Spanien - 1811

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Kanonendonner lag in der Luft. Rauch bedeckte die malerische Landschaft, in der einzelne Gehöfte mit strohgedeckten Steinhäusern zwischen Zypressenwäldchen, Olivenhainen und Weinbergen in die hügelige Landschaft eingebettet lagen, wie Nebel. Vor wenigen Tagen hatten auf den Wiesen noch Hirten Schafe und Ziegen gehütet, aber jetzt waren Menschen und Tiere geflohen oder tot. Die beschauliche Stille war im Kampf um Spaniens Unabhängigkeit dem Donnern der Geschützbatterien und dem Geknatter der Musketen gewichen. Die britische Armee kämpfte als Verbündete der Spanier gegen die Truppen Napoleon Bonapartes. 

Major Richard Latimer tat seine Pflicht. Der ohrenbetäubende Lärm der Schlacht war ihm ebenso wie die Hitze, der schwefelige Gestank des Schießpulvers, der einem in den Lungen kratzte, vertraut. Er stand im Schutz einiger Bäume hinter einer Anhöhe, zu der er seine Kompanien hatte zurückziehen müssen, und wartete auf Befehle. Mit einer ungeduldigen Geste nahm er den schwarzen Zweispitz vom Kopf und strich sich mit der Hand durch das wirre, staubige, dunkle Haar. Dann klopfte er die Kopfbedeckung an seinem Oberschenkel ab, so dass Staubwölkchen aufstiegen, und setzte sich den Zweispitz wieder auf, aber seine Erscheinung wirkte dennoch schmutzig und abgerissen. Das Scharlachrot seiner Offiziersuniform der britischen Infanterie war längst zu einem schmutzigen Dunkelrosa verblichen und der Uniformrock an manchen Stellen geflickt. Die Stiefel waren abgewetzt, die weißen Reithosen grau von Staub und Schmutz, aber seine abgerissene Erscheinung schien ihn nicht zu kümmern. Seine Haltung war soldatisch gerade, seine Statur schlank und hochgewachsen. Er überragte die meisten Soldaten um einen halben Kopf, hatte scharfgeschnittene, wettergegerbte Gesichtszüge und wache braune Augen, die fast schwarz wirken konnten, unter einem Paar wohlgeformter Brauen. Auf den ersten Blick mochte er stolz und respekteinflößend wirken, aber sobald sich seine schmalen Lippen zu einem Lächeln verzogen, was recht häufig der Fall war, wich die Strenge aus seinen Zügen.

Richard Latimer blickte sich zu seinen Soldaten um. Die Männer drückten sich hinter ihm in die Deckung einiger Bäume. Solange sie hier auf neue Befehle warteten, waren sie einigermaßen vor feindlichem Beschuss geschützt. Einer summte ein beliebtes Lied. Die Blicke, die ihm begegneten, waren meist stoisch, manche aber auch furchtsam. Alle waren bemüht, sich vor den Kameraden abgebrüht zu geben. 

Dann vernahm Richard Hufschlag und wandte sich um. Als er den berittenen Boten auf sich zukommen sah, trat er dem Reiter entgegen. Es war ein junger Adjutant auf einem müden Pferd, der schneidig salutierte und ihm, ohne abzusitzen, ein beschriebenes Blatt reichte. Richard erwiderte den Gruß und entfaltete dann den Zettel, während der Reiter sein Pferd wendete und anritt, den nächsten Auftrag auszuführen. Richard kniff die vom allgegenwärtigen Schießpulverrauch tränenden Augen zusammen, so dass an seinen Augenwinkeln feine, von der erbarmungslosen spanischen Sonne gegrabene, Fältchen hervortraten. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und las. Anschließend hob er den Kopf und blickte sich suchend um.

„Captain Shepherd!", rief er mit einer tiefen Stimme, die es gewohnt war, sich im größten Tumult Gehör zu verschaffen.

„Sir!", meldete sich sofort ein schlanker Mann mit haselnussbraunem Haar. Unter der Schmutzschicht, die sein Gesicht und seine Uniform bedeckte, war er ein gutaussehender Mann, auch wenn davon im Moment wenig zu sehen war.

„Wir sollen das Gehöft einnehmen und es halten."

Der Major wies auf eine ummauerte Ansammlung von Gebäuden am Fuße des Hügels. Die Steingebäude waren aus dem beigen Gestein der Region, hatten alle Strohdächer und die solide Steinmauer, die das Grundstück umschloss, war übermannshoch. Die Leute, die dort einst gelebt hatten, mussten einen gewissen Wohlstand besessen haben, sonst hätten sie sich nicht mit solch einer massiven Mauer geschützt, aber sie waren längst vor den Franzosen geflohen, ihre Vorräte geplündert und ihr Vieh geschlachtet worden. Jetzt hielten Franzosen das Gehöft besetzt.

In Love and War - Geheimnis um FerywoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt