Kapitel 7

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Den Sonntagvormittag verbrachte ich vorwiegend damit meine Sachen weiter zu sortieren. Ich beschriftete Bücher und Hefte, bügelte meine Uniform und sah mir an wie viele Garnituren ich davon hatte. Anschließend erledigte ich weiteren Papierkram, füllte Formulare aus und entschied mich für die Sportkurse Yoga und Rhythmische Bewegung. Ich hatte zwar in England sowohl Reitsport als auch Tennis betrieben, aber eher hobbymäßig. Ich war nie besonders versiert gewesen, und da ich nicht vorhatte mich bei jeder mir gebotenen Gelegenheit lächerlich zu machen, entschied ich mich für zwei sichere Sachen. Alleine der Gedanke an die abschätzige Miene meines Cousins, sollte ich Sport nicht genauso spielerisch meistern wie er, ließ meinen Stift zu den Ankreuz-Blocks der beiden anderen Sportarten wandern. Ich war zwar sportlich, jedoch lagen mir keine besonders abenteuerlichen Aktivitäten, und auch Teamsport war nicht gerade mein Spezialgebiet. Mit meiner Beweglichkeit und meinem natürliche Rhythmusgefühl konnte ich im Gegensatz aber punkten.

Gegen Mittag klopfte es an der Tür und Shirabu steckte Kopf durch die Tür als ich am Boden sitzend "Ist offen!" rief.

"Hallo Grace! Was machst du denn so? Ich wollte mal nachsehen wie es dir geht."

"Hallo Shirabu! Ach weißt du ganz gut eigentlich. Ich habe den restlichen Papierkram erledigt und alles für morgen vorbereitet. Zugegeben, bin ich etwas nervös..."

"Hast du den schon zu Mittag gegessen?"

"Nein, aber wo du es gerade erwähnst bekomme ich richtig Hunger.."

"Sollen wir zusammen was essen gehen? Ich habe leider nichts in meinem Zimmer, was ich essen könnte und alleine möchte ich irgendwie nicht gehen..."

Nach einem kurzen Zögern meinerseits stimmte ich schließlich zu. Ich hatte noch meinen Homewear-Jumpsuit und die Ugg-Hausschuhe an, vor dem Mittagessen musste ich mich also noch umziehen. Als ich aus meinen Hausschuhen schlüpfen wollte fiel mir mein zweiter Nachbar ein: "Ich muss mich noch kurz umziehen, so kann ich nicht raus. Du könntest doch in der Zwischenzeit Goshiki fragen ob er auch mitkommen will."

Ganz augenscheinlich schien der braunhaarige Zweitklässler gegenüber von mir von dieser Idee eher weniger erfreut da er einwandte: "Ach weißt du Goshiki schläft um diese Tageszeit normalerweise noch.... Er wird nur wütend wenn man ihn aufweckt." Obwohl mir die Erklärung äußerst spanisch vorkam, denn es war immerhin halb ein Uhr mittags und in zwei Stunden würde das Training des Volleyball-Teams beginnen, zuckte ich die Achseln.

Ganz unbewusst hätte ich mich beinahe vor Shirabu den Jumper abgestreift, hätte er nicht ganz entsetzt "Ähm Grace, ich bin noch da und kann dich sehen" gesagt.

"Ach entschuldige! Vor meinen Freunden in England hatte ich praktisch kein Schamgefühl, die haben mich in Unterwäsche aber auch in dicken Flanell-Pyjamas und Wollsocken gesehen", es war mir so unglaublich peinlich.

"Ist schon gut, aber ihr seid in Europa wirklich so... naja, so, so..."

"Freizügig?", beendete ich seinen Satz. Gleich darauf brach in schallendes Gelächter aus und ergänzte meine Antwort um ihn nicht gleich am zweiten Tag einen falschen Eindruck zu vermitteln: "Entschuldige bitte, aber es war gerade einfach zu komisch!.... Meine Freunde und ich kennen und schon ewig, meine Freundinnen sind wie Schwestern und meine Freunde wie Brüder, ich habe mich vor ihnen nie geschämt."

Shirabu nickte nur und versuchte vergeblich die Röte auf seinen Wangen zu verbergen.

Ich ließ ihn in seinem Schock alleine, schnappte mir einen plissierten dunkelblauen Rock und weißes Crop-Top und verschwand im Badezimmer. Flotter Weise zog ich mich, schminkte mich und trug Parfum auf. Meine Haare ließ ich offen, bürstete sie durch und wuschelte ein paar mal durch, ehe ich das Badezimmer verließ und in meine Espadrilles schlüpfte.

Mein Nachbar hatte sich wieder gefangen und stand nun in der Garderobe und wartete auf mich. Ich griff nach meiner kleinen Handtasche, schnappte mein Handy und den Zimmerschlüssel, setzte eine Sonnenbrille auf und nahm meine übergroße Jeansjacke vom Hacken. Shirabu beobachtete mich und öffnete mir Tür.

"Danke, Shirabu."

"Gerne. Du siehst wirklich hübsch aus. So kleiden sich also die Mädchen in Europa?"

"Danke und ja, das tun sie."

Wir verließen das Internatsgebäude und schließlich das Schulgelände. Kenjirou nahm mich mit zu einem traditionell japanischen Restaurant in der Nähe der Schule. Wir unterhielten uns nett und übersahen beinahe die Zeit. Als er bezahlen wollte und mich beinahe eingeladen hätte, diskutierte ich solange mit ihm, bis er mich bezahlen ließ.

"Das war wirklich nett von dir, Grace, aber wirklich nicht nötig. Immerhin bist du die neue Schülerin und die Dame, es wäre an mir gewesen zu bezahlen."

"Sagen wir so: Das ist meine Entschädigung für deinen guten Vorschlag mit dem Essen und deine Bereitschaft mich mitzunehmen. Aber ganz im Ernst, ich bezahle lieber selbst, es ist mir einfach lieber."

"Du bist ganz anders als japanische Mädchen, das ist irgendwie..."

"Komisch? Ich weiß, dass ich mich ganz anders benehme und mich wohl eigentlich anders verhalten sollte, aber ich gewisse Verhaltensweisen und Maßstäbe, die ich mir selbst auferlegt habe, kann ich nicht ablegen."

"Komisch würde ich es nicht nennen, eher... erfrischend", er lächelte mich sanft an als er das sagte.

Ich erwiderte nichts und schenkte ihm ein dankbares Lächeln.

Als wir wieder vor unseren Zimmertüren standen, verabschiedete ich mich eilig, denn es war bereits viertel vor drei. Wakatoshi würde mich in 15 Minuten zum Training abholen, ich war angenehm euphorisch.

Sakura - A Haikyu!! FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt