• Bitter •

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Z Ü L E Y H A

Eine Waffe wurde entladen. Ich vergaß, zu weinen und erstarrte. Berkan's Hand an meinem Gesicht war erforen. Die Zeit blieb stehen.

„Nimm deine Finger von Züleyha und verzieh dich. Ich würde dir nicht raten, dich mit mir anzulegen." , hörte ich Kerem Altintas sprechen. Er berührte mich am Arm und zog mich zu sich, ohne davon abgehalten zu werden.

Ich war immernoch in einer Schockstarre gefangen. Berkan hingegen war bereits erwacht und fragte fassungslos: „Was..Was zur Hölle machst du hier ? Wie hast du mich gefunden ?"

Kerem. Kerem war hier. Mein Herz schlug auf Hochtouren. Ich war verwirrt, aber auch unglaublich glücklich. Mit meinen Händen ergriff ich seine und er ließ zu, dass ich sie fest umklammerte. Selbst die winzige Narbe an seinem Daumen aus der Kindheit konnte ich fühlen. Er war es. Kerem war wirklich hier.

„Ich sage es nicht noch einmal. Verschwinde, bevor ich dich in Stücke zerteile !" , bellte die zornige Stimme meines Bruders Berkan an. Uns schlossen sich weitere Menschen an und ich vermutete, dass es Verbündete waren.

Die Atmosphäre änderte sich. Kerem strahlte eine Macht aus, die den Widerling Berkan zur Fliege machte. Ich hörte ihn zurückgehen. Ein Schnalzen als Zeichen der Niederlage ertönte. „Du machst einen großen Fehler, Kerem." Und darauf war nur noch zuhören, wie Berkan wahrlich das tat, was Kerem ihm befahl.

Verblüfft lausche seinen Abgang. Schließlich drehte ich mich zu meinem Bruder um, der schweigend auf mich hinabblickte. Ich erwiderte seinen Blick und wusste für einen Moment nicht, was ich sagen sollte. Tausend Dinge gingen mir durch den Kopf und doch schaffte ich es nicht, eine davon auszusprechen.

Kerem ließ meine Gedanken verstummen, indem er mich plötzlich in die Arme zog. Ohne weiter zu zögern erwiderte ich die Umarmung kräftig. Mein Herz sank in sich zusammen. All die Last fiel mir von den Schultern ab. Ungewollt fing ich an zu weinen, und dieses Mal nicht aus Trauer, sondern aus Erleichterung.

„Shht es ist vorbei. Dein Bruder hat dich gefunden." Es war wirklich vorbei. Von Berkan war jede Spur weg. „Wir müssen verschwinden. Na los."

Und damit führte er mich aus dem Flughafen hinaus. Wäre Kerem nicht da gewesen, würde ich nun in einem Flugzeug Richtung Leipzig sitzen. Allein der Gedanke daran verdrehte mir den Magen. Es war aber Kerem's Hand um meine, die mir zu verstehen gab, dass ich in Sicherheit war. Doch war das wirklich so ? Ich wusste nichtmal, auf wessen Seite Kerem stand.

Unsicher ließ ich mich von ihm zu einem Auto bringen. Als er mir auffordernd die Tür hinhielt, zögerte ich. „Wie hast du mich gefunden ? Woher weiß du hiervon Bescheid ?" , fragte ich ihn mit einem Hauch an Skepsis. Einerseits schämte ich mich, ihm auszudrücken, dass ich meinem Bruder nicht vertraute. Andererseits spürte ich eine Unruhe in mir aufkommen.

„Ich habe dich und Yilmaz nach Istanbul verfolgt. Dass ihr in Hüseyin's Haus einbrechen wolltet, weiß ich. Und auch, wie du entführt worden bist. Ich habe euch Rund um die Uhr beobachtet. Es war nie mein Plan gewesen, mich zu zeigen. Als..Yilmaz aber nicht zur Rettung kam, musste ich dich aus der Patsche befreien." , erzählte er. Mir entging nicht, wie spöttisch er über meinen Mann sprach. „Kommst du endlich ?"

Ich trat einen Schritt zurück. „Sag mir zuerst, auf wessen Seite du stehst."

Kerem lachte trocken. „Glaub mir Züleyha, nach allem was ich erfahren habe, will ich nirgendwo hinzugehören. Ich habe nur meine Schwester gerettet und das war es auch schon. Lass mich dich zu Yilmaz bringen-"

„Warte !" Bevor er in den Wagen steigen konnte, griff ich nach seinem Arm. „Was..Was weißt du denn ?" Die Frage kam nur zögernd von meinen Lippen. Ich dachte an unsere Verwandtschaft, dachte an Mutter's Tod, an die Karamans und dabei spürte ich, wie mir schwer ums Herz wurde.

Er sprach meine Gedanken laut aus, indem er mir die Wahrheit ins Gesicht schlug: „Das, was du auch weißt. Dieser Bastard hat Mutter umgebracht, nicht der ausgedachte Unfall. Und ich..ich weiß auch, weshalb."

An uns fuhren einzelne Autos vorbei. Der tobende Wind schlug uns entgegen. Auch wenn ich mich fragte, woher er das wusste, war dies nun nebensächlich. All die Jahre waren eine Lüge gewesen. Ich schluckte schwer und spürte, wie sich ein Kloß um meinen Hals bildete.

Kerem wusste, dass ich ebenfalls nicht ahnungslos war. Vielleicht lag es an meinem Blick, der die Lüge widerspiegelte. „Du bist meine Schwester, Züleyha. Es ist mir scheiß egal, ob wir nicht dasselbe Blut in uns tragen. Wir gehören zusammen.", meinte er bestimmt. Seine Hand griff nach meiner, während ich erneut anfing, zu schluchzen.

„W-Wessen Kind bist du dann ? H-Hüseyin's ?" , wisperte ich deprimiert. Es fühlte sich so unrealistisch an.

Kerem seufzte leise und wusste nicht, wie er die Frage beantworten sollte. Schließlich tat er es und ich wünschte mir, dass er es niemals getan hätte: „Es gibt Vieles, das ich noch erfahren muss. Was ich bis jetzt weiß, ist, dass Hüseyin nie mein leiblicher Vater gewesen war. Meryem Altintas war genauso wenig mit mir verwandt."

Ratlos blickte ich zu ihm hoch. Hinter uns hielt plötzlich ein Auto kreischend inne, was unsere Aufmerksamkeit darauf richten ließ. Türen wurden zugeschlagen und mehrere Schritte traten auf den Boden.

Es war diese eine Stimme, die meine Welt zum Stehen brachte. „Züleyha !" , rief Yilmaz Karaman durch die Luft und traf mich damit mitten ins Herz. Mir wurde warm und kalt zugleich. Er war gekommen. Yilmaz war für mich hierher gekommen. „Lass meine Frau los, oder ich schwöre dir, dir hier und jetzt eine Kugel durch den Kopf zu feuern !"

Panik breitete sich in mir aus. Kerem hingegen schien die Drohung nicht zu stören. Stattdessen legte er Holz ins Feuer, indem er sich an mein Ohr lehnte.

„Anscheinend ist dein Prinz ja doch gekommen. Es gibt aber noch etwas, was du über ihn wissen musst, Züleyha Karaman." , sprach er mir so leise zu, dass nur ich es hören konnte. Mir gefiel sein Ton nicht. Ich hörte, wie Yilmaz auf uns zukam, wie Waffen gezückt wurden.

Kerem nahm sich noch den letzten Moment, um mir ein letztes Mal die Wahrheit entgegenzuschleudern. „Dieser Mann dort ist höchstwahrscheinlich mein Bruder. Das sagt mir nämlich die Geburtsurkunde in Vater's Tresor. Ich bin ein Karaman, Züleyha. Ich erzähle dir das, weil ich genau weiß, dass du es ihm nicht sagen wirst. Bis bald, Schwesterherz."

Mit diesen Worten ließ er mich alleine stehen. Ich schloss die Augen. Vorsichtig fasste ich nach meinem Herz, das anfing, höllisch zu schmerzen. In mir brach die Welt zusammen.

Ich bin ein Karaman, Züleyha.

Die Last auf meinen Schultern wurde unerträglich und so ließ ich mich fallen. Bevor ich auf den Boden landen konnte, fing Yilmaz mich auf. Ich landete in seine Arme, die mich aus dem tobenden Ozean der Welt, des Lebens retteten.

„Scheiße Züleyha endlich habe ich dich. Ich bin gestorben vor Sorge !" , hauchte er mir entgegen. Einzelne Tränen umrandeten mein Glid. Ich spürte, wie er mir seine weichen Lippen auf die Haare presste.

Und doch konnte ich mich nicht freuen. Ich schloss bitter die Augen und ließ zu, wie mein geliebter Mann mir auf die Wangen küsste. Dies verschlimmerte alles nur noch, machte alles schwerer als es schon war. Ein Wimmern entfuhr meinen Lippen.

Yilmaz war ahnunglos damit beschäftigt, weiter Küsse auf mir zu verteilen. Er sprach mir schöne Dinge zu, die ich nicht wirklich wahrnehmen konnte. Ich dachte an Kerem und seine Worte. Sie hallten in meinem Kopf umher und je länger ich über sie nachdachte, desto schlimmer wurde es um mich.

Ich erzähle dir das, weil ich genau weiß, dass du es ihm nicht sagen wirst.

Er hatte verdammt nochmal Recht. Wie könnte ich meinem Yilmaz dies verraten ? Nun verstand irgendwo, warum er auch mir meine Identität verschwiegen hatte. Doch das hier war weitaus schlimmer. Wie sollte ich diese Last auf meinen Schultern tragen ?

"Warum flackern deine Augen, mein Engel ?", hallte Yilmaz Stimme aus der Ferne. Plötzlich fiel ich und diesmal konnte mein Mann mich nicht retten. Denn er hatte nicht die leiseste Ahnung von den Schmerzen, die ich in mir trug. Nun hörte ich Panik aus ihm heraus. „Ömer irgendwas ist schief. Hey, Züleyha ! ZÜLEYHA !" Und schließlich wurde mir Schwarz vor Augen.

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SCHOOOOOOCK🥶🥶🥶🥶🥶

Feinde liebt man nicht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt