• Verräterin •

82 9 0
                                    

Zögernd öffnete ich die Augen und nahm Stimmen um mich herum wahr. Ich hörte, wie Kerem hitzig mit jemanden diskutierte. Den Grund dafür konnte ich nicht erfassen. Mit Mühe richtete ich mich im Bett auf, weshalb die Gespräche verstummten.

„Endlich bist du wach !" , rief Ebru erleichtert und fiel mir um die Arme. „Du hast uns allen Angst gemacht, verdammt."

Wenige Sekunden später bekam ich von einer männlichen Person einen Kuss auf die Stirn verpasst. AmGeruch nach Rauch und leichten Aftershave verstand ich, dass es Kerem war. „Geht es dir gut ?"

Ich starrte teilnahmelos in die Leere und nickte nur. Im Kopf versuchte ich, die Geschehnisse zusammenzuflicken, welche in einem Durcheinander schwebten. Als ich an den Punkt stieß, in dem mein Vater auf Kerem's Frage, wer Felix Webel sei, geschwiegen hatte, verstand ich, wie ich in diese Lage geraten war.

„Du hast dich plötzlich an mir festgehalten und bist kreidebleich geworden. Ich war verwirrt und als du vor mir in Ohnmacht gefallen bist.." , fing mein Bruder aufgeregt an, zu erzählen. „Ich habe so Angst bekommen. Ebru ist am Anfang schon aufgefallen, dass du irgendwas hattest und das war die Bestätigung dafür gewesen. Sollen wir dich zum Arzt fahren ? Die Idioten hier sagen, dass ich übertreibe. Wie findest du das, Schwesterherz ?"

„Mir..Mir geht es gut, Abi. Es war nur der Stress gewesen. Ist Vater..da ?" Als ich ihn erwähnte, verkrampfte sich mein Griff um die Bettlaken. Ich hörte, wie Kerem sich verwirrt räusperte und mir die Hand auf meine legte.

Im Raum herrschte eine Stille, die zum Zerreißen angespannt war. Wahrscheinlich spürten die anderen dieselbe Atmosphäre wie ich und auch, dass etwas nicht stimmte.

„Er ist eben mit Tarik Abi losgegangen, um irgendeine Sache zu klären. Ist etwas ?", entgegnete er zögernd. Bedrückt blickte ich in die Leere und schüttelte bloß den Kopf. Ich fragte mich, ob Vater wusste, dass ich sein Geheimnis kannte.
War er deswegen nicht hier ?

„Siehst du ? Es geht ihr gut, Kerem. Es war nur Stress gewesen. Ein kleines Mädchengepräch und schon wird das wieder. Und jetzt raus hier"

„Was für Stress ?" , fragte Berkan nach. Ich erinnerte mich daran, dass er mich beim Lauschen erwischt hatte. Ob er ahnte, dass hier um Vater ging ?

Ratlos blickte ich auf und brachte es nicht über mich, etwas zu sagen. Ein Klos bildete sich in meinem Hals und so räusperte ich mich nur. Ebru verstand, dass ich mich unwohl fühlte, weshalb sie mit der Zunge schnalzte.

„Ich habe gesagt, dass ich das schon erledige, okay ? Raus jetzt" , meinte sie genervt und schob die Jungs in den Flur. Kerem rief noch, dass wir uns melden sollten, wenn etwas sein sollte.

Ich wischte mir eine Träne aus dem Gesicht, die ich nicht unterdrücken konnte. Mein Vater hatte Mutter umbringen lassen. Durch ihn musste ich mit dieser Erblindung leben. Ob er Schuldgefühle empfand, wenn er sah, dass seine leibliche Tochter durch ihn in dieser Lage war ?

Ebru setzte sich zu mir ans Bett und sagte etwas, was ich überhörte. Vater wollte nicht nur Mutter, sondern auch mich umbringen. Ich war ebenfalls im Auto gewesen und hatte beinahe noch überlebt. Fassungslos ließ ich mein Gesicht in die Hände fallen und schüttelte den Kopf.

„Diese Welt ist schrecklich, Ebru." , wisperte ich schief. Es war kein Traum gewesen, sondern die Realität. Wieso nur ?

Meine Freundin seufzte leise und nahm mir die Hände aus dem Gesicht. „Willst du mir auch erzählen, warum die Welt so ist ?"

Ich lehnte mich zurück und sagte für einen Moment nichts. Allein der Gedanke, warum, ist so absurd, dass ich ungewollt anfangen musste, zu lachen. Mein kahles Lachen erfüllte den Raum und blieb unerwidert. Meine Freundin schwieg, weshalb ich mich langsam wieder zusammenriss.

Feinde liebt man nicht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt