Kapitel 26

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Nach dem Training vom Freitagabend ging ich ziemlich früh ins Bett, da ich am nächsten Tag bald aufstehen musste um mit meinen Freunden skypen zu könne. Mittlerweile war eine beträchtliche Zeit vergangen, seit wir uns das letzte Mal gesprochen hatten, und ich vermisste es mich mit ihnen austauschen zu können. Aufgrund des enormen Zeitunterschieds, gab es keinen anderen Ausweg als um 04:30 Uhr morgens aufzustehen, dann war es in Großbritannien 20:30 Uhr. Es war ein ziemliches Opfer, das ich bringen musste, da ich eigentlich eine Nachteule war, die nur zu gern bis in die frühen Morgenstunden wach blieb. Nachts war ich immer am kreativsten und gleichzeitig am produktivsten, außerdem mochte ich das Gefühl, das mir die Nacht gab. Es war eine Mischung aus Grusel und poetischer Euphorie, die mich nicht einschlafen ließen, ich fühlte mich dann immer wie einer dieser einsamen Dichter der Romantik, die ganz alleine bis spät nachts aufblieben, um all ihre Gedanken und Gefühle zu Papier zu bringen, damit sie sie der Außenwelt irgendwann offenbaren konnten, und so trotz ihrer eigenbrötlerischen Natur in Kontakt mit ihren Mitmenschen standen. Kitschig, ich weiß.

Also verzichtete ich an besagtem Abend auf meine kreative Zeit alleine, und ging pünktlich zu Bett, um morgens nicht 1000, sondern nur 100 Tode sterben musste. Um 04:30 Uhr klingelte also mein Wecker, ich stand auf, motiviert durch den einzigen Lichtblick meine beiden besten Freunde endlich wieder zusehen und zog mein Notebook hervor. Kaum hatte ich den Bildschirm hochgeklappt, poppte auch schon die Meldung eines Skype-Anrufs von Darcy auf und ich trat dem Telefonat bei. Ich kann gar nicht beschreiben, was für ein Gefühl es war die Gesichter meiner beiden besten Freunde in den viereckigen Fensterchen der App auftauchen zu sehen, und sie wieder mit mir lachen sehen zu können, ich schwöre, ich hätte am liebsten geheult. Auf einmal verspürte ich so starkes Heimweh, wie ich es noch nie, seit ich nach Japan gekommen war, gehabt hatte. Innerlich heulte ich wie ein Schlosshund über die Tatsache, dass ich länger nicht nach London zurückkehren konnte, hielt mich aber vor ihnen zurück, ich wollte die offensichtliche Hochstimmung, in der sich beide ihren lächelnden Gesichtern nach zu urteilen befanden, nicht durch einen Heulkrampf kaputt machen. Wir schwiegen alle drei, um den Moment in unseren Köpfen abzufotografieren und in für immer geistig in einem Album abzuspeichern. Es hätte wahrlich kein besseres Bild gegeben um unser Band, das wir so mühsam zwischen uns über die letzten Jahre aufgebaut hatten, zu illustrieren, der Moment war so unbeschreiblich schön.

Meine beiden besten Freunde waren Darcy und Atticus, Darcy kannte ich seit der Grundschule, und seit damals waren wir beste Freundinnen. Unsere Freundschaft hatte jeden einzelnen meiner Umzüge und Auslandsaufenthalte überdauert, darauf war ich stolz. Atticus hatte ich erst zu Beginn der Oberstufe kennengelernt, mit ihm waren wir erst langsam aber sich warm geworden, da er am Anfang einen komplett konträren Eindruck entgegen seines wahren Naturells vermittelt hatte.

Atticus war, wie man sich einen klischeehaften englischen Lord vorstellt, so, als hätte man ihn aus "Downton Abbey", einer Jane-Austen-Verfilmung oder einem Katalog für Reitsportartikel herausgerissen: Att war nicht nur intelligent, gebildet und beherrschte jede in England relevante Sportart geradezu meisterhaft, nein, er setzte noch eins drauf und war obendrein groß, gutaussehend und der Sohn eines englischen Immobilien-Moguls, was ihn zu einer der besten Partien des gesamten Landes machte. Er war gegenüber Fremden eher zurückhaltend, und sprach nur, wenn er direkt angesprochen oder gefragt wurde. Zugegeben, war diese zurückhaltende Art, die manche vielleicht als "noble Zurückhaltung" abstempeln würden, eigentlich nur als eines zu qualifizieren: Schüchternheit. Kombiniert mit seinem immerzu neutralen Gesichtsausdruck, der auf den ersten Blick ziemlich arrogant und überheblich wirkte, kam er einem eher wie ein verwöhntes Bürschchen aus einem von Londons reichen Vororten vor, der sich konsequent und unerschütterlich für etwas Besseres hielt. Der Spruch "Man soll ein Buch niemals nach seinem Einband beurteilen", passte zu Att wie die Faust aufs Auge, denn er war in aller Kürze formuliert einer der liebenswertesten, aufrichtigsten und gutherzigsten Menschen, denen ich jemals begegnen durfte. Weder war er überheblich, noch arrogant, noch meinte er uns allen von vornherein überlegen zu sein. Er wusste zwar genau, wie er aussah und was in ihm steckte, damit, oder mit dem Namen und Geld seiner Familie zu prahlen, wäre ihm nie eingefallen.

Sakura - A Haikyu!! FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt