Nachdenklich schaue ich die junge Schwarzhaarige gegenüber von mir an. Sie sieht exakt aus, wie letztes Jahr. Vielleicht etwas blasser, aber kaum so, dass es auffallen könnte, ihre eher gebräunte Hautfarbe hat sie wirklich von ihren Eltern. Ihre fast schon pechschwarzen Haare liegen in ordentlichen Locken über ihre Schultern, so, wie fast immer, während ihre gelben Augen mich fragend anblicken.
"Madi."
Kylie blickt mich fragend an und legt ihren Kopf wieder etwas schief, was mich schmunzeln lässt.
"Also. Was machst du hier?",will ich wissen und füge noch ein:"ganz ohne Ankündigung.",hinzu.
Ich trinke an meinem Kakao und lasse meinen Blick kurz aus dem großen Fenster neben uns wandern. Es ist dunkel, kurz nach acht am Abend und dennoch sind die Straßen gut gefüllt. Natürlich sind sie das, es ist Freitagabend und wir sitzen Mitten in New York City. Kylies kurzfristige Nachricht, wohl eher ihr Anruf, ob ich sie denn vom Flughafen abholen könnte, hat meinen Plan, mich mit einer beliebigen Serie und meinen Notizen für die Uni ins Bett zu verziehen, zwar vollkommen um geschmissen, nur eben auf eine gute Art. Ich hab sie genau am dreiundzwanzigsten Januar letzten Jahres das letzte Mal gesehen, ebenfalls am Flughafen, nur damals zu Hause, in Zürich.
"Du weißt, dass ich Design studiere-"
"Das weiss ich.",entgegne ich sofort und nicke. Mit ihren Zwanzig Jahren ist sie genau vierzehn Monate älter als ich, angefangen zu studieren hat sie demnach auch in der Zeit, in der ich noch zu Hause war. Ihr fällt das Studium um einiges leichter, als mir, zumindest war das damals so, wahrscheinlich, weil sie schlichtweg schlauer und teils auch motivierter ist, als ich.
"Ich hab eine Wohnungsbesichtigung und ich- werd mich vielleicht für die Uni einschreiben."
"Also kommst du doch hierher?"
Sie schaut mich an und nickt:"sollte alles gut laufen für zwei Semester."
"Wirklich?"
Wieder nickt sie, weswegen ich zufrieden summe und mich nach hinten lehne, verschränke grinsend meine Arme vor der Brust.
"Wie lange bleibst du?",will ich wissen.
"Vier Tage. Wenn alles klappt, bin ich zum nächsten Semester hin wieder da. Ich bin mir nicht sicher, aber-"
Das ist wirklich eine gute Nachricht. Zu gehen, Zürich zu verlassen ohne Kylie war dann wohl mit abstand die schwierigste Sache. Wir kennen uns sicherlich Zehn, neun Jahre und knapp zwei davon waren wir nunmal zusammen, davon abgesehen waren wir beste Freundinnen, selbst deswegen war es schwierig, zu gehen.
"Welche Uni?",hinterfrage ich und trinke an dem leider viel zu süßen Getränk.
"Parson school. Bewerbung habe ich eingereicht und das Gespräch per Skype lief auch super. Ich denke- alles wird klappen."
"Wohnung?"
"Ich glaube-"
Kylie tippt auf ihrem Handy herum, murmelt währenddessen aber verwirrt vor sich hin, weswegen ich schmunzeln muss.
"Morgen früh- muss ich zur Uni und nach Queens, morgen Abend hab ich eine Wohnung in- Midtown Manhattan und übermorgen irgendwo in Brooklyn. Weiß noch nicht, welche ich nehme."
"Midtown ist zentral."
"Auch schön teuer."
Ich nicke. So ziemlich. Um als Student etwas bezahlbares zu finden muss man leider schon echt Glück haben, sonst kann man sich in die nächste WG quetschen, was nicht immer die beste Möglichkeit ist. Zumindest hab ich nichts gefunden, wo es auch nur einigermaßen sauber, räumlich war, ohne, in regeln zu versinken.
"Dad hat mir meine Kreditkarte gesperrt, mal wieder."
"Das wievielte Mal jetzt?"
"Red nicht davon. Ich weiss nicht, wann er versteht, dass ich erwachsen bin."
Schmunzelnd schaue ich sie an. Mit ihrem Dad die Sache wird sich wohl nie bessern, ganz egal, ob sie in Zürich, in New York oder wo auch immer ist. Nach wie vor scheint ihr genau das aber egal zu sein, zum Glück, normalerweise ist Kylie nämlich recht nah am Wasser gebaut. Sie lebt fast schon darin. Irgendetwas trauriges im Fernsehn? Sie weint. Man erzählt ihr etwas, was nicht ganz so freudig ist? Sie weint. An Geburtstagen und Silvester? Sie weint. Meine Mundwinkel zucken nach oben. Zumindest war das früher so. Damals.
"Ich hab dich wirklich vermisst."
"Ich dich auch. Du hättest mir eher sagen können, dass du her kommst.",entgegne ich und stütze mich auf meiner Hand ab. Meine Laune hätte das in den letzten Tagen auf jeden Fall verbessert, um einiges, denke ich.
"Wusste nicht, ob ich den Flug überhaupt wahrnehmen kann."
"Hm?"
"Wie gesagt; Dad ist wieder am herum ticken, also-"
Verstehend nicke ich. Wirklich logisch, keine falschen Hoffnungen zu machen.
Ich lächel sie still an und seufze. Wenigstens eine gute Nachricht.
DU LIEST GERADE
Maybe.
Teen FictionArbeit. Einer der Hauptbestandteile in Madison's Leben. Die junge Jurastudentin steckt voll und ganz in den Vorbereitungen für das nächste Semester, als sie eines Abends das Haustier ihres Nachbarn auf ihrem Balkon auffindet. Das kleine Kätzchen mac...