• Schuldgefühl •

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Y I L M A Z

Auf dem Weg zu den Altintas redete Ömer pausenlos darüber, was ich im Gespräch erwähnen sollte. Mein Blick war auf einen Punkt in der Landschaft gerichtet, die an mir vorbeizog. Ich überhörte die wichtigen Worte und dachte stattdessen an Züleyha.

Ihr verzweifelter Blick, als sie von der Geburtsurkunde erfuhr, hatte mich bis in meine Träume verfolgt. Wahrscheinlich war Züleyha vollkommen bewusst gewesen, dass ich ihr nicht die Wahrheit gesagt hatte.

Ich vertraue dir, Yilmaz. Mehr als allen anderen. Bitte..enttäusch mich nicht.

Verzweifelt schloss ich die Augen. Ihre Worte bohrten sich mitten in mein Herz. Die Tatsache, dass ich sie enttäuschen müsste, fühlte sich unerträglich an. Doch ich konnte ihr die Wahrheit noch nicht offenbaren. Sie würde daran zerbrechen. Und das konnte ich nicht in Kauf nehmen.

„Wir sind in weniger als 1 Minute da." , meinte Emir, der auf dem Beifahrersitz neben Selim saß. Wir hatten darüber diskutiert, ob der ehemalige Chauffeur beim Gespräch dabei sein sollte und hatten uns schließlich dafür entschieden. Etwas Provokation schadet keinem.

Ich richtete mein Hemd zurecht und deutete Ömer an, meine Haare zu kontrollieren. Fürsorglich strich er die falsch sitzende Strähne glatt. „Wird Züleyha bei dieser Sache eigentlich auch eine Aufgabe haben ?"

„Nein." , meinte ich bestimmt und steckte mir die geladene Waffe in den Hosenbund. Züleyhas Arbeit war es nur, mich zu heiraten. Damit würde sie schon genug für mich tun.

Ich sah zwischen den Bäumen das Anwesen der Altintas hervorlugen. Dabei spürte ich, wie ein Funken Aufregung in mir aufflackerte. Als wir in die Straße einfuhren, warteten einige Wachmänner bereits auf unser Kommen. Mir entging nicht, dass sie durch Headsets am Ohr eine Benachrichtigung an wahrscheinlich Hüseyin lieferten.

Das Eingangstor wurde geöffnet, nachdem die Männer für einen Moment gezögert hatten. Scheinbar hatte man auf eine auf eine Rückmeldung Hüseyins gewartet. Wir fuhren in das Revier hinein und dabei spürte ich, wie man mich von allen Seiten aus anstarrte. Dieser Ort hasste mich und ich ihn. Ich wäre froh, wenn das Gespräch so schnell wie möglich vorbei war.

Sie ließen uns um das Haus herum einen Hintereingang passieren, der zum Garten hinaus führte. Ömer lief dicht bei mir und erwiderte die kühlen Blicke, die man uns zu warf.

Ich biss mir auf die Zähne, während wir durch die freie Fläche liefen. Unser Ziel war ein Tisch mitten auf der Wiese, welcher bereits besetzt war. Und ich brauchte keine weitere Sekunde, um zu erkennen, dass der Mann mit den pechschwarzen Haaren Hüseyin Altintas sein müsste.

Neben ihm saß sein Komplize Tarik Bozkurt und gegenüber dessen Sohn, der mich bereits ins Visier genommen hatte. Die Wut in mir schäumte für jeden von ihnen auf eine unterschiedliche Weise. Ich starrte den Hinterkopf von Hüseyin an, welcher sich nicht die Mühe machte, mein Kommen wie die anderen zu verfolgen.

Emir verfinsterte seinen Blick, genauso wie ich, während wir uns dem Tisch näherten. Keiner sprach ein Wort. Die Schritte auf dem perfekt geschnittenen Rasen waren das einzige Geräusch in der erdrückenden Stille.

Ich lief um den Tisch herum und begegnete endlich den eiskalten Augen zum dritten Mal in meinem Leben. Anders als beim letzten Treffen, wusste Hüseyin nun, dass ich Mehmet Karamans Sohn war. Es machte mich wahnsinnig, dass er sich das Recht nahm, mich provokant anzulächeln.

Tarik deutete schweigend auf die Stühle vor uns, auf die ich mich mit Ömer und Emir zusammen setzte. Während ich den Mörder meiner Eltern und auch Züleyhas Mutter nicht aus den Augen ließ, schaute er sich lieber meine Gruppe an Männern an.

Feinde liebt man nicht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt