Kapitel 34

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Tendos PoV

Jetzt musste ich mich sputen, Eita war am Telefon mehr als nur genervt gewesen, und Wakatoshis Gesichtsausdruck wollte ich mir gar nicht vorstellen. Wenn er eines nicht ausstehen konnte, dann war das Nachlässigkeit. Bevor ich aus Sakuras Zimmer trat, sah ich nach rechts und links, um mich zu vergewissern, dass niemand meinen Regelverstoß und den Betrug, den ich beging, bemerkte. Dann schloss ich so leise wie möglich die Türe hinter mir und rannte. Die Zeit hatte ich komplett übersehen, Washijo würde um halb zwei da sein, einer Standpauke von ihm konnte ich ohnehin nicht mehr entrinnen.

Wie gerne wäre ich noch ein Weilchen bei ihr geblieben, hätte sie geküsst und berührt. Meine Lippen waren heiß, und die glühende Röte, die sie ausstrahlten, konnte ich auch ohne Spiegel sehen und spüren. Die Weise, wie sie küsste, brachte mich um jeden klaren Gedanken. Immerzu biss sie mir mit ihren kleinen Mäusezähnchen in meine Unterlippe, neckisch, reizend, auffordernd. Wenn ich dann noch ihre unvergleichlichen Kurven in meinen Händen dahin schmelzen spürte, wurde ich wie Lehm in ihren Händen: Weich und formbar. Sie hatte mir mehr als nur deutlich zu verstehen gegeben, dass sie sich zu mir hingezogen fühlte, körperlich wie auch geistig, das machte mich verrückt. Insgeheim fragte ich mich wie lange es noch dauern würde, bis uns das Küssen zu wenig sein würde, und wir sozusagen ein Stockwerk höher gehen würden. In meinem Kopf übertönte die Stimme der Vernunft, die mir sagte, ich solle es langsam angehen und nicht gleich zu gierig sein, diejenige meines Begehrens, die kokettierend ihre in Netzstrümpfe gekleideten Beine ausstreckte, und mir von Zeit zu Zeit Unaussprechliches in mein geistiges Ohr flüsterte.

Als ich, noch immer angenehm erregt, in mein Zimmer kam, saß Nakamura natürlich wie üblich an seinem Schreibtisch. Nachdem ich, vielleicht etwas zu lebhaft und erhitzt, hereingekommen war, und die Türe in meiner Eile wohl um eine Spur zu heftig zugeschmissen hatte, hob er seine Schweinsäuglein von seinem Buch und keifte mich an: "Sag mal spinnst du? Ich lerne hier und du fetzt die zierliche Holztüre ins Schloss wie ein schmiedeeisernes Portal in der Kühlung einer Fleischerei, wenn was kaputt geht, stärk ich dir ganz sicher nicht den Rücken."

"Sei leise du Pfeife. Ich hab dich nie um deine Unterstützung gebeten, also lass den Scheiß", ich war innerlich echt schon gestresst genug, die unnötigen Kommentare von diesem Wichtigtuer hatte ich absolut nicht Not.

"Halt doch einfach die Klappe... Warum bist du eigentlich so nass, Tendo? Warst du in der Stadt? Ich dachte ihr wärmt euch längst auf?", die Fragen waren begleitet von einem schadenfroh-süffisanten Grinser, den ich ihm bei Zeiten mal aus dem Gesicht wischen musste.

Ich verdrehte die Augen und seufzte, während ich meine Sachen zusammenraffte. Dieses kleine Trüffelschweinchen musste auch überall seine verdammte Nase hineinstecken. "Nicht, dass es dich was angehen würde, aber ja, ich war in der Stadt, und ja, ich müsste ganz strenggenommen schon beim Aufwärmen sein", ich betete, dass er es jetzt endlich mit dem Kreuzverhör sein lassen würde, da ich weder Lust noch Zeit hatte mich weiter von ihm verbal sezieren zu lassen. Natürlich dachte Nakamura gar nicht daran mich zu Frieden zu lassen und fragte weiter: "Was machst du denn am Vormittag so knapp vor einem Spiel in der Stadt?"

"Wenn es dich so brennend interessiert: Ich war einkaufen, hab die Sachen zu Sakura, gebracht, bin dann noch kurz zu ihr rein und dann hatten wir ein kleines 'Intermezzo', wenn du weißt was ich meine", mit der Wahrheit verwirrt man die Leute am meisten, und so sprach ich sie einfach aus. Nakamura verstand, wie zu erwarten, kein Sterbenswörtchen von allem, und hackte verdutzt nach: "Wer ist Sakura und was um Himmels Willen ist ein Intermezzo?" Mit meinem Bekenntnis hatte ich exakt den Effekt erzielt, den ich mir so herbeigewünscht hatte: Totale geistige Ohnmacht, die es ihm unmöglich machte zu erfassen, was ich da gerade von mir gegeben hatte.

Ich zuckte die Schultern und erwiderte: "Wenn du erlaubt, würde ich jetzt gerne gehen, damit mich Tanji nicht gänzlich zu Feinstaub verarbeitet."

"Hey hey, warte mal! Hast du dich etwa mit einem Mädchen getroffen?" Na ganz toll, die übliche Masche hatte nicht mehr gezogen, er hatte es schneller überrissen, als ich gehofft hatte.

"Kann sein, muss aber nicht sein. Jetzt lass mich in Ruhe und schau lieber wieder in deine Bücher."

"Nein auf keinen Fall! Du hast dich mit einem Mädchen getroffen, oder? Mit einem Mädchen, das Sakura heißt?" Langsam wurde es eng. Nicht nur weil dieser Zweistein es doch tatsächlich geschafft hatte, sein Hirn für etwas anderes als Matheaufgaben zu benutzen, sondern auch der wachsende Zeitdruck, mir im nicht mehr nur im Nacken saß, sondern auf meiner Wirbelsäule einen flotten und energischen Stepptanz zu vollführen schien. Es war jetzt kurz vor halb zwei, Tanji war sicher schon so gut wie in der Halle, jetzt zählte jede Sekunde. Resignierend seufzte ich auf und antwortete: "Glaub doch was du willst, wenn ich dir sage, dass es sich dabei nur um eine Art Codewort für den Volleyball-Club handelt, würdest du mir das auch nicht abkaufen", ich versuchte ihn auf den letzten Drücker zu beschwichtigen, da ich nicht damit gerechnet hatte, dass er es so schnell kapieren würde. Wenn die Wahrheit zu riskant wurde, log man am besten.

Enttäuscht ließ Nakamura die Schultern hängen und erwiderte: "Na wenn das so ist, und es sich nur um ein komisches Codewort handelt, meinetwegen, gehe hin in Frieden! Hätte mich auch gewundert, wenn du eine abbekommen hättest." Es war sonst nicht meine Art einen derartigen Angriff einfach unkommentiert zu lassen und nicht wie üblich mit einer ebenso spitzfindigen Antwort aufzuwarten, aber diesmal beließ ich es dabei, verdrehte meine Augen und murmelte ein kaum merkliches "Tss" in seine Richtung.

So schnell es ging, rannte ich zur Volleyballhalle. Die vor Entnervtheit strotzenden Gesichter der anderen, die mir bei meinem Eintreten entgegen schlugen, würden mich noch im Schlaf verfolgen. Es war mittlerweile viertel vor zwei, zwar war ich schnell gewesen, bedachte man aber, dass ich weder aufgewärmt noch umgezogen war, halfen mir meine Bemühungen wenig weiter. Tanji donnerte los sobald mein Kopf im Halleneingang erschienen war: "Was fällt dir eigentlich ein, du Nichtsnutz? Du hast jetzt eine viertel Stunde um dich umzuziehen und aufzuwärmen, die anderen sind schon seit einer dreiviertel Stunde hier und machen sich warm! Wie oft denn noch? Das sind eure letzten Spiele in der Oberstufe, und du Vollpfosten kommst noch immer zu spät! Los jetzt, viel Zeit haben wir nicht mehr." Es gab nichts was ich hätte sagen können, das unseren Trainer beschwichtigen hätte können, deswegen gab ich einfach keinen Ton von mir, verbeugte mich und verschwand in der Umkleide. Wakatoshi folgte mir. Gerade als ich begann mich auszuziehen, stand dieser Berg von unserem Kapitän vor mir, und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. "Uahh, Wakatoshi! Was spannerst du denn hier herum? Sag einfach nichts, ich weiß warum du hier bist, und worauf du hinauswillst. Es tut mir leid, ich kann dir aber nicht versprechen, dass es nicht mehr vorkommt, wir wissen beide, wie ich bin", eine Entschuldigung war ich im Rückstand.

"Tendo, was ist los mit dir? Du kommst öfter mal spät, aber bei einem Spiel, das sieht dir nicht ähnlich. Was hast du überhaupt getrieben?"

Hier war ich mir sicher, dass die Wahrheitsmasche nicht funktionieren werden würde, da er ganz genau wusste, wer Sakura war. Aus diesem Grund wandelte ich die Wahrheit einfach ein bisschen ab: "Ich hatte da eine kleine Auseinandersetzung mit meinem Zimmergenossen, Nakamura. Dieser Spinner kann es einfach nicht lassen." Wakatoshi schien wenig zufrieden mit meiner Antwort, brummte mich in seiner tiefsten und ernsthaftesten Tonlage an (die ihn tatsächlich um nichts bedrohlicher wirken ließ, auch wenn er hoffte, dadurch seine Autorität und seinen Gram betonen zu können, für mich wirkte er damit nur wie ein grimmiger Papa-Bär) und wies mich an: "Na gut, wie auch immer. Konzentrier dich aber während des Spiels, und jetzt leg einen Zahn zu." Eifrig nickte ich, und zog mich weiter um.

Ich freute mich auf das Spiel und sang ganz leise vor mich hin: "Knacki Kancki, brich es in zwei, ihr kleines hilfloses Herz...."

Sakura - A Haikyu!! FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt