Kapitel 66

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Grace' PoV

"Und mehr hat er dir nicht gesagt?", fragte ich Darcy zum geschätzt dreihundertsten Mal. Wir saßen auf dem Boden meines Wohnzimmers, zwischen uns lag die Papiertüte auf der ich zwei Croissants und Servietten platziert hatte, jede von uns hielt die Jumboversion eines Latte Macchiatos in einem Kaffeebecher aus Pappe in ihrer Hand.

"Wenn ich dir doch sage, dass er mir nichts weiter gesagt hat! Nur irgendwelchen Blödsinn von wegen, dass du Verpflichtungen hast und er dich nur beschützen wollte!", antwortete sie mir, während sie theatralisch mit dem Gebäckstück in ihren Händen herumfuchtelte. Sie trug noch immer denselben Morgenmantel in einen zarten Fliederton aus Satin, an ihre Füßen befanden sich mittlerweile bequeme Sommerhausschuhe. Die Haare trug sie in einem Dutt, den eine Haarnadel in ihrem Nacken fixiert hatte, um den Mund hatte sie den Anflug eines leichten Milchschaum-Flaums.

"Das ist einfach nur seltsam... Ich kann ihn nicht vergessen, wenn ich nicht zumindest den wahren Grund für seinen plötzlichen Sinneswandel kenne...", erwiderte ich, während ich den Boden fixierte und zaghaft in mein Frühstück biss.

"Das wirst du aber wohl oder übel müssen, meine Liebe. So leid es mir tut, Darling, aber wenn er nicht einmal mir gegenüber sein Zuckermäulchen aufsperrt und zu Singen beginnt wie Maria Callas das Ave Maria weiß ich auch nicht weiter! Er ist aber auch ein Sonderling!"

"Tja, in beiden Punkten hast du wohl leider recht...Und er hat dir wirklich zehn Minuten lang zugehört in denen du nur über die historische und elementare Bedeutung des Wasserkochers für die Menschheit geschwafelt hast?"

"Ja ich kann es auch nicht fassen! Und mit was für einem Interesse er mir zugehört hat! Als hätte ich irgendetwas weltveränderndes getan oder gesagt! So als-...."

"...- hättest du einen guten Leitartikel für 'Daily Mirror' geschrieben und das Schundblatt endlich wieder der Bezeichnung Journalismus würdig gemacht ?", beendete ich ihren Satz.

"Ja! Exakt genau so! Du kennst mich viel zu gut, Grace Ushijima!", sie klopfte mir spielerisch auf die Schulter und nahm einen weiteren Bissen des Croissants.

Der letzte Tag von Darcys Besuch verging leider viel zu schnell, und der Zeitpunkt da ich sie ein letztes Mal für sehr lange Zeit vor dem Taxi in die Arme schloss kam viel zu schnell. Wir hatten jedes noch so kleine Momentum, das uns zur Verfügung gestanden hatte, genutzt, das konnte ich mit Sicherheit und Freuden behaupten, und ich bereute keine einzige Sekunde die ich mit ihr verbracht hatte. Ich vermisste sie schon, als ich sie noch in den Armen hielt und klischeehaft an ihrer Schulter vor Abschiedsschmerz zu weinen begann. Für den Heimflug, hatte sie sich für einen cremefarbenen Plissee-Rock entschieden und eine schlichte weiße Bluse aus leichtem Leinen, deren oberen Knöpfe sie allesamt aufgeknöpft gelassen hatte. Wie eine echte Dame stakste sie sogar zum Abschied in ihren sandfarbenen Plateauabsätzen den Kiesweg entlang und hielt andächtig die Bügel ihrer Sonnenbrille zwischen den Schneidezähnen, während wir Wakatoshi ihren Koffer trug und sie alles um sich herum ein letztes Mal in Augenschein nahm.
Tatsache war, dass mir die Woche wirklich viel gegeben hatte, und ich durch ihre Worte und Taten zumindest etwas gestärkt worden war. Am liebsten hätte ich sie noch drei JAHRE in Japan behalten und notfalls mit Wakatoshi zwangsverheiratet (was vielleicht gar nicht so absurd und gegen den Willen beider Parteien geschehen wäre), um mir die überaus gute Gesellschaft und die wunderbaren Frauengespräche, die man nur mit einer langjährigen Freundin führen kann.
"Blieb stark, Tiger! Wenn du etwas brauchst, weißt du wo du mich findest!", sagte sie zu mir während der Taxifahrer ihren Koffer verlud.

"Räucherstäbchen schmauchend und Humus schnabulierend im Yogakurs?", neckte ich sie.

"Du bist unmöglich.... Genau wie ich... ", kicherte sie. "Ich hab dich so lieb, Grace. Vergiss das bitte nicht! Egal was kommt, du schaffst alles, und sobald dein Schuljahr zu Ende ist, kommst du uns in London besuchen! Atticus vermisst dich dort mindestens genauso sehr wie ich!"

Dann schaute sie über meine Schulter zu Wakatoshi und den übrigen Spielern die sich zu ihrem Abschied versammelt hatten, und winkte zum Abschied: "Machts gut! Man sieht sich! Und Wakatoshi: Wenn du nochmal so mit ihr umspringst, dann steige ich in den nächsten Flieger und verhaue dich mit deinen Volleybällen!"

Hinter mir hörte ich ihn erwidern: "Ich werde auf dein Angebot zurückkommen!" Der Rest der Jungs wandte sich zu ihm und Semi fragte: "Was meint sie denn damit? Gab es etwa Streit zwischen euch beiden?" Ihr Kapitän winkte ab und bedeutete ihnen zum Abschied zu winken.

Ein letztes Mal nahm ich sie in den Arm und flüsterte ihr zu: "Vielen vielen Dank! Ich weiß gar nicht, wie ich dir das irgendwie zurückgeben kann, was du für mich diese Woche getan hast. Du bist einfach die beste Freundin, die man sich wünschen geschweige denn vorstellen kann." Ich spürte ihr Lächeln auch ohne es zu sehen als sie antwortete: "Gerne, immer wieder gerne. Es war so schön dich wieder mal sehen zu können, ich danke dir für diese tolle Erfahrung."

Nachdem sie ins Taxi gestiegen war, trat ich einen Schritt zurück und wedelte hektisch mit meinen Händen, bis sie und der silbergraue Mercedes außer Sichtweite waren. Wakatoshi trat zu mir nach vorne und legte ungewohnt verständnisvoll einen Arm um meine Schultern. "Schade, dass sie nicht länger bleiben konnte, sie war eine interessante junge Dame", sagte er beinahe seufzend. Sein Blick war in die Ferne schweifend auf den Horizont gerichtet, in dem sie gerade verschwunden war. Ich sah zu ihm auf und fragte amüsiert: "Ach so ist das! Du stehst auf sie, hab ich recht?" Blitzschnell nahm er den Arm von meiner Schulter und sah mich von oben herab an. "Egal wie du darauf gekommen bist, verwirf diesen absurden Gedanken so schnell wie möglich", fauchte er mich an.

"Du hast doch selbst gesagt, dass du sie interessant findest", neckte ich ihn weiter.

"Interesse habe ich an mehreren Dingen! Volleyball, Sport-..."

"Der hübschen jungen Frau die gerade in ein Taxi zum Flughafen gestiegen ist, und von der du ganz hin und weg bist?", fiel ich ihm provokant ins Wort.

"Sakura, es reicht wieder."

"Warum nennst du mich denn schon wieder die ganze Zeit Sakura? Ich habe dir schon mal gesagt, dass ich gerne Grace genannt werden möchte, also gewöhn's dir lieber wieder schnell ab!", ich machte kehr und verschwand begleitet von Semi und Ohira auf dem Kiesweg in Richtung Internat.

Der Gedanke, dass sich dieser Eisklotz der sonst nicht außer Volleyball im Kopf hatte und sich im Grunde nur für sich selbst interessierte, doch tatsächlich für meine beste Freundin erwärmen hatte können, war ein äußert angenehmer und beruhigender. Es bewies, dass er doch im großen und ganzen menschlicher war als ich gedacht hatte und, bezöge man alle Eventualitäten mit ein, zumindest in einer gewissen Form nachvollziehen konnte, was er mir mit seinem Tuen für Schmerzen zugefügt hatte.

Sakura - A Haikyu!! FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt