Kapitel 48

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Grace' PoV

-Timeskip-

Es war Mittwochnachmittag, die Japanisch-Klausur hatten wir vor mittlerweile mehr als drei Stunden absolviert, nun saßen wir im Schneidersitz auf meinem Wohnzimmerfußboden. Uns trennte mein Mahagoni-Couchtisch, übersäht mit den Flecken von abgestellten Kaffeetassen und Wassergläsern sowie den Überbleibseln meines letzten Keks-Massakers. Wir hielten beide eine Tasse Tee mit unseren Händen umschlungen, und warteten darauf, dass der andere das Wort ergriff. Die Situation war angespannt und irgendwie befremdlich, waren wir doch dabei über ein (zumindest für Satori) heikles Thema zu sprechen. Meine Finger tippten der wiederholt der Reihe nach auf die Holzplatte des Tisches, beschämt von der Unordnung versuchte ich die Kaffeeflecken mit meinen Fingern wegzuwischen.

So still hatte ich Satori schon lange nicht mehr erlebt, es war beinahe beängstigend. Er sah andauernd zu Boden, mied meine Blicke, und versuchte andauernd mit dem Sprechen zu beginnen. Jedes Mal wenn er dazu ansetzte, schien er seine Worte lieber wieder runterzuschlucken als sie endlich auszuspucken. Nach zwanzig Minuten der mönchischen Stille, ergriff ich schließlich das Wort: "Satori, wir müssen darüber reden. Es hat keinen Zweck deine Fragen und Bedenken jedes Mal wieder zu schlucken wie ein Wiederkäuer seine schon viermal durchgekautes Gras. Du bist du doch sonst immer derjenige, der sich nicht scheut den Mund aufzumachen und auszusprechen, was ausgesprochen werden muss. Soll ich anfangen?" Bedächtig nahm er seine Finger von der Kaffeetasse, dann begann er (endlich!) zu sprechen: "Du hast ja recht, aber das ist einfach ein Thema über das man bei uns nicht ganz so offen sprechen kann, es ist einfach ungewohnt...."

"Na dann, los frag mich was du willst, sag mir was du willst, egal was."

"Egal was?"

"Herrgott Satori ich habe mich vor Shirabu an meinem ersten Tag hier beinahe ausgezogen und mit dem war bzw. bin ich nicht auf die Wiese verbunden wie mit dir, also nimm dich zusammen! Es sind nur Worte, außerdem geht dein Training in zwei Stunden los, es bleibt keine Zeit zum herumdrucksen."

"Du bist wirklich schlimmer als ein Marine-Offizier, weißt du das? Schon mal über eine Karriere in der Armee nachgedacht?"

"Ja und ja, jetzt frag endlich."

"Na gut... Also du bist keine Jungfrau mehr?"

"Nein, bin ich nicht. Wie steht's mit dir?"

"Ich schon..."

Stille, schon wieder. Dann erst taute Satori was ich da vor einige Sekunden zuvor von mir gegeben hatte:" Warte warum hast du doch vor Shirabu ausziehen wollen?" Leicht, aber auch wirklich ganz leicht, genervt schlug ich mir theatralisch mit der flachen Hand auf die Stirn und erwiderte: "Du brauchst auch immer fünf Minuten extra um den Sinn und den Zusammenhang von Worten zu verstehen oder? Das war damals ein Missverständnis, ich war erst kurz hier, und war noch zu sehr in den Mustern meiner Heimat. Vor meinen besten Freunden habe ich praktisch kein Schamgefühl, da ziehe ich mir auch schon mal meine Sachen aus, das sehe ich nicht so eng. Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich mich an jeden ranschmeiße."

"Bist du dir da ganz sicher? Ich meine sogar ein blinder mit Krückstock sieht, dass Kenjirou dich ziemlich gern hat."

"Bitte was?"

"Sakura dem armen Bürschchen fallen beinahe die Augen aus dem Kopf wenn er dich sieht, außerdem hat er dir gegenüber lange nicht so eine große Klappe wie gegenüber anderen. Neben dir ist er so groß mit Hut", antwortete er und quetschte Daumen und Zeigefinger demonstrativ aufeinander.

"Ach wirklich? Naja, das würde so einiges erklären...Arrghh, Schluss jetzt! Du willst nur vom Thema ablenken!"

Erst jetzt fiel mir auf, wie unangenehm ihm die ganze Situation wirklich war. Seine Gesichtsfarbe änderte sich zu einem tiefen Rotton, der in seiner Intensität sogar seiner Haarfarbe Konkurrenz machte. Ich rutschte auf Knien um den Tisch herum zu ihm und griff nach seinen Händen. Mir wurde klar, dass meine barsche Art ihn durch Bedrängnis zum Reden zu bringen wenig Früchte tragen würde, und so versuchte ich es zur Abwechslung mit dem Zuckerbrot, anstatt der Peitsche. Mit meinen Daumen massierte ich sanft seine Handflächen und sagte ruhig: "Hör mal, es hat absolut keinen Sinn das Ganze hinauszuschieben. Sieh mich doch mal an, hm?" Zaghaft hob er sein Kinn und schluckte. "Ich hätte nicht gedacht, dass es dir so unangenehm sein würde mit mir über darüber zu sprechen, und ich entschuldige mich, sollte ich dich irgendwie bedrängt haben. Wir müssen nicht miteinander schlafen, wenn du noch nicht bereit bist." Es schien sich ein Knoten in seinem Körper zu lösen, denn er atmete tief durch, küsste mich sanft auf die Stirn und antwortete: "Ist schon gut. Du hast keinen blassen Schimmer wie sehr ich es will, ich muss mich einfach nur überwinden, das ist vermutlich alles."

Ich ließ seine Hände los und robbte zurück auf meine Ausgangsposition. Dann sprach er: " Ich weiß wie es funktioniert, das ist nicht das Problem. Dass ich dich vielleicht verletzten oder dir anderweitig weh tun könnte, indem ich etwas falsch mache, oder dich gar enttäusche, ist eher meine Sorge."

"Davor musst du keine Angst haben, wenn ich etwas nicht will, oder mir etwas wehtut, gebe ich Bescheid, versprochen. Wichtig ist nur, dass du dich nicht verstellst, sag offen was dir gefällt, was du nicht magst oder was dich stört. Man kann über alles reden, auch wenn es momentan nicht den Eindruck macht als wäre das möglich. Glaub mir, es wird einfacher. Solange wir uns gegenseitig vertrauen, muss niemand mit Bedenken an dieses Unterfangen herangehen." Sichtlich erleichtert seufzte er auf. Dann ging er um den Tisch herum zu mir und schlang seine langen Arme um mich. Er bombardierte mich zuerst mit sanfte, dann mit immer wilderen und schlampigeren Küssen und kniff mich spielerisch in die Seite. Ich kicherte auf und ließ mich auf die kindische Turtelei ein, streifte sein Kinn und seine Wangen mit meinen Lippen und biss ihm spielerisch in die Nase. So kindisch und ausgelassen, einfach wie ein frisch verliebtes Paar sein sollte, waren wir bisher selten gewesen, und ich genoss die gelöste und entkrampfte Atmosphäre die nun herrschte. Satoris Haare kitzelten mich dezent in der Nase, als er seinen Kopf über meine Schulter legte und im weichen Stoff meines Kapuzenpullovers vergrub.

Schließlich ließen wir die Ernsthaftigkeit doch wieder einen Platz zwischen uns, und ich fragte: "Wann willst du es tun? Ich überlasse da ganz dir, du darfst entscheiden." Er hielt in seiner Kasperei inne, legte sein Kinn auf meiner Schulter ab und sah starr nach vorne. "Heute ist Mittwoch, was wäre mit Sonntag nach dem Training?" Überrascht von seiner raschen Entscheidung hackte ich nach: "Bist du dir sicher? Wie lange geht das Training überhaupt?"

"Ja, ich bin mir sicher, sehr sicher sogar. Wir fangen schon um zehn an, also werden wir wohl gegen sechs oder sieben fertig sein, ich kann nach dem Abendessen zu dir kommen." Ich überlegte kurz und gab dann mein Einverständnis dazu.

Eine Frage schien ihm jedoch noch unter den Fingernägeln zu brennen, und ich wusste genau welche das war. Neckisch fragte ich ihn ganz direkt und unverblümt: "Und wer von uns beiden besorgt die Kondome?" Kaum hatte ich das Wort ausgesprochen, versteifte sich sein Körper und er begann verräterisch auf seinen Lippen herum zu beißen. Ich musste ein Kichern unterdrücken als er antwortete: "Naja, also ich hab jetzt so keine hier... aber, ich meine.... Naja...." Bevor er in seiner Beschämung unterzugehen drohte, erlöste ich ihn und warf ein: "Keine Sorge, ich kümmere mich darum."

Nach einer halben Stunde, die wir Großteils mit Knuddeln und Küssen verbrachten, war es an der Zeit für ihn zu gehen. Ich brachte ihn wie üblich zur Tür und spähte durch einen dünnen Spalt kontrollierend nach draußen. Nachdem ich ihm bedeutet hatte, dass die Luft rein war, platzierte er einen langen und andächtigen Kuss auf meiner Stirn und murmelte leise zum Abschied: "Bis dann, danke für alles, Prinzessin. Ich.. naja.. Ich-.." "Ich hab dich auch sehr gerne, Satori", fiel ich ihm aushelfend ins Wort.

Als er durch die Tür nach draußen verschwunden war, ging ich zurück in mein Wohnzimmer und setzte mich mit der Teetasse in meinem Schoß vors Fenster. Eine Weile lang saß ich einfach nur da und dacht nach, über alles, was mich des nächtens wach hielt.
Irgendwie beruhigte es mich zu sehen, dass ihn augenscheinlich zu beschäftigen schien was gerade vor sich ging. Es bewies mir, dass auch er, entgegen aller Auskünfte und Gerüchte die mir zu Beginn des Schuljahres zugetragen worden waren, ein Mensch aus Fleisch und Blut war, der vor gewissen Dingen einfach Angst hatte. Einerseits imponierte mir seine unantastbar wirkende Art, andererseits hatte sie mich zu Anfang ziemlich aus dem Konzept gebracht, wusste man, wenn man nicht allzu viel in Kontakt mit Satori war, nie so richtig was er von einem hielt, geschweige denn was in ihm vorging. Obwohl wir uns noch nicht lange kannten, hatte ich das Gefühl mit ihm über alles reden und ihm alles anvertrauen zu können. Ich wollte ihn nicht einfach nur kennenlernen, mehr lag es mir am Herzen eine Bindung zu ihm aufzubauen, ein emotionales Band zwischen uns zu knüpfen. Und das ist alles, was ich dazu sagen kann...

Author's note:

Schönen Sonntag, euch allen! :) <3

Sakura - A Haikyu!! FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt