Kapitel 41

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Tendous PoV

Ich glitt über den grünlichen Linoleumboden durch die Gänge des Wohnheims wie ein Eisschnellläufer und konnte mit Müh und Not ohne ein allzu ausführliches Tête-à-Tête mit der Wand vor meiner Zimmertüre anhalten. Es blieb wirklich absolut keine Zeit.

Ich riss die Türe auf, erblickte Nakamura und hob warnend den Finger. "Denk auch nicht nur eine Sekunde daran jetzt mi irgendwelchen Kaffeeklatsch-Fragen daher zu kommen! Für so einen Blödsinn habe ich jetzt wirklich überhaupt keine Zeit, also nerv nicht!", mahnte ich ihn einem gerade genug bedrohlichen Ton. Wenn ich ihm jetzt die Chance geben würde mich auszufragen, hätte ich keine Ruhe mehr. Ausnahmsweise verstand der Fischkopf und verkniff sich seine spitzfindige Bemerkung bis ich ihm wieder den Rücken zugekehrt hatte. Subtil vernahm ich aus der Richtung des Schreibtisch ein ätzendes Flüstern: "Für etwas anderes hast du aber anscheinend mehr als genug Zeit gehabt..."
Natürlich stieg mir die Galle auf, und am liebsten hätte ich ihn auf der Stelle zur Schnecke gemacht, ich verkniff mir aber jede überflüssige Interaktion und brummte nur in mich hinein.

Und dann rannte ich.

Wobei zu behaupten, dass ich einfach nur gerannt wäre wohl maßlos untertrieben gewesen wäre. Eigentlich hatte ich mehr das Gefühl über den Boden zu schweben. Unterwegs schnellte ich an Wakatoshi vorbei, der dem Vibrieren in meiner Hosentasche zu urteilen nach zum etwa fünfzigsten Mal versuchte mich anzurufen, und rief, spitzbübisch wie ich war mit einem auffordernden Grinsen: "Na los Wakatoshi, wir haben keine Zeit zum Faulenzen!"

Vor dem Bus wartete Washijo, als ich seinen Gesichtsausdruck sah, hatte ich zur Abwechslung mal wirklich ehrlich Angst vor etwas bzw. jemandem. Ich verbeugte mich so tief, dass ich den Grashüpfern beinahe ihr Revier streitig gemacht hätte, und glaubte in jedem Moment die dreckige Fußsohle des Alten auf meinem Hinterkopf zu spüren, aber es geschah nichts dergleichen. Im Gegenteil, er sagte gefährlich ruhig (das passte aber auch wirklich gar nicht zu ihm): "Wir reden über deinen erneuten Fehltritt, wenn wir wieder da sind. Jetzt konzentrierst du dich aufs Spiel." Ich erhob mich und nickte ehrfürchtig. Bevor ich jedoch in den Bus einstieg, setzte er hinzu: "Du machst zur Strafe hundert Aufschläge, läufst dreißig Sportplatzrunden und legst zehn Mal zwanzig Liegestütze ab." Natürlich musste ich zur Bestrafung irgendetwas sportliches machen, wäre ja sonst langweilig gewesen...

Im Bus ließ ich mich auf einen Sitz im hinteren Bereich fallen, und schloss kurz andächtig die Augen. Ich spürte die Blicke meiner Mitspieler auf mir ruhen, und fragte ohne meine Glupscher auch nur einen Millimeter weit zu öffnen: "Was glotzt ihr mich denn so an?" Ohira war der erste der das Wort ergriff: "Warum kommst du so spät, Tendou? Wir hätten schon vor einer viertel Stunde wegfahren sollen, jetzt verschiebt sich alles."

Die Wahrheit war keine Option, die Masche, die ich bei Nakamura angewandt hatte, würde hier zu absolut gar nichts führen. Trocken erwiderte ich: "Hab verschlafen."

"Und warum warst du dann laut deinem Zimmergenossen die ganze Nacht weg?", ich vernahm Semis Stimme unmittelbar neben mir. Seufzend öffnete ich meine Lider ein Stück und antwortete: "Nakamura will mich nur eine Runde durch den Kakao ziehen, der labbert viel, wenn der Tag lang ist. Ich war eine Runde laufen und hab... nachgedacht." Das stimmte ja teilweise, immerhin hatte ich nachgedacht.

"Und warum sagst du dann du hättest verschlafen?", nun mischte sich auch noch Taichi ein...

"Weiß nicht... Ist so eine Art Reflex...", im Nachhinein betrachtet wohl eine der dümmsten Antworten, die ich je von mir gegeben habe.

Als auf einmal nichts mehr kam, wusste ich, dass es nun ernst geworden war: Wakatoshi war eingestiegen, und steuerte nun geradewegs auf mich zu. Der Rest der Mannschaft wandte sich ab, tat so als hätten sie mich nicht schon gelöchert und ließen den Kapitän werken.

"Tendou?"

"Wakatoshi?"

"Warum bist du erst so spät gekommen? Ich habe dich den ganzen Morgen lang gesucht", als ich zur Seite schielte, durchstach mich sein Blick wie eine frisch geschliffene Machete.

"Ich war joggen, hab nachgedacht..."

"Worüber?"

"Gott, die Welt, das Spiel, meine Zukunft,...", unterbewusst fügte ich hinzu: 'Deine scharfe Cousine, mit der ich nun schon die zweite Nacht verbracht habe, die in meinem Arm eingeschlafen ist, und die ich wirklich gern habe...'

"Kannst du jetzt mit dem Getue aufhören und mir mal sagen, was dein Benehmen soll?"

"Es soll gar nichts... Es tut mir leid, es kommt nicht wieder vor, versprochen."

"Das hast du gestern auch schon gesagt, und dein Versprechen hast du schon heute gebrochen.. Wie soll dir das Team auf dem Spielfeld vertrauen, wenn du nicht einmal fähig bist pünktlich zu sein?"

Stille, darauf hatte ich weder Konter noch Antwort, denn Wakatoshi hatte recht. Als ich eine Antwort verweigerte, seufzte er entnervt. Dann weiteten sich seine Augen und er fragte:" Warst du etwa bei einem Mädchen?"

Nun war ich hell wach.

"Wie kommst du denn darauf?"

"Du riechst nach Parfum, Tendou, nach Frauen-Parfum.... Grace benutz ein ähnliches, ich kenne den Duft", herausfordernd kniff er seine Augen zusammen. Auch der Rest der Mannschaft hatte sich jetzt wieder an zu mir gewandt. So gelassen wie möglich erwiderte ich: "Na und wenn schon, du kennst sie sowieso nicht.." Mein Gott was war ich für ein Team-Kamerad, dass ich ihn so anlog! "Du kennst sie sowieso nicht...", nein, du bist nur blutsverwandt mit ihr, sonst gar nichts!

Überraschenderweise gab er sich augenscheinlich für Erste damit zufrieden, denn er erhob sich und setzte sich neben Ohira, ohne ein weiteres Wort mir gegenüber zu verlieren. Ich erhob mich und tat was die Pflicht von mir verlangte: "Jungs, es tut mir leid. Ich kann verstehen wenn ihr sauer seid, und mir nicht vertraut, da ich mein Versprechen von gestern nicht mal vierundzwanzig Stunden lang halten konnte, aber mehr als mich zu entschuldigen kann ich auch nicht machen."

Keiner antwortet, Semi nickte, wenn auch widerwillig, Wakatoshi wandte sich zu mir um und Taichi ließ sich neben mich fallen um mit dem Ausfragen über meine sagenumwobene angebliche weibliche Bekanntschaft anzufangen.

Das Schlimmste hatte ich wohl hinter mir....

Sakura - A Haikyu!! FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt