• Verdauungsproblem •

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Als ich Zuhause ankam, waren Ebru's Eltern bereits fort. Ich lief zum Wohnzimmer und hörte, wie der Fernseher lief. Durch das Schmatzen einer Person war mir klar, dass nur Vater hier war und Kerem wahrscheinlich in seinem Zimmer sein musste. Sonst wäre es nämlich nicht so still gewesen.

Lautlos wollte ich mich weiter zu den Treppen bewegen, um jegliche Konversation zu vermeiden. Nach all den Geschehnissen war Vater der letzte, mit dem ich sprechen wollte. Außerdem musste ich mir erst Kerem vorknöpfen.

Meine Pläne wurden jedoch zunichte gemacht,als Vater nach meinen Namen rief. Seine eiserne Stimme hallte durch den Raum und erreichte schließlich meine Ohren, wodurch ich erstarrte.

Instinktiv nahm ich mein Täschchen enger an mich, als würde er bereits wissen, was sich drin verbarg. Aus Erinnerungen heraus wusste ich, dass Vater's starrer Blick wie eine Röntgenmaschine war. Während ich spürte, dass er mich ansah, konnte ich nicht verhindern, dass meine Atmung sich verschnellerte.

Ich lächelte schwach, um möglichst keinen Verdacht zu schöpfen. „Ja ?" , fragte ich langsam und trat einen Schritt auf ihn zu.

„Setz dich" , hörte ich ihn nur sagen. Mein Lächeln versteifte sich und doch hielt ich es bei. Ich gehorchte meinem Vater, ließ die Tasche dabei aber zurück.

Mein Bein berührte das Sofa, weshalb ich mich geräuschlos darauf niederließ. Ich faltete die Hände aufeinander und wartete so mit rasendem Herzen auf seine kommenden Worte.

Auch wenn Vater wahrscheinlich mit mir bloß über Kerem und Ebru sprechen wollte, konnte ich das mulmige Gefühl in mir nicht verhindern. Es fühlte sich an, als würde ich ihn hintergehen und eigentlich hatte ich dies ja heute wirklich getan.

Im Fernseher liefen die Nachrichten. Der Moderator übertönte mit seinen Worten die Stille hier im Wohnzimmer. Trotzdem wurde die kühle Atmosphäre um uns nicht wärmer.
Vater trank den Inhalt seines Glases aus und stellte es darauf mit einem leisen Keuchen auf den Tisch.

Dabei spielte ich mit meinen Fingern rum, weil ich sonst nicht wusste, was zutun war. So war es nämlich immer mit Vater. Neben ihm konnte ich mich nie vollkommen wohl fühlen.

„Du weißt wahrscheinlich schon von der Sache mit deinem Bruder, also komme ich sofort zur Sache." , fing er verdrossen an und wartete dabei nicht auf eine Bestätigung. „Klär' das, verstanden ? Ich habe mir gestern durch Karaman schon einen guten Partner verloren. Die Tas's dürfen wir nicht auch noch wegen dem Kindergarten gehen lassen."

Ich biss mir ärgerlich auf die Zähne. Das einzige, was ich dazu erwiderte, war ein leichtes Nicken. Darauf hörte ich Vater die Füße auf den Tisch legen und den Kanal wechseln. Die Stimme des Moderator's verschwand und so auch der letzte Halt, der mich dies hier aushalten ließ.

Ich erhob mich bedrückt und machte mich auf dem Weg zu Kerem. So war mein Vater eben. Es kümmerte ihn nichtmal, wie ebärmlich die Beziehung zu seinen eigenen Kindern war.

Nie hatte ich verstanden, wieso er uns so behandelte. Auch wenn mir, wie jetzt, diese Frage auf der Zunge brannte, wagte ich es nicht, sie zu stellen.

Ich tastete mich an der Wand ab und griff schließlich nach meiner Tasche, die ich daneben liegen gelassen hatte. Vielleicht war es das, was mich daran hinderte, Vater von Yilmaz zu erzählen. Er hatte nichtmal den blassesten Schimmer von den Problemen seiner Kinder.

Ich unterdrückte die aufkommenden Tränen und wollte auch schon das Wohnzimmer verlassen, bis Vater mich noch fragte: „Wer hat dich nachhause gebracht ?"

Augenblicklich war der Groll auf ihn vergessen. Mich überkam die Angst und dabei krallte ich mich an meine Tasche, als würde er sie mir wegnehmen und reinschauen wollen.

Feinde liebt man nicht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt