Kapitel 62

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Tendous PoV

"Sag Wakatoshi hat Grace noch mehr solche Freundinnen?", witzelte Hayato während er sein vollgeschwitztes Handtuch durch die Luft surren ließ. Jin mischt sich gleich mit ein: "Los raus mit der Sprache! Sehen in ihrem Freundeskreis alle so zuckersüß aus wie die beiden?" Wakatoshi war sichtlich genervt von den Andeutungen und antwortete: "Erstens: Was Grace angeht muss ich hoffentlich nicht genauer erklären, was das Wort "Tabu" bedeutete, zweitens: Ihre Freundin ist nur für diese eine Woche da, keine Spielchen. Verstanden? Wir haben andere Dinge vor uns, auf die ihr euren Fokus legen solltet. Insbesondere ihr als Drittklässler." Taichi hingegen nahm provokanter Weise kein Blatt vor den Mund und säuselte weiter: "Jetzt sei doch nicht so, du weißt wie wir es meinen! Niemand von uns würde es wagen sich auch nur ansatzweise an Grace ranzuschmeißen." Autsch - damit hatte er mir unbewusst direkt eine reingehauen. "Der einzige der seine Augen nicht von ihr lassen kann, ist Tendou. Du glotzt sie seit sie an der Schule ist echt ununterbrochen an, das ist so auffällig, dass sogar ein Blinder checkt, dass du total auf sie stehst! Ich meine ich kanns dir nicht verdenken, immerhin ist sie wirklich ein Jackpot, aber gar so-...", weiter kam er nicht, da ich ihm eine deftige Kopfnuss verpasste.

"Knacki knacki, brich ihn entzwei, deinen blöden, saudoofen Kopf!", dichtete ich kurzerhand um.

"Nanu, das Liedchen geht anders?", fragte Eita mich.

"Eine Variation", gab ich trocken zurück und zwinkerte ihm zu. Wakatoshi warf mir einen zufriedenen Blick zu, den ich mit einem kaum merklichen Nicken erwiderte. In dem Punkt, dass die anderen von dem ganzen Theater nichts erfahren sollten, waren wir uns trotz unserer derzeitigen Differenzen völlig einig.

"Aber Shirabus Geglotze ist auch nicht von schlechten Eltern, haha! Du hast sonst immer so eine scharfe Zunge und deine spitzen Krallen ausgefahren nur ihr gegenüber schnurrst du wie ein rolliger Kater! Schaut euch doch bitte mal an wie rot er wird!", wenn wir gedacht hatten Taichi hätte genug gehabt, lagen wir falsch. Kenjirou lief zwar rot an, gab sich jedoch gelassen und winkte ab. Es folgte eine weitere Kopfnuss, nur diesmal kam sie von Eita: "Kawanishi wirst du jetzt endlich die Klappe halten?" Bedrückt rieb er sich den Hinterkopf und sah uns beide abwechselnd an, als wären wir Hochverräter.

Was er nicht wusste war, wie recht er in seiner Annahme hatte. In Gedanken hatte ich schon den größten Horror vor dem kommenden Abendessen mit den beiden Mädels. Was wäre, wenn irgendjemand doch noch was merken würde? Im Training war den Jungs aufgefallen, dass ich mich stiller als sonst verhielt, und mein Interesse an Sakura konnte ich schon lange nicht mehr abstreiten, alles was mir übrig blieb, war meine Klappe zu halten, und den Rest Wakatoshis Autorität zu überlassen, auch wenn ich das nur ungern tat. Seit sie mich aus Tokyo angerufen hatte, war ich innerlich noch ungeordneter als zuvor. Das zweite unserer drei letzten Trimester würde bald beginnen, und mit ihm würde auch der Countdown für den Vorausscheid des Frühlingsturniers losgehen, und im Moment konnte ich mir noch nicht vorstellen wie es nach der Schule ohne sie zu sehen, oder sie je wieder in die Arme schließen zu können für mich weitergehen sollte. Zwar blieb mir das jetzt ohnehin auch schon verweigert, jedoch konnte ich sie zumindest beobachten und sehen, was sie machte, wie es ihr ging. Wären wir geographisch voneinander getrennt, würde ein weiterer Kontakt mit ihr schwer werden, da ich selbst noch gar nicht wusste, wohin es mich nach der Schule genau hin verschlagen sollte. Seit dem Anruf wurde mir immer bewusster, dass es ich entweder bald etwas unternehmen oder mich endgültig mit der Situation abfinden musste, so wie ich es anfangs geplant hatte.
Nachdem ich damals mit Wakatoshi gesprochen, und er mir sozusagen offenbart hatte, was sich da auf Sakura zubewegte und was die Zukunft vermutlich für sie bereithalten würde, war mein anfänglicher Plan gewesen sie einfach zu vergessen. Das gestaltete sich jedoch, ganz wie ich unterbewusst schon geahnt hatte, schwerer als angenommen. Nachdem sie mich angerufen, und so dem letzten Funken Hoffnung, der gerade dabei gewesen war zu verglühen, wieder etwas Leben eingehaucht hatte, stritten sich in mir zwei konträre Seiten: Entweder ich schloss ab, oder ich setzte mich über alles und jeden hinweg und ging zu ihr zurück. Auch wenn es in der Zukunft vielleicht scheitern würde, das spätere Bewusstsein es nicht noch einmal versucht zu haben, das mich in naher oder ferner Zukunft noch einmal plagen könnte, war eine Aussicht die mir wenig gefiel. Da gab es nur ein paar Steine auf diesem Weg, und diese Steine hatten alle eines gemeinsam: allesamt hießen sie Ushijima mit Nachnamen. Es war mir nach wie vor nicht möglich mich zu entscheiden, geschweige denn mich auch nur für einen groben Kurs zu entscheiden. Sakura hatte schon recht mit ihrem Vorwurf gehabt, ich könnte mich nicht über Wakatoshi hinwegsetzten, diese Tatsache ging mir unheimlich auf den Geist. Nicht nur weil sie wieder mal recht hatte, sondern weil es mir nicht ähnlich sah etwas einfach so auf sich beruhen zu und mich einfach abwimmeln zu lassen.

"Erde an Tendou! Willst du dich nicht mal duschen gehen? Wir wollen dann los!", Hayato schnalzte mir ein nasses Handtuch in den Nacken, ich zuckte zusammen und wandte mich mit zusammengekniffenen Augen um. "Ist gut Mama, ich mach schon!", erwiderte ich während ich mir lässig meine Trainingsklamotten auszog und ein Handtuch um meine Hüften band, um endlich auch unter die Dusche zu steigen.

Wir erreichten das Restaurant, wirklich und wahrhaftig so wie wir es versprochen hatten, zwanzig Minuten nachdem wir uns von den beiden Mädchen verabschiedet hatten. Sie saßen bereits an einem Tisch und diskutierte über ihre Gläser hinweg miteinander eifrig über etwas, ich wurde das Gefühl nicht los, dass es um mich ging. Darcy bemerkte uns zuerst, wirbelte herum und bedeutete uns näher zu kommen. Zu meinem Pech musste ich gezwungenermaßen gegenüber Sakura Platz nehmen, auch meine hilfesuchenden Blicke in Wakatoshis Richtung wurden ignoriert und ich hatte mein Schicksal einfach hinzunehmen.

Sakura sah mich während des gesamten Essens immer wieder eindringlich an. Wir sprachen kein Wort miteinander, alles was zwischen uns stand und uns voneinander trennte, waren die beiden Teller mit Ramen auf der Tischplatte.

Sakura - A Haikyu!! FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt