Kapitel 73

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Grace' PoV

"Sie wollen mich beide nehmen", verkündete ich freudestrahlend. Wakatoshi nahm mich in den Arm, hob mich doch tatsächlich einige Zentimeter vom Boden ab und murmelte ruhig an meine Schulter: "Ich hab's doch gewusst, dass du das schaffst. Ich gratuliere dir, das macht mich unheimlich stolz."

Auf einmal hörte hinter mir eine Stimme, die leise 'Sakura' flüsterte, und eine Hand die nach der meinen griff. Mein Herzschlag wummerte durch mich hindurch wie der Bass aus einer Soundanlage in einem Londoner-Untergrund-Club, da ich genau wusste wem die Stimme und die Hand gehörten. Wie in Zeitlupe wandte ich mich um, wurde bevor ich die Gelegenheit hatte mich so dramatisch und theatralisch wie möglich umzuwenden, an einen anderen Körper gezogen....

Tendous PoV

'Sie wollen mich beide nehmen', hallte es in den tiefen Tälern der zerklüfteten Berglandschaften meines Kopfes immer und immer wider. Das Echo lief auf Dauerschleife, in meinen Ohren klingelte ihre vor Freude quietschende Stimme so laut, dass ich Angst hatte einen Tinnitus zu bekommen. Schlagartig begriff ich den Sinn der in meinem Kopf wieder und wieder erklingenden Worte und konnte erfassen, welche Folgen sie in der Zukunft haben würden: Sakura würde wirklich weg gehen, wir würden uns ganz aus den Augen verlieren. Auch wenn noch Zeit bis dahin blieb, wenn ich es jetzt, in diesem historischen und alles verändernden Moment, nicht fertig brachte die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, und ihr endlich zu offenbaren was ich in ihr sah, was sie für mich war und wie ich für sie empfand, dann fiel mir kein Zeitpunkt ein in dem ich dazu in der Lage gewesen wäre. Was für ein Moment sollte mir die Gelegenheit bieten das Ruder herum und die Mauern ein zu reißen, wenn nicht dieser? Wie lange wollte ich noch warten?

Der Stein schlug zuerst auf meinen Kopf, dann landete er vor meinen Füßen. Im ersten Moment zögerte ich, dann nahm ich ihn und schleuderte ihn durch die Glasscheibe, die vor mir in tausend kleine Scherben zerbrach. Ich stieg entschlossen über den Scherbenhaufen hinweg, machte einen Schritt auf sie zu und sagte leise und kryptisch ihren Namen. 'Sakura' glitt es mir über die Lippen, als ich nach ihrer kleinen Hand griff und sie zu mir drehte. Sie bewegte sich nur zaghaft und langsam, deswegen beschloss ich den Vorgang zu beschleunigen, zog sie an meinen Körper und küsste sie ohne weitere Umschweife.

Die Scherben klirrten und flogen um uns herum, es kümmerte mich nicht mehr wie viele Schnitte ich davontragen würde, mit wie vielen Stichen sie genäht werden mussten oder wie viel Blut ich verlor, ich tat das, was ich schon vor so langer Zeit hätte tun sollen: Zu meinen Gefühlen für diese wunderbare und einzigartige junge Frau stehen. Sie wehrte sich keine Sekunde gegen den Kuss, legte ihre Hände sofort an meinen Nacken und ließ sich voll auf mich ein.

Als sie preisgegeben hatte, dass sie nach Tokyo gehen würde, was automatisch implizierte, dass wie getrennt werden würden, wachte ich schlagartig auf und begriff, dass mir keine Zeit mehr blieb um zu trauern oder auf ein Wunder zu hoffen. Ich nahm das Sprichwort, in dem es heißt, dass in jedem Ende auch ein Neuanfang enthalten war, wörtlich und erklärte die Ära der Kontrolle über unsere Beziehung eigenhändig für beendet. Nach diesem Moment hatte ich so sehr gesehnt, obwohl ich ihn für äußert unwahrscheinlich gehalten hatte, da mir lange der nötige Mumm und Tatendrang gefehlt hatte. Doch in diesem Augenblick, in dem sie Wakatohsi mitteilte sie wäre aufgenommen, spürte ich, klar und deutlich: Das ist mein Mädchen, sie gehört zu mir, ich kann sie nicht einfach gehen lassen. Und keiner aber auch wirklich keiner, stellt sich jetzt auch nur ein einziges Mal zwischen uns. Die einzigen, die das Recht hatten sich gegen die Beziehung zu stellen, waren wir beide, die die es betraf, sonst niemand. Die Gewissheit, dass sie wirklich fortgehen würde, ließ mich erstarken, und gab mir die Kraft und den Mut endlich für das UNS, das WIR, zu kämpfen, und mir nicht mehr von irgendjemandem, dem ich in Wahrheit keine Rechenschaft schuldig war, verbieten zu lassen, wenn ich gern zu haben hatte. Sakura hauchte, nachdem wir den Kuss gelöst, und ich meine Arme fest um sie geschlungen hatte an meine Schulter:"Satori, ich habe dich so vermisst." Liebevoll drückte ich ihr einen Kuss auf die Stirn und vergrub mein Gesicht in ihren Haaren.

"Ich kann Spiele verlieren, aber dich auf keinen Fall", murmelte ich gegen ihren Scheitel, worauf sie mich nur noch fester an sich drückte.

Erst nach einigen Minuten, in denen keine Menschenseele etwas gesagt hatte, wurden wir durch ein Räuspern von Reon wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt. Schlagartig öffnete ich meine Augen und blickte in die mehr als fragenden Gesichter meiner Teamkameraden.

Grace' PoV

Er küsste mich - endlich. Alle Hoffnung hatte ich aufgegeben, nicht im entferntesten damit gerechnet, dass es auch nur die Möglichkeit geben würde das Ruder herumzureißen. Ich spürte heiße Tränen der Freude und der Erleichterung meine Wange hinunterlaufen. Es war mir klar, dass die Aussicht sich aus den Augen zu verlieren der größte Graus für ihn war, und dass die Zusage der Unis ihm einen Schubs in die richtige Richtung - in meine Richtung - gegeben hatte.

Es war mir gleich, was Wakatoshii sagen würde, es war mir gleich, wie es nun weitergehen würde, es war mir alles einfach total egal. Alles, was für mich in diesem Moment zählte, waren unsere Lippen die aufeinander lagen und die Wärme von Satoris frisch geduschtem Körper, die mir so vertraut vorkamen, und mir ein Stückchen Heimat wiedergaben.

Sanft löste er den Kuss, drückte mich näher an seine Brust und küsste meinen Scheitel. Sein Herzschlag war zwar laut, aber er war langsam und regelmäßig. Man würde erwarten, dass in so einer Situation, in der man sich gegen so ziemlich alles und jeden stellt, die vormals auf der eigenen Seite waren, der Herzschlag so wild flattern würde wie ein parkinson-kranker Kolibri nachdem er zehn Dosen hochkonzentriertes Koffein intravenös gespritzt bekommen hatte, aber Satoris Herzschlag war gleich- und regelmäßig. Es kam mir so vor, als würde er zur Ruhe kommen, jetzt wo er den Mut gefunden hatte zu mir, oder besser gesagt zu UNS zu stehen. Eine Last schien von ihm abzufallen, er entspannte sich und fand mit mir in seinen Armen seinen Seelenfrieden wieder.

"Satori, ich habe dich so vermisst", murmelte ich gegen seine starken Schultern. Wie ein elektrischer Impuls schienen ihn meine Worte zu durchzucken, und er antwortete, sein Kinn auf meinem Kopf ruhend: "Ich kann Spiele verlieren, aber dich auf keinen Fall."

Ich konnte meine Gefühle nicht mehr zurückhalten und begann vor Erleichterung in seine Trainingsjacke zu schluchzen. Er war wieder an meiner Seite, ich konnte ihn wieder spüren, ihn in den Arm nehmen und küssen. In Wahrheit waren es nur wir gewesen, die über die Steine in unserem gemeinsamen Weg einen Schritt tun mussten, und uns über all die Regeln und Vorgaben hinwegzusetzen hatten. Es war immer an uns gewesen, die Autoritäten und Worte derer, die meinten ein Recht auf die Kontrolle unserer Leben zu haben, in Frage zu stellen und uns über sie hinwegzusetzten. Wir hatten es uns nie zur Aufgabe gemacht eine alles umstürzende Revolution an zu zetteln und zum Staatsfeind Nr. 1 zu werden, alles was wir wollten war eine Beziehung führen, nicht mehr und nicht weniger. In diesem Augenblick, da wir im weichen Licht des beginnenden herbstlichen Sonnenuntergangs standen, und es um uns herum nichts mehr gab außer uns beide, war es gänzlich still. Keiner sagte ein Wort, niemand rührte sich, zumindest für einige Minuten. Im Augenwinkle konnte ich die anderen Teammitglieder sehen, wie sie uns musterten, ich sah aber nur Satori.
Im Grunde hatte ich von Anfang nur Satori gesehen, es hatte in Wahrheit nie jemand anderen gegeben, und so sehr ich mich bemüht hatte ihn zu vergessen, er würde vermutlich nie ganz aus meinem Herzen verschwinden, selbst wenn sich unsere Wege irgendwann trennen sollten.

Ich wusste, dass uns so schnell nichts mehr trennen würde, das würde keiner von uns beiden zulassen, davon war ich überzeugt.

Sakura - A Haikyu!! FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt