• Die Hochzeit (1) •

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Z Ü L E Y H A

Für die Hochzeit der Öztürks hatte ich mich für ein bodenlanges Kleid in der Farbe grün entschieden. Meinen Haare hatte mir meine Helferin Wellen verpasst und passend zum Kleid ließ ich mir auch die Augenglider bemalen.

„Sie sehen umwerfend aus, Frau Altintas !", schwärmte das Mädchen entzückt, weshalb ich verlegen lächelte.

Zum Schluss zog ich mir hohe Schuhe an und lief dann nach unten, wo mich bereits meine beiden Jungs erwarteten. Ich hörte, wie Kerem laut pfiff und lief dadurch rot an.
„Scheinbar muss ich heute einige Männer krankenhausreif schlagen."

Lachend bekam ich dann von Vater einen Kuss auf die Stirn verpasst und so machten wir uns auf den Weg zur Hochzeit. Dabei wusste ich nicht, dass in dieser Nacht jemand mein Leben auf den Kopf stellen würde.

-

Zusammen mit den Bozkurts, also Berkan's Familie, betraten wir den Saal. Durch den Lärm und das andauernde Berühren von Schultern wurde mir klar, dass es bereits ziemlich befüllt war.

Hiflos versuchte ich zuzuordnen, woher die Stimmen meiner Mitmenschen kamen, doch bei dem ganzen Durcheinander wurde dies nicht gerade einfach. Bevor ich nach ihnen rufen konnte, hatte mir jemand bereits die Hand auf den Rücken gelegt und führte mich so durch den Saal.

„Ach komm, Junge, du bist nicht besser als ich im Boxen. Das wissen wir beide ganz genau." , meinte Kerem provokant, während er an meiner Seite lief. Beruhigt ließ ich mich von ihm leiten.

Berkan lachte laut und ich hörte, wie er ihm auf die Schulter klopfte. „Du kleiner Scheißer forderst mich doch nicht etwa zu einem Kampf heraus ?"

Ich schüttelte über das sinnlose Gespräch den Kopf. Die beiden hatten schon seit ihrer Kindheit einen Dachschaden. Es wunderte mich, dass diese Idioten nicht verwandt waren.

Nach wenigen Minuten des Laufens hielten wir an und ich hörte, wie Kerem einen Stuhl zurückschob. Dankend setzte ich mich auf diesen und legte vorsichtig mein Täschchen auf den Tisch.

Als die Männer anfingen, sich um ihre Geschäfte zu unterhalten und die Idioten neben mir schon eine Diskussion starteten, fühlte ich mich ziemlich einsam. Verlegen spielte ich mit meinen Händen und lauschte der wilden Musik, zu der die Gäste wahrscheinlich tanzten.

Meine Aufmerksamkeit wandte sich dem Tisch neben uns zu, als ich eine junge Frau viel zu auffällig über mich sprechen hörte:
„Ja, das ist diese blinde Tochter von den Altintas's. Ziemlich krass, oder ?"

Ich schmunzelte über ihre Worte. Das ist so ziemlich die erste Reaktion, die Menschen hatten, wenn sie von meiner Blindheit erfuhren.

Daraufhin folgte ein Zustimmen einer weiblichen Stimme, die dann sagte:
„Aber warum ist man als Blinde auf einer Hochzeit ? Ich meine..du kannst doch eh nichts sehen."

„Psst, Dilan ! Sie hört uns gleich noch." , mahnte das erste Mädchen Dilan und strengte sich dabei an, nicht loszulachen.
Mein Schmunzeln erlosch und ich schloss gekränkt die Augen.

Die beiden wechselten das Thema und tratschten weiter über andere Menschen, doch ich war an Dilan's Worten noch hängengeblieben.

Während sie nicht weiter darüber nachdachten, wollte ich am Liebsten meine Tasche nehmen und davonlaufen. Verletzt senkte ich den Kopf und redete mir selbst ein, dass es bloß sinnloses Gerede war.

Plötzlich wurde der Stuhl neben mir zurückgezogen und jemand ließ sich darauf nieder. Sofort stieg in meine Nase ein damenhaftes Parfüm, weshalb ich hoffnungsvoll den Kopf hob.
„Rabia Teyze ?", sagte ich zur rechten Seite gewandt. (Tante)

„Züleyha !", antwortete diese mir erfreut und schloss mich sofort in eine Umarmung ein. Lachend erwiderte ich diese und versuchte, dabei noch etwas Luft zu bekommen. Und schon war mein Abend gerettet.

„Wo warst du denn ?" , fragte ich die Mutter von Berkan gespannt. Sie war eine leicht rundliche Dame mit dem reinsten Herz, das ich je kennengelernt hatte. Rabia Teyze war einfach nur ein Schatz.

„Ach, nur mal kurz mit Freunden quatschen. Ich habe da einige Mütter, die sich für diese Schönheit hier interessieren !", meinte sie amüsiert und kniff mir in die Wange.

Beschämt stieg ich in ihr Kichern ein. Mein Inneres füllte sich mit Wärme und die Worte der beiden Mädchen waren schon längst in Vergessenheit geraten.

„Wer interessiert sich für wen ?" , kam es plötzlich barsch von Kerem, weshalb ich grinsend die Augen verdrehte.

Ich und Rabia redeten noch ein Weilchen miteinander, bis wir beschlossen, auf die Toilette zu gehen. Beim Laufen hakte sie sich bei mir ein und zog mich durch die Menge.

„Erzähl mir, wie die Braut aussieht.", meinte ich neugierig, weshalb Rabia mir auch schon detailliert alles beschrieb. Nach ihren Worten zu urteilen, müsste sie wunderschön aussehen. In meinem Kopf stellte ich mir alles bildlich vor und lächelte.

Ich wusch mir nach dem Pinkeln die Hände und hörte im Hintergrund, wie Rabia urplötzlich von einer Fremden angesprochen wurde :
„Rabia ! Ein Glück, dass ich dich hier finde. Wir brauchen dich hinten in der Küche, unbedingt ! Oh man. Was wären wir nur ohne dich !"

Mit mulmigen Gefühl hob ich den Kopf an und bekam mit, wie Rabia eilig hinausgezogen wurde. Ich hörte, wie sie mir noch entschuldigend nachrief, dass die Jungs mich abholen würden.

Von ihr zu erwarten, dass sie mich lieber zurück zum Platz begleiten sollte, war zu spät. Als ich nach Berkans Mutter rief, war sie bereits verschwunden.

Ich nahm es Rabia nicht übel. Schließlich war sie ja nicht freiwillig mit der ungeduldigen Dame gegangen. Seufzend nahm ich meine Tasche an mich und machte mich auf die Suche nach dem Ausgang.

Natürlich befand sich keiner mehr auf der Toilette, um mir behilflich zu sein. Ich tastete mich vorsichtig an der Wand entlang und stieß dabei versehentlich gegen den Mülleimer.

„Aua."

Nach einigen Versuchen jedoch, fand ich schlussendlich die Türklinke. Nun stand ich zwar draußen, doch viel brachte mir das nicht. Wer weiß, wann die Jungs kommen würden ?

Hilflos krallte ich mich an meine Tasche und hoffte, dass ich, so schnell wie möglich, wieder an meinen Platz kam. Ich bermerkte, dass der Bereich der Toiletten nicht allzu belebt war. Wahrscheinlich lag es daran, das gerade das Essen verteilt wurde.

Ich zählte schon die dritte Minute, doch von beiden Jungs weit und breit keine Spur. Meine Geduld neigte sich zum Ende und während ich hier einsam auf meine menschliche Haltestelle wartete, wurde mir klar, wie abhängig ich von meinen Mitmenschen war.

Ich lachte. Ja, ich lachte mich aus. Denn diese Situation hier, war einfach nur ebärmlich.

Plötzlich hörte ich eine Tür aufgehen. Wahrscheinlich war es die Männertoilette gewesen. Als sich mir langsam Schritte näherten, wollte ich am Liebsten in die Lüfte springen.

Nervös überlegte ich, wie ich den jemand am gescheitesten ansprechen sollte.
Die männliche Person lief nun fast an mir vorbei, bis ich schließlich meinen ganzen Mut packte und rief : „V-Verzeihung ?"

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❤️🧸

Feinde liebt man nicht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt