Kapitel 51

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Es zogen ein paar Wochen ins Land, und Satori und ich schienen uns durch diesen nächsten Schritt, den wir gemeinsam getan hatten, um so vieles näher gekommen zu sein. Egal ob im Unterricht, in den Trainingspausen oder wenn er bei mir im Zimmer war, er suchte vermehrt meine Nähe und konnte seine Finger nicht mehr von mir lassen.
Während des Unterrichts ließ er zeitweise seine Hand auf meinem Oberschenkel liegen, kniff sachte zu und schenkte mir in unbeobachteten Momenten ein erfülltes und glückliches Lächeln. In der Pause ließ er mich kaum aus den Augen und zu Mittag gab er mir heimlich seinen Nachtisch, mittlerweile wusste er was für eine unverbesserliche Naschkatze ich war, und dass das Dessert mit den zu den Höhepunkten meines tristen Schulalltags zählte.
Aber nicht nur der traumhaft cremige Schokopudding und die meisterhaft luftigen Profiterols der Cafeteria versüßten mir den Schulalltag. Satori wurde zum Zucker in meinem Kaffee, dem Stevia-Extrakt in meinem Tee und dem klebrigen Honig den man in gehaltvolles griechisches Joghurt mischt. Die Brille mit den trastevere-milchkaffee-braunen Gläsern, die ich in seiner Anwesenheit immer aufzuhaben schien, wirkte sich jetzt nicht nur auf meine metaphorisch-visuelle Wahrnehmung aus sondern gab mir genau den Effekt den ein lauwarmer Latte Macchiato in einem uralten, echtrömischen Café mitten am Rand einer schlechtgepflasterten römischen Straße haben soll: Er belebte mich.
Ich konnte die vollmundige Milch, die starke Röstung der Kaffeebohnen und den himmlischen Milchschaum, dessen Bläschen in meinem Mund einen traumhaft schöne Musicalnummer aus West-Side-Story aufzuführen schienen, zergehen und zerplatzen spüren, und der Kaffee gab mir diesen angenehmen Kick, den mein Leben gut vertrug. Nicht so einen Kick, den man von alle zwei Jahre in ein anderes Land ziehen bekommt, sondern einen der gerade richtig ist um die Lebensgeister wieder zu erwecken, und ihnen ihre Daseinsberechtigung wieder aufzuzeigen.
Ich hörte die knallrote Vespa an mir vorbei tuckern, die ihrem giftig riechenden Abgasen zufolge wohl wieder ein Service vertragen hätte können, und natürlich die römischen Frauen in ihren Kittelschürzen, die von den Balkonen der kitschig-verkommenen Altbauwohnungen mit dem Kochlöffel in der Hand schrien: "Madonna! Che casino! Che bordello! Mamma mia!" Das hörte, roch und fühlte ich wenn ich mit Satori zusammen war. Keine Engelsglocken oder gar irgendwelche Arien, die eine übergewichtige Opernsängerin zum besten gab, sondern eine lärmende Seitenstraßen in einem Stadtteil einer in ihrem Tot so lebendigen città.

Er wurde offener, machte mehr Witze und benahm sich nun auch in meiner Gegenwart des Öfteren so wie er sich auch gegenüber anderen gab: albern, aufgedreht und teilweise unberechenbar. Wie eine Schlange sich häutet, so hatte auch Satori sein Hemd der Schüchternheit und der Zurückhaltung mir gegenüber abgelegt. Er fing an mich zu necken und mich spielerisch zu ärgern. Egal worum es ging oder welche Tollpatschigkeit mir widerfahren war, auf meinen lieben Satori war natürlich Verlass, er hatte immer einen Spruch parat.

Aber nicht nur in dieser Beziehung wurde er sicherer: Auch was unsere Bettgeschichten anging, wurde er von Mal zu Mal sicherer. Sein Mokieren meiner Wenigkeit beschränkte sich zusehens nicht mehr exzeptionell auf meine Unfähigkeit in den einfachen Dingen des Lebens und meine Unbeholfenheit in zahlreichen alltäglichen Belangen, sondern weitete sich auf einen sexuellen Gesichtspunkt aus. Nicht nur einmal bezirzte er mich minutenlang, nur um mich im darauffolgenden Moment als in Fahrt gekommenes Häufchen Erregung zwischen den Lagen meiner Bettwäsche liegen zu lassen. Ständig kamen ihm neue Ideen, einmal fing er während eines Films an mich mehr als nur passioniert zu küssen, packte ordentlich zu und ließ seine Hände und Lippen quer über meinen Körper wandern. Lange brauchte er nicht um mich von seinen Künsten zu überzeugen...
Ein anderes Mal hatten wir unsere schon im Vorhinein zum Scheitern verurteilte Verabredung zum Lernen wegen der lodernden Lunte zwischen uns unterbrechen müssen, da mein Liebster seine Fingerchen, die nicht nur auf dem Volleyballfeld Magisches vollbringen konnten, nicht stillhalten konnte.
Damit will ich nicht sagen, dass es mir nicht gefallen hat! Im Gegenteil, ich konnte meine Euphorie kaum im Zaum halten, wimmerte ihn flehend an, nur um ihn noch weiter anzustacheln und bettelte im Endeffekt förmlich wie eine verdammte Seele seinen jüngsten Richter an sich ihrer zu erbarmen. Ich fühlte mich zeitweise wie feuchter Ton in seinen Händen, weich und zu so vielem formbar.

Unsere bisher "intensivste" Woche (damit meine ich nicht nur den sexuellen Aspekt unserer Beziehung) hatten wir, als Wakatoshi für drei Tage nach Tokyo musste, um mit der U19-Mannschaft zu trainieren. Während dieser paar Tage war er andauernd bei mir, nach der Schule, nach dem Training, über Nacht, einfach immer, wenn sich die Gelegenheit bot. Seinem Zimmergenossen schienen seine Absenzen im Übrigen gar nicht mehr allzu sehr aufzufallen, denn er erzählte nichts mehr dergleichen. Nakamura schien sich augenscheinlich sogar zu freuen Satori für die eine oder andere Stunde los zu sein, aus welchem Grund er auch immer verschwand, das tangierte ihn aller Wahrscheinlichkeit nach nicht.

Mit der Zeit die voranschritt, kam nun auch der Sommer, und die Ferien näherten sich in großen Schritten. Unsere Gemüter wurden entspannter und es stellte sich ein allgemeiner Schlendrian unter den Schülern ein. Ich versuchte so gut es ging bei der Sache zu bleiben und weiterhin mein Bestes zu geben, was mir auch in allen Fächern (außer den Sportkursen, die ich stiefmütterlich behandelte und öfter mal negligierte) gelang. Jedoch wurden Satori und ich unvorsichtiger, und die Laxheit der schulischen Angelegenheiten sollte schon bald unser geringstes Problem sein. Von Woche zu Woche waren wir unbekümmerter, grenzgängerischer Leichtsinn stellte sich ein, und die Guillotine schwebte drohend über unseren Nacken wie damals über dem von Marie-Antoinette. Ich hätte die Menge im Hintergrund schon nach meinem Kopf schreien hören müssen, und hätte all die vorrevolutionären Warnungen bezüglich meiner sonnenkönig-ähnlichen Verhaltensweise nicht einfach beiseite schieben sollen, sondern hätte auf die kleinen Sansculloten in meinem Hirn hören sollen, und ihnen vielleicht Gleichheit, Freiheit, Grund- und Menschenrechte geben sollen. Was tat ich? Ich blieb weiter in meinem gedanklichen Versaille sitzen, jagte meinen Luftschlössern nach und dinierte in meinem spöttisch prunkvollen Spiegelsaal.

Wir wurden unvorsichtig und leichtsinnig, so gaben wir die Bastille frei für den Sturm...

Author's note:

Liebe Leserschaft!

Nach doch immerhin vier Tagen wieder ein (leider sehr kurzes) Kapitel, ab nächster Woche wird wieder mehr kommen, versprochen ;)

Viel Freude damit und habt einen schönen Freitag!

Alles Liebe,

G. <3

Sakura - A Haikyu!! FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt