Kapitel 69

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Grace PoV'

Satori und Sakura, Sakura und Satori - im Prinzip waren es nur drei Worte. Drei Worte, zwei Namen und eine Konjunktion, nichts mehr und nichts weniger. Für den objektiven Beobachter eine Trivialität, nichts besonderes, die Namen könnten auf einem Werbeplakat stehen, ein Banner zieren oder in Ringe eingraviert sein, es spielte für den Außenstehenden keine Rolle. Doch diese drei Worte, diese Namen und ihre Nebeneinanderstellung stellten für mich ein Mantra dar, das ich innerlich immerfort wiederholte. Nur das kleine Bindewörtchen 'und', das eigentlich die Funktion innehatte die beiden sinngemäß zu verbinden, trennte sie unweigerlich voneinander und stellte sich zwischen sie. Im Vergleich zu dem, was die beiden Namen und deren Träger in Wirklichkeit von einander fernhielt, waren die drei Buchstaben jedoch ein leicht zu überwindendes Hindernis. Man bräuchte nur einen Radiergummi, einen Stift, einen Tipp-Ex-Roller, dann wäre die Brücke überwunden, und die Namen vereint. Damit ihre Träger auch zueinanderfinden würden, bedurfte es allerdings etwas mehr....

Es waren inzwischen nur noch zwei Wochen bis der Vorentscheid für das Frühlingsturnier in seine erste Runde gehen würde, und die Mannschaft befand sich gemeinsam mit den beiden Trainern mitten in den Vorbereitungen. Von Wakatoshi hatte ich erfahren, dass die Drittklässler für gewöhnlich nach dem Vorausscheid für das Sommerturnier und, wenn sie es soweit schafften, dem Sommerturnier aus dem Team ausschieden und den Rest nachrücken ließen, so zumindest der Usus. Dieses Jahr war es jedoch entgegen der Traditionen und Gewohnheiten anders, und meine Klassen- und Stufenkameraden hatten sich dazu entschlossen noch im Team zu bleiben und an der Seite der Jüngeren den Vorausscheid zu bestreiten. Das war vermutlich auch der Grund, weswegen sie noch härter trainierten als sonst (eine Steigerung hatte ich nun wirklich nicht mehr für möglich gehalten, ich wurde jedoch, wie so oft, eines besseren belehrt) und einen so eisernen Willen an den Tag legten, dass mir teilweise Angst und Bange um die Jungs war. Es ging hier nicht nur um ihren Abschluss und ihre schulische Laufbahn, die logischerweise ebenso ihre Spuren vom exzessiven Training davontragen würde, sondern primär um ihre körperliche und geistige Gesundheit. Wakatoshi war derart verbissen, dass ich ernsthaft darüber nachdachte ihn zumindest am Sonntag an sein Bett zu fesseln, nur damit er sich etwas Ruhe gönnte. Dieser Mann war nicht mehr nur eine Maschine, er war ein verdammter Terminator! Den Grund für sein Streben und seine weit über die Stränge schlagenden Bemühungen kannte, ich bereits: Irgendjemand aus einem gegnerischen Team hatte ihn derart provoziert, dass er es sich in den Kopf gesetzt hatte ihn, sollten sie sich auf dem Spielfeld als Kontrahenten gegenüberstehen, in Grund und Boden zu stampfen.

"Übertreibst du nicht ein bisschen? Es ist Oberschulvolleyball, du klingst so als wärst du drauf und dran einen Ehrenmord zu begehen!", fragte ich ihn als er mir von dem Zusammentreffen mit dem Spieler und dem Ärger den er bekommen hatte, weil er Fremde aufs Schulgelände gelassen hatte, bekommen hatte.

"Das verstehst du nicht, und du wirst es auch nie verstehen. Für mich geht es ums Prinzip", gab er trocken zurück, während er seinen Reis grantig in sich hineinfutterte murmelte er immerzu "Shoyo Hinata, Tobio Kageyama, Shoyo Hinata, Tobio Kageyama", was mir ehrlich zu denken gab.

Satori schien langsam aber sicher, zumindest vor unseren gemeinsamen Freunden wieder zu seinem alten Ich zurück zu kehren. Zwar redeten wir noch immer nicht miteinander, aber es war wieder möglich in der Gruppe gemeinsam Dinge zu unternehmen und ihnen Nachhilfe zu geben, ohne, dass der Rest Verdacht schöpfte. Es entging mir jedoch nicht, wie er mich während des Unterrichts und in den Mittagspausen nicht nur einmal ansah. Stets schien er zu kontrollieren ob ich aß und genug trank, und immer, wenn mir ein Junge zu nah kam oder mir unnötig auf die Pelle rückte, ging er wenn auch mit einem den Respekt und die nötige Distanz wahrenden Abstand beschützend hinter mir drein. Auch wenn die Normalität langsam wieder Einzug hielt, er wieder scherzen und unnötig in der Gegend herumkommentieren, und ich wieder lachen und einigermaßen geordnet weitermachen konnte, so war da stets dieser Scheinwerfer der auf uns gerichtet war.
Lasst es mich folgendermaßen erklären: In Talk- und Quizshows hat man diese Scheinwerfer, riesige Teile, die ein einzelner Mensch kaum alleine halten kann, und mit denen Gäste oder das Publikum von Zeit zu Zeit beleuchtet werden um sie ganz in den Fokus zu stellen, wenn sie eine Frage beantworten oder am Wort sind. Auch wenn es sonst keiner Menschenseele aufzufallen schien, so spürte ich dieses blendende Scheinwerferlicht immer dann auf mir, wenn Satori in der Nähe war. Von irgendwo über unseren Köpfen wurden zwei dieser Monster-Motten-Fänger auf uns gerichtet und stellten uns in den Mittelpunkt des Geschehens, das Licht konnten aber nur wir beide sehen. Für uns gab es, auch wenn wir es uns nicht eingestehen durften oder uns zumindest dazu zwangen es zu ignorieren, immer nur den jeweils anderen der im gleisenden Licht stand. Egal wie weit auseinander wir standen oder ob ich in der einen und er in der anderen Ecke des Raumes saß, zu jeder Zeit war da dieses Licht, das hell auf uns herabstrahlte. Es war sozusagen immer ein Licht am anderen Ende des Tunnels dar, auch wenn der Tunnel verdammt lang war.
Mit solch schwachsinnigen Metaphern wie Engelschören oder der Stimme von Maria Callas, die in meinem Ohr heimlich ihr 'Ave Maria' dahinträllerte, will ich jetzt nicht anfangen, denn diese würden entweder auf eine Persönlichkeitsstörung oder einen weit fortgeschrittenen und wohl ausgebildeten Tinnitus hindeuten. Im übrigen beheimatete mein Oberstübchen schon einen kompletten Zirkus, da war kein Platz mehr für eine Operndiva (was natürlich nicht im entferntesten etwas mit Shizophrenie zu tun hat!).

Zwei Wochen bis zum Vorentscheid, das bedeutete zwei Wochen bis die finalen Spiele in der Oberschule für die Drittklässler losgehen würden und ich erfahren würde, welche Uni mich aufnehmen können würde. In diesen zwei Wochen hatte ich wahnsinnig viel zu tun. Einerseits lernte ich vorsichtshalber für die Aufnahmeprüfungen für Tohoku, Tokyo und Osaka, andererseits hatten wir jeden einzelnen Tag unter der Woche Proben für den Anfeuerungstrupp. Ja, ihr habt richtig gehört ich habe mit diesem Unterfangen weitergemacht, auch wenn es einigermaßen komisch war Satori nach wie vor beim Volleyballspielen zuzusehen, da mich der Klang seiner angespannten Fingern, die einen Ball zu Boden blockten, schlagartig etwa zwei bis drei Monate in der Zeit zurückwarfen, was einerseits ein angenehm nostalgisches Gefühl in mir hervorrief, mich jedoch andererseits unweigerlich und äußerst brutal an die Tatsache erinnerte, dass die Dinge eben NICHT mehr so waren wie noch vor drei Monaten und es vermutlich auch nie wieder werden würden. Ein Teil von mir wollte aber dieses Kapitel nicht abschließen, und vor allem weiter Teil der Anfeuerungstruppe bleiben, das war aus verschiedenen Gründen: Erstens war es mir fremd einfach das Handtuch zu werfen, vor allem nicht aufgrund eines 'Fehlers' den ich nicht zu verantworten hatte. Zweitens spielte Wakatoshi nach wie vor in der Mannschaft und ich ließ es mir nicht nehmen ihn anzufeuern. Drittens weil ich zum Rest des Teams nach wie vor ein freundschaftliches und überwiegend gutes Verhältnis hatte, und ich ihnen zeigen wollte, dass sie meine bedingungslose Unterstützung hatten, und viertens, weil ich die Atmosphäre bei den Spielen immer geliebt habe. Klar, für mich war es mehr oder weniger 'nur' Oberschulvolleyball, an sich nichts weltbewegendes, aber die Stimmung und das Gefühl von Leuten umringt zu sein, die alle aus ein und demselben Grund an diesem Ort versammelt waren, nämlich um UNSER Team, UNSERE Jungs kräftig anzufeuern war unbeschreiblich, ich genoss wirklich jede Sekunde die ich im Stehen mit mindestens hundertfünfzig anderen Schülern zusammen gepfercht Schulter an Schulter in den stickigen Sporthallen der Präfektur Miyagi verbrachte. Irgendwie erinnerte es mich immer an mein zu Hause, die Großstadt London.
Der Grund, den ich nicht genannt hatte, und der auch nicht zu meinen sozusagen offiziellen Gründen gehörte, die ich gegenüber Kuraiko, Haruka und Wakatoshi angab, war selbstverständlich Satori. Wenn ich ihn von der Tribüne aus anfeuerte, konnte ich ohne Bedenken seinen Namen rufen. Ich ließ die Silben wie weiche Butter von meiner Zunge über meine Lippen gleiten und freute mich jedes Mal wenn wir die Zurufe mit den Namen der Spieler übten. Beinahe feierlich schloss ich dann meine Augen und sagte, nachdem ich seinen Namen gerufen hatte, nur für mich alleine ganz leise 'Satori'.
Also machte ich weiter, quälte mich durch die Proben und versprach dem Team von der Tribüne aus mein Bestes zu geben, so wie es auf dem Spielfeld tun würden.

Dann kamen die Spiele, und mit ihnen das Match, das alle Mauern erneut einreißen würde, und alles von Grund auf neu strukturieren würde. Das Aufeinandertreffen zweier Teams und dessen Ausgang würden in Kombination mit den beiden Briefen die ich am D-Day, dem Tag X, dem Jour J. erhielt alles verändern...

Sakura - A Haikyu!! FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt