Kapitel 35

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Grace' PoV

Ungeduldig wie ein junges Pferd trat ich von einem Fuß auf den anderen, die Aufregung, die mich übermannt hatte, konnte ich nun weder vertuschen noch abstreiten. Wir standen alle gemeinsam in einer Gruppe unter der Überdachung vor der Hauptsporthalle, und warteten bis auch die letzten drei Nachzügler eintrafen. Mittlerweile war es viertel vor zwei, und ich trug mein Schuluniform, die für die Anfeuerungstruppe Pflicht war. Auf meiner hellblauen Bluse, hatten sich ein paar Regentropfen niedergelassen, sie war von kleinen dunkelblauen Punkten übersäht, und ich konnte den Drang immerzu an meiner Schleife herum zu zupfen zusehens schlechter unterdrücken. Ungeduldig sah ich abwechselnd von links nach rechts und wieder retour, stets nach den weiß-maronifarbenen Trikots der Jungs spähend, jetzt konnte es nicht mehr lange dauern, immerhin war das Spiel für zwei angesetzt.

Seit Satori mir seinen kleinen Überraschungsbesuch abgestattet hatte, war ich innerlich total aufgewühlt und absolut unfähig auch nur irgendetwas auf die Reihe zu bekommen ohne ständig gedanklich bei ihm zu sein. Mein Fokus lag jetzt nur noch auf einem: Ich wollte ihn endlich in Aktion im Spiel sehen. Haruka und Kuraiko standen neben mir und unterhielten sich, als es endlich soweit war und ich von weitem Wakatoshi erkennen konnte. Wie in einem typischen Low-Budget-Amateur-Sportler-Film liefen sie in einer pyramidenartigen Formation, natürlich mit Wakatoshi vorne hin, durch den herabnieselnden Regen. Ihre Haare klebten vor Schweiß und Regen an ihrer Haut und gaben ihnen diese Aura der Unantastbarkeit, voller Stolz trugen sie ihre Trikots mit herausgestreckter Brust zu Schau, und mussten, so glaube ich zumindest, den Drang der (vorwiegend weiblichen und kreischenden) Menge Kusshände zuzuwerfen und Winke-Bewegungen im Queen-Elizabeth-II-Style zu miemen mit großer Kraft unterdrücken. Ich verdrehte innerlich die Augen, konnte aber die mitreißende Wirkung leider auch nicht leugnen und stimmt mit in die Anfeuerungsrufe "Shiiii-ra-tori-za-wa! Shiiii-ra-tori-za-wa!" ein. Hätte in eben diesem Moment irgendjemand die Titelmelodie von 'Game of Thrones' im Hintergrund abgespielt oder im Hintergrund einen total überflüssigen Techno-Beat über ihren vor Pathos strotzenden Schaulauf gelegt, mir wäre es wahrscheinlich nicht einmal aufgefallen.

Ich brauchte jedoch einige Momente bis mir klar wurde, dass da einer fehlte. Es war niemand geringerer als mein ganz persönlicher Hauptakteur: Satori Tendo. Als Wakatoshi sich an mir vorbei bewegte, hielt ich ihn kurz am Arm fest und fragte eher er mir davonlaufen konnte: "Fehlt da nicht einer?" Alberner Weise lief er sogar auf der Stelle weiter, und antwortete mir: "Der ist zu spät gekommen, und macht sich noch warm. Wir sind vorgerannt um dem Schiedsrichter zu sagen, dass einer unserer Spieler noch zehn Minuten braucht." Ich nickte nur und ließ ihn los. Anschließend nahmen wir unsere Plätze auf der Tribüne ein.

Zehn Minuten später kam der noch fehlende Mittelblocker dann durch das Portal der Sporthalle getrabt, und fixierte mit seinem Blick sofort meine Wenigkeit. Wieder breitete sich auf meinem Körper die übliche Gänsehaut aus, und ich schauerte kurz vor Aufregung. Rasch nickte ich mit meinem Kopf nach unten, und bekundete ihm so meine grenzenlose Unterstützung, er erwiderte mit seinem typisch herausfordernden Grinsen.

Ich muss zugeben, dass ich mir den ganzen Rahmen um einiges lächerlicher vorgestellt hatte, als gedacht. Anfangs fand ich das ganze Prozedere, das organisierte Anfeuern und die Pflicht, die Uniformen sogar bei den Spielen zu tragen, ungeheuer übertrieben und albern. Umso länger ich jedoch von der Tribüne aus zusah, desto mehr wurde ich von der Stimmung und der Atmosphäre, die durch das Zusammenspiel aller Komponenten entstand, mitgerissen. Wie eine gewaltige Tsunami-Welle, überrollte mich das Ambiente der Spielsituation und das Flair des uns alle verbindenden Teamgeistes. Die Paukenschläge wummerten durch jede Faser meines Körpers, und ließen mich fühlen, als hätte ich auf einen Elektrozaun gegriffen: bis in die Fingerspitzen geladen. Meine Kehle wurde von Minute zu Minute trockener, das machte mir aber nichts aus. Die Tatsache, dass ich einen kostbaren Samstagnachmittag mit dem Anfeuern eines Oberschul-Volleyball-Teams verbrachte, statt mit Shoppen, einem Filmmarathon oder einer umfangreichen Ausnüchterungskur nach dem letzten komatösen Treffen der gar nicht ganz so anonymen Londoner Jugend-Alkoholiker, die gerne "auch mal einen draufmachten" und sich in wilden Gelagen verloren (bis zu einer Orgie haben wir es vor meiner Abreise leider nicht mehr gebracht), hatte mein inneres Gewohnheitstier bis dato absolut fertig gemacht, je mehr Zeit verging, desto mehr gewöhnte ich mich an den Gedanken. Ab jetzt hieß es wohl Volleyball statt Vodka....

Sakura - A Haikyu!! FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt