• Vorfreude •

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„Bist du aufgeregt ?" , fragte Ebru, während man mich für meine zweite Hochzeit vorbereitete. In ihrer Stimme war die Freude zuhören, was mich zum Schmunzeln brachte. Überall eilte man hin und her, um ein Fest zu feiern, was garnicht stattfinden würde.

Ich lächelte ironisch. „Und wie. Wie viel Uhr haben wir ?"

Meine Freundin wandte sich zur rechten Wandseite, wo die Uhr hing. „In 5 Minuten haben wir 10 Uhr. Der Bräutigam müsste also bald auftauchen. Oh man ich freue mich so !"

Ich teilte ihre Aufregung. Nur war der Anlass ein anderer. Schweigend saß ich auf meinem Stuhl. Zwischen all dem Lärm hörte ich die leise Uhr in der Ferne ticken. Es war das Zeichen dafür, dass Zeit kostbar war und sie sich vom schönsten Moment in einen Albtraum ändern konnte.

Kerem war, anders als die anderen, nicht wirklich in Stimmung. Gestern hatte er eine hitzige Diskussion mit Berkan gehabt, wo er versucht hatte, ihn von dieser Vermählung noch abzuhalten. Aus ihrer feurigen Freundschaft war nur noch Asche übrig geblieben. Das Verhältnis von damals war verschwunden, weshalb Kerem sich weigerte, jegliche Unterstützung für die Hochzeit zu leisten.

Mir gegenüber brachte er eine deutliche Kälte an den Tag, was ich ihm überhaupt nicht übel nahm. Was ich mich fragte, war, ob ihn die eigentliche Wahrheit zufrieden stellen würde.

Ebru und die Mutter von Berkan schwärmten über mein engelsgleiches Aussehen. „Ihr werdet einfach perfekt zueinander passen !" , rief Rabia Teyze mit einer großen Ladung an Freude.

Es war meine Freundin gewesen, die Kerem gezwungen hatte, in mein Zimmer einzutreten, um mir seinen Segen und Glück zu vermitteln. Sie verscheuchte die Frauen aus dem Raum und schloss die Tür hinter sich.

So waren es nur noch wir beide, die der Stille ausgesetzt waren. Aus dem Balkon war das Stimmengewirr der Gäste zu hören, die ankündigten, dass der Bräutigam auf dem Weg sei. Ich wurde nervös, da dies für mich ganz andere Dinge bedeuteten.

„Du siehst..schön aus." , meinte Kerem zögernd. Er lief durch das Zimmer und setzte sich auf den Stuhl neben mir. Den Strauß in meiner Hand legte ich achtlos auf den Tisch und bedankte mich.

Trotz dass diese Hochzeit nicht wirklich stattfinden würde, war es eigenartig, mit meinem Bruder dieses Gespräch zu führen. Unter normalen Umständen wäre ich wohlmöglich vor Emotionen in Tränen ausgebrochen. Damals hatte ich mir vorgestellt, wie wir uns dabei umarmten und er mich dabei warnte, mich nicht wegen irgendeinem Idioten zu vergessen.

Kerem berührte mich am Kinn und drehte ihn in seine Richtung. „Wieso will ich nicht glauben, dass du ihn liebst ?" , fragte er mich mit einem Hauch an Hoffnung. „Ich kenne dich doch, Züleyha. Du bist keiner dieser Frauen, die so einen Antrag akzeptieren würde. Was versteckst du vor mir verdammt ?"

Mein inneres Ich schrie förmlich danach, ihm alles zu erzählen. Stattdessen nahm ich seine Hand in meine und meinte: „Ich werde dir in kurzer Zeit noch zeigen, was die Wahrheit ist, okay ? Ich hätte mir gewünscht, dass du es schon eher verstanden hättest."

„Du liebst diesen Idioten also wirklich ? Züleyha, ich verstehe es einfach nicht. Als dein Bruder spreche ich offen aus, dass ich enttäuscht von dir bin." , entgegnete Kerem frustriert.

Sanft strich ich ihm über die Handfläche. Dass er meine Worte verkehrt interpretierte, brachte mich zum Lächeln. „Warte doch einfach ab, Bruderherz. Du wirst verstehen. Ob du mit der Antwort aber glücklich sein wirst, ist eine andere Sache. Ich kann dir nur eins sagen: Alles hat einen Grund."

Bevor wir uns aus den Augen verloren, zog ich den wichtigsten Mensch in meinem Leben in eine innige Umarmung. Kerem war genauso ratlos wie zuvor und konnte nur widerwillig seine Arme um mich legen.

Feinde liebt man nicht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt