Wie jeden Abend streife ich meine Highheels ab und seufze erleichtert. Statt in die Schlappen, schlüpfe ich in die kuscheligen Boots, welche ich heute früh schonmal kurz anhatte, um auf dem Weg zum Auto nicht sofort zu erfrieren. Wieso ist es auch so verdammt kalt morgens? Abends erst recht. Tags über komm ich mit Rock und Pumps gerade so noch hin, alles ab und vor sechs Uhr, sowohl in der Früh als auch spät, wird kritisch. Aber darüber sollte ich mich wohl nicht beschweren, der richtige Winter ist nämlich nichtmal angekommen, einige Grade kälter sollte es also im Laufe der Monate noch werden. Ich wickel mich in meinem Schal ein, sogut es geht zumindest. Wahrscheinlich sollte ich mir wirklich mal eine kleine Notfalltasche packen, die einfach in meinem Auto bleibt, samt eines dicken Schals. Zögerlich steige ich aus und treffe als aller erstes auf eine Fütze, weswegen ich mir ein Seufzen nicht verkneifen kann. Wenigstens bin ich zu hause und im trockenen.
Meine Finger legen sich um die weiße Tüte, welche die Boxen von dem Chinaimbis zusammen hält, während ich in der anderen Hand wie so oft meine viel zu schwere und gut gefüllte Handtasche balanciere.
Ich schlage mit dem Fuß die Türe meines Autos zu und laufe langsam zu dem großen, tatsächlich fast schon riesigen, Gebäude.
"Madison, richtig?"
Sofort schaue ich auf und blicke geradewegs in das Gesicht meines Nachbarns. Er kommt mir zuvor und schließt die Türe auf, lässt mich eintreten weswegen ich dankend nicke. Etwas abgenommene Arbeit kommt mir gerade tatsächlich ganz gelegen, in was für einem Chaos das Türe öffnen geendet hätte, will ich mir nämlich nicht vorstellen.
"Wo kommst du so spät noch her?"
"Ziemlich neugierig, hm?"
"Immer."
"Bekomm ich deinen Namen eigentlich auch mal zu hören?",frage ich stattdessen einfach und mustere ihn nocheinmal kurz, weil es im Gegensatz zu letztens hell ist, ich ihn somit besser erkennen kann. Unter seiner eher blassen Haut verziehen sich mehrere Adern auf seinem Handrücken, verschwinden aber an dem Punkt, an dem die schwarze Jacke beginnt. Wie gut das aussieht, muss ich nicht extra noch erwähnen. Ich höre wie er sich räuspert, womit er mich sofort wieder aus den Gedanken reißt. Mein Blick bleibt kurz an seinen wirklich recht vollen Lippen hängen, das ist nämlich tatsächlich das erste, was auffällt, wenn man ihn anschaut, zumindest für mich.
"Isaac."
Wir steigen gemeinsam in den großen Aufzug, also lehne ich mich mit einem erleichterten Seufzen gegen die Wand. Zu Hause. Bald zumindest. In wenigen Minuten.
"Nein, also war im Gericht, musste danach noch was erledigen also ist es etwas später geworden. Mal wieder.",erzähle ich Isaac einfach und zucke mit meinen Schultern. Was solls? Ein paar soziale Kontakte schaden wohl nicht.
"Anklage wegen falsch parkens?"
"Gib mir vier Jahre und ich bring dich dafür hinter Gitter."
"Angehende Anwältin also?"
Ich nicke:"exakt."
"Und wo kommst du her?",stelle ich die Gegenfrage, als sich die breiten Stahltüren des Aufzugs öffnen und uns somit raus lassen.
"War trainieren, Abends ist es oft leerer.",erklärt er schlichtweg.
Isaac macht Anstalt, mir meine Handtasche ab zu nehmen, blickt mich dann aber an, so, als würde er nach Einverständnis fragen, weswegen ich sie ihm entgegen halte und mich dran mache, meine Haustüre auf zu schließen.
"Dankeschön."
"Also dann-"
Ich lächel ihn kurz überfordert an, ziehe dann aber schonmal meine Schuhe aus. Meine Tasche nehmen ich dankend entgegen und stelle sie einfach ab.
"Wir sehen uns?"
"Wir sehen uns.",entgegne ich sofort und winke ihm kurz zu. Weil ich sehe wie er ebenfalls seine Türe auf schließt, lasse ich meine hinter mir zu fallen. Ich streife meinen Blazer ab und lasse meine Jeans folgen. Kurz halte ich im Badezimmer an, um meine Hände zu waschen und mein Makeup erstmal los zu werden. Was gibt es schon besseres, als das? Auch wenn ich mich nichteinmal großartig schminke, es bei einem schlichten Look belasse, erleichtert es mich jedes mal umso mehr, das Zeug abtragen zu können. Langsam laufe ich ins Schlafzimmer und lege die Sachen einfach über den Stuhl, weil ich keine Lust habe, jetzt noch auf zu räumen. Meine Bluse knöpfe ich vollkommen auf, lasse diese, samt meines Bh's, hingegen in den Wäschekorb wandern.
Ich streife mir den rosanen Schlafanzug über und löse meine Haare aus dem ordentlichen Zopf, ehe ich ins Wohnzimmer schluffe und mich auf mein Sofa fallen lasse.
Den Fernseher verbinde ich mit meinem Netflix, um endlich meine Serie weiter schauen zu können. Abgelenkt greife ich nach meinem Handy und entsperre es. Wie jeden Abend informiere ich meine beste Freundin kurz darüber, dass ich zu Hause bin und scrolle durch Instagram. Seufzend beuge ich mich vor und packe mein Essen aus, als ich merke, wie sich der Hunger bemerkbar macht. Es erleichtert mich mehr als alles andere, endlich zu Hause zu sein. Dass ich daran vielleicht arbeiten sollte, ist mir bewusst.
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Maybe.
Teen FictionArbeit. Einer der Hauptbestandteile in Madison's Leben. Die junge Jurastudentin steckt voll und ganz in den Vorbereitungen für das nächste Semester, als sie eines Abends das Haustier ihres Nachbarn auf ihrem Balkon auffindet. Das kleine Kätzchen mac...