bekommen würde. Von mir aus, dann wurde ich eben dazu gezwungen, ein paar Stunden meiner Woche für so etwas Unnötiges zu opfern, sollte mir recht sein. Ich war genervt, weil ausgerechnet Kim Namjoon diese Nachhilfe übernehmen würde. Und ich war nicht einmal genervt, viel mehr war ich verunsichert und überfordert damit. Aber das könnte ich meinen Freunden nicht sagen.

Denn dann müsste ich ihnen ebenfalls erzählen, dass ich mit unserem Lehrer rumgemacht hätte, und das wollte ich nicht. Sonst würden sie sich auf jeden Fall darin bestätigt fühlen, dass ich schwul wäre, und das war ich nicht. Vielleicht bisexuell, aber mehr auch nicht.

"Ich schätze mal, Mr. Kim wird dir die Nachhilfe geben?", äußerte Taehyung nun. Ich nickte.

"Na ja, so schlimm wird das schon nicht, Hyung. Immerhin sieht er voll gut aus und er wirkt auch mega nett", raunte Jungkook, woraufhin er einen strengen Blick von seinem festen Freund einfing. "Natürlich nichts im Gegensatz zu dir, Tae", fügte der Dunkelhaarige anschließend noch hinzu und küsste ihn.

"Also ich würde gerne Nachhilfe von Mr. Kim bekommen. Möglicherweise könnten wir den Unterricht dann von Mathe noch auf Biologie ausweiten", schmunzelte Jimin und zwinkerte mir zu. "Vielleicht wird er das ja bei dir machen, Jin."

Während sich sowohl Taehyung als auch Jungkook fragten, was mein bester Freund damit meinte, schenkte ich ihm bloß einen vernichtenden Blick.

"Nicht jeder, der hier auf der Mauer sitzt, ist schwul."

"Ich bin auch nicht schwul. Ich weiß lediglich, was gut ist, und Mr. Kim gehört definitiv dazu."

Selbstverständlich musste ich Jimin zustimmen, immerhin musste dieser Kerl etwas an sich haben, dass ich mit ihm rumgemacht hatte, obwohl ich zuvor noch nie eine männliche Person geküsst hatte.

"Aber ich glaube", fuhr er jetzt fort, "dass du eher zu seinem Beuteschema gehörst."

"Was?!"

"Tja, wenn du nicht immer nur aus dem Fenster starren, sondern dich mal auf den Unterricht vor der Tafel konzentrieren würdest, würdest du auch mitbekommen, wie er dich immer anstarrt."

"Was?!", wiederholte ich entgeistert, weil ich nicht glauben konnte, dass das der Wahrheit entsprechen würde. Kim Namjoon sah im Unterricht immer mal wieder zu mir?!

"Ja, das ist mir auch schon aufgefallen", sagte Jungkook. Mein Hals wurde ganz trocken und ich wandte den Kopf ab, wobei meine Augen ausgerechnet auf Kim Namjoon, der sich gerade mit einem anderen Lehrer mitten auf dem Schulhof unterhielt, während ihm von allen Seiten anschmachtende Blicke zugeworfen wurden, fielen.

Schon wieder begann mein Herz, zu rasen, so wie jedes Mal, wenn ich meinen Lehrer anschaute.

Ah, wieso spielte mein Körper bloß so verrückt?! Ich hatte die Pubertät doch mittlerweile hinter mir!

Als ich vorhin mit dem Blonden allein im Klassenzimmer gewesen war und mit ihm geredet hatte, hatte er sich kein bisschen etwas anmerken lassen. Das war logisch, ich ließ mir schließlich auch nichts anmerken und versuchte mit dem Verschweigen dieses Vorfalls, es mit der Zeit zu vergessen. Aber warum guckte er mich im Unterricht dann so auffällig, dass meine Freunde es mitbekamen, an?!

Oh Gott, und morgen wäre ich auch noch nur mit ihm bei ihm Zuhause! Ob er mich dann ebenfalls so oft anschauen würde? Wie sollte ich das bloß überleben, jetzt, wo ich davon wusste? Ich glaubte kaum, dass ich die nächsten Unterrichtsstunden bei ihm überstehen würde, wie sollte das dann erst bei unserer Nachhilfe aussehen?!

Verdammt, was sollte das? Warum ließ mich ausgerechnet ein Kerl so viele Dinge fühlen? Und warum musste dieser Kerl dann auch noch mein Lehrer sein?!

Ich wünschte, wir hätten uns am letzten Freitag in diesem Club nie getroffen. Ich wünschte, wir wären nie auf die Toilette verschwunden und hätten miteinander rumgemacht. Ich wünschte, ich hätte ihn nie nach seinem Namen gefragt.

Dann wäre alles so viel leichter, dann könnte ich in Ruhe in seinen Unterricht gehen.

Aber nein, mein Bisexual Awakening hatte natürlich bei meinem Lehrer stattfinden müssen und seitdem ließ er mich einfach nicht mehr in Frieden.

Ich fragte mich, wie Kim Namjoon so ruhig hatte bleiben können, als wir unter vier Augen miteinander gesprochen hatten. Machte ihm das Ganze wirklich gar nichts aus oder kämpfte er genauso sehr damit, wie ich?

Doch warum sollte er das tun? Er stempelte das sicherlich bloß als einmalige Sache ab und versuchte den Fakt, dass ich in diesem Schuljahr sein Schüler sein würde, zu ignorieren.

Und wieso schaffe ich das dann nicht?

Ich löste meine Augen eilig von Kim Namjoon und schüttelte mir mein Gedankenwirrwarr aus dem Kopf, ehe ich zu meinen Freunden schaute, die mich grinsend anblickten.

"Was?", entgegnete ich zum dritten Mal in dieser Pause.

"Du stehst auf Mr. Kim!", schmunzelte Jimin. Fassungslos weitete ich die Augen.

"Spinnst du? Auf gar keinen Fall!"

"Weißt du eigentlich, wie verträumt du ihn gerade angestarrt hast?"

"Ich war bloß in Gedanken."

"Ja, und zwar über ihn und was sich unter seinem Hemd verbirgt!"

Ich stand auf und stellte mich vor meinen besten Freund, nur um ihm gegen die Brust boxen zu können.

"Du hast sie nicht mehr alle, Park."

"Jaja, versuche bloß, es zu vertuschen, du Möchtegern-Hetero. Ich will gar nicht wissen, was in der Nachhilfe zwischen euch abgehen wird", lachte er. "Wobei, lass es uns doch wissen, das ist bestimmt mega interessant!"

"Halt die Klappe", murrte ich und ließ mich anschließend neben ihm auf die Mauer fallen.

Mir war klar, dass Jimin nichts von seinen Worten böse meinte. Ich war selbst Schuld, dass meine Freunde nicht wussten, dass Kim Namjoon und ich eine kurze, aber intensive Vergangenheit miteinander teilten.

Trotzdem nahm es mich mit. Allerdings nur, weil sie mich das Ding mit meinem Lehrer nur noch mehr hinterfragen ließen.

𝐏𝐄𝐑𝐅𝐄𝐂𝐓𝐋𝐘 𝐖𝐑𝐎𝐍𝐆 | NAMJINWo Geschichten leben. Entdecke jetzt