Kapitel 68

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Tendous PoV

Erinnert man sich allgemein noch an die beiden Möglichkeiten die ich im Bezug zu meiner Beziehung zu Sakura genannt hatte, und welche mir zur Verfügung standen? Ja? Nein?
Nun, zur Wiederholung und um uns allesamt auf den gleichen Stand der Dinge zu bringen, es gab genau zwei, nicht mehr und nicht weniger. Ein Schlupfloch, oder gar eine "Lösung mit der alle zufrieden sind" gab es nie. Die erste Variante, die ich zu Anfang auch eher ins Visier genommen hatte, war die allgemeine und gänzliche Verdrängung Sakuras aus meinem Leben, meinen Gedanken, meinen Erinnerungen (sollte dies zur ebenso zur Auswahl stehen), also das allseits wohlbekannte "Festplatte-Löschen". Egal wie, irgendwie, sagte ich mir zu Beginn jedenfalls, würde ich das schon hinbekommen, und endgültig fähig sein sie zu vergessen. Und dann natürlich die zweite, die ich hier nur aus Gründen der Sinnhaftigkeit und des Zusammenhangs wiedergebe, welche für den logisch und rational denkenden Menschen, der maßstabsgetreu und objektiv sorgfältig handelte um so jeden weiteren gröblichen Zwischenfall, der unweigerlich an ein größeres Zerwürfnis gekoppelt sein würde, zu vermeiden, keine Option gewesen wäre. Letztgenannte beinhaltete die Konstellation, dass ich mich endlich gegen diese schrecklich schräge Familie und ihren mittelalterlichen Kontrollzwang, der einer durchsetzen würde, und sozusagen "nehmen würde was mir gehörte", nur um sich so auszudrücken, dass sie es vielleicht auch auf irgendeiner Ebene verstehen konnten. Kurzum: Zu meinem Mädchen zurückkehren, um jeden Preis eine Lösung, oder zumindest einen Ansatz, finden, und dem ganzen eine neue Chance geben. Mir war klar, dass sie mich noch immer gern hatte, und wohl alsbald auch nicht damit aufhören würde, das einzige, was mir ehrlich Sorgen bereitete, war die Möglichkeit, dass sie mich trotz ihrer noch bestehenden Zuneigung trotzdem nicht mehr zurücknehmen würde, was ich ihr in Anbetracht der Vorfälle in keinster Weise verdenken konnte.

Die Möglichkeiten kennt ihr nun nach meiner langen und breiten Auslegung, jetzt gilt es nur noch zu erläutern, in was für einer beklemmenden Situation ich mich befand, und wie sehr ich zwischen den beiden Option hin und her schwankte. Dass ich zwar nach außen ein ziemlich schräger und eigentümlicher Kerl bin/war, und mich diese Eigenschaften nicht für jeden zugänglich gemacht haben, muss ich, so meine ich zumindest, nicht näher erklären, wenn ich jedoch jemanden mal näher an mich herantreten ließ, war es schwer sich von ihm loszusagen, egal in welcher Beziehung ich zu dem Menschen im Endeffekt stand. Deswegen gestaltet sich die erste Option als äußert problematisch, und ich fand partout keinen vernünftigen Weg sie aus meinem Kopf zu streichen. Mit meinen Gefühlen zu Sakura war es wie mit einer Flasche Whisky (ich weiß, ein wahnsinniger passender und unheimlich romantischer Vergleich). Ich hatte sie, in Luftpolsterfolie gewickelt und mit einem metallenen Zylinder umschlossen, verdichte und versiegelt, in eine gläserne Vitrine gesperrt, die ich pittoresk und wunderbar kitschig metaphorisch als "mein Herz" bezeichne. Nun ließ ich sie dort drinnen versperrt, licht- staub und luftgeschützt verwahrt. Die Flasche konnte nun weder zerbrechen, außer man stieß die Vitrine als Ganzes um, noch konnte der Inhalt verdunsten, und an ein Austrinken der Flasche war ebenso nicht zu denken, da ich den Schlüssel zu dem Glasschränkchen verloren hatte (oder hatte ich den Schlüssel der Dame meines Herzens überreicht?). Der Whisky alterte in seiner Flasche, gut geschützt vor jedem äußeren Einfluss, wurde besser, reifer und sicherer was seinen Geschmack und sein Profil als Alkohol anging, weder verging er, noch verdarb er. Meine Zuneigung ist als diese Flasche mit ihrem Inhalt zu verstehen, denn auch sie wurde, egal wie sehr ich auch versuchte sie auszusperren und in einer der finstersten Ecken meiner Selbst zu verbannen und dort in irgendeiner Weise zu verbarrikadieren, nur noch stärker und profilierter. Niemand, außer die, der die Flasche in Wahrheit gehörte, und natürlich mir selbst, war fähig durch die Glasfront durchzudringen.

Ein Ereignis, das ohne Zweifel von ganz grundlegender Bedeutung in diesem inneren, wie auch äußeren stattfindenden Zerwürfnis, und mir signalisierte, dass ich NICHT über sie hinweg kam, war die Nacht in der ich vor ihrer Zimmertür stand, und kurz davor war anzuklopfen.
Es war der letzte Freitagabend der Ferien gewesen, und ich konnte, auch wenn ich noch ganz alleine in meinem Zimmer war, nur schwer einschlafen. Seit sie fort war, schlief ich schlechter als die Teilnehmer des russischen Schlafexperiments, wachte an die 500 Mal nachts auf und war am nächsten Tag so niedergeschlagen wie eine mit der Klatsche erschlagene Fliege. Ich träumte zudem echt wirres Zeug, und fand mich nicht nur einmal am Morgen neben meinem Bett wieder. Am Freitag stand es wieder einmal besonders schlecht um meine nächtliche Ruhe, und nachdem ich etwa eine Stunde lang einfach nur vor mich hindösend in meinem Bett geweilt hatte, weder wach noch schlafend, beschloss ich in meiner schlaftrunkenen Trance zu ihr zu gehen. Alles in mir verzehrte sich nach ihr, ich wollte ihr endlich wieder nahe sein, sie spüren, ihre Stimme hören, sie lachen sehen, nichts und niemand konnte mich in meine Bett halten. Also erhob ich mich, schlüpfte in meinen Kapuzenhoodie, den ich, seit sie ihn das letzte Mal getragen hatte, nicht mehr gewaschen hatte, und den ich schon fast vakuumieren wollte, nur um ihren Geruch daran zu erhalten, und machte mich nur mit der Unterstützung meiner Handytaschenlampe auf den Weg zu ihr, während ich immerzu an dem Pullover schnüffelte.
Dann stand ich vor ihrer Tür und kämpfte mit mir. Meine Hand hatte ich zu einer Faust geballt und ich war kurz davor zu klopfen (es wäre ohnehin sicherer und einfacher gewesen sie einfach anzurufen, aber wo bliebe denn das Drama), als ich plötzlich inne hielt und aus dem Fenster zu meiner rechten sah. Der Mond stand hell am Himmel, und schien sein ganzes silbriges Licht anklagend auf meiner Erscheinung zu konzentrieren, um mir selbst zu veranschaulichen was ich da vorhatte. Nachdenklich blickte ich ihn geradewegs an und dachte nach: Was mache ich hier eigentlich? Warum bin ich nicht in meinem Bett und genieße die Zeit ohne diesen Vollidiot von einem Zimmergenossen? Wollte ich sie nicht vergessen? Fehlt sie mir so sehr, dass ich nicht einmal bis morgen warten kann? Was bin ich für ein verdammter Idiot! Ich will sie doch vergessen! Es geht um so viel mehr als meine oder ihre derzeitigen Gefühle, die vielleicht morgen schon wie weggeblasen sind, dass weißt du doch, Satori! Aaarrrggghhh, was zum Teufel tue ich hier? Kann diese Hexe nicht endlich aufhören in meinem Kopf herum zu spuken? V-E-R-G-E-S-S-E-N! Ich. Muss. Sie. Endlich. Vergessen. Komme was da wolle! Aber ich kann nicht, ich kann sie nicht einfach loslassen.... Ich kann nicht, und ich WILL nicht. Verdammt das war doch bloß eine kurze Oberschulbeziehung was interpretiere ich da so viel rein! Es war nichts, nur ganz kurz waren wir mal ineinander verliebt, das werden wir vergessen und bald darüber lachen können! Genau, das werden wir! Aber was, wenn nicht? Was wenn ich es auf ewig bereuen werde es nicht nochmal versucht zu haben, mich einfach über all die Normen und Regeln hinweg gesetzt zu haben? Werde ich dann glücklich? Oder macht nur Volleyball mich glücklich? Macht sie mich glücklich? Ja... Ich glaube... Nein. Ich weiß es. Kann der Mond endlich mal aufhören mich anzustrahlen wie eine Ballkönigin? Mein Gott! Trage ich eine Schärpe und ein Krönchen oder warum glotzt du mich so vorwurfsvoll an? Ich sollte ins Bett...
Meinen Kopf legte ich nun nachdenklich und niedergeschlagen an ihre Zimmertür. Was hätte ich gegeben jetzt einfach bei ihr anklopfen zu können. Dann hätte sie mich in einem meiner Shirts, das sie als Nachthemd tragen würde, begrüßt, wäre mir freudestrahlend entgegen gesprungen, und ich hätte sie geküsst, sie nachdem ich die Tür zugeworfen habe an die nächste Wand gedrückt und jeden Quadratzentimeter ihrer Haut berührt. Ihr Duft wäre mir in die Nase gestiegen, ihre Haare hätten mich lästigerweise gekitzelt und unsere Zungen hätten wieder um Dominanz gefochten und den Begrüßungskuss in einen der ganz anderen Art umgewandelt. Ihr bzw. mein Shirt wäre gemeinsam mit dem Rest unserer Sachen zu Boden gefallen, und ich hätte neben ihr einschlafen können...
Schlussendlich trieb mich die nächtliche Kälte und die Angst erwischt zu werden zurück in mein Zimmer, wo ich nur noch weiter wach lag.

Auch wenn ich mir nicht sicher war, was auf mich zukam, geschweige denn wie sich meine Zukunft gestalten würde, so wurde mir doch sukzessive, von Tag zu Tag, immer deutlicher von mir selbst vor Augen geführt, dass mein Wille eher der letzteren der beiden Optionen entsprach, ganz gleich wie viele Glasschränke ich zu zertrümmern und an wie vielen Scherben ich mich bei deren Aufsammeln schneiden würde, es fühlte sich tief in meinem Innersten richtig an. Ein leises Stimmchen rief auch schon nach mir, und forderte mich auf den ersten Stein durch die verdammte Front des Glasschranks zu schmeißen, alles, was ich nun noch brauchte, war sozusagen ein Anlass, ja ein Impuls, eine Hand, die dem Stimmchen ein Megaphon gab, damit es mir mal ordentlich um die Ohren brüllte, was ich zu tun hatte.

Der Stein fiel mir zuerst auf den Kopf, dann konnte ich ihn erst werfen.

Sakura - A Haikyu!! FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt