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Z Ü L E Y H A

Berkan war genervt davon, wie ich in das Klebeband schrie. Deswegen zog er es mir harsch von den Lippen, worauf sie anfingen, zu brennen. „Was zur Hölle willst du ?" , zischte mich der Widerling aggressiv an und dabei spürte ich, wie mir sein Speichel ins Gesicht flog.

Durch den höllischen Schmerz am Mund, brauchte ich einen Moment, um mich zu sammeln. Mir waren Tränen in die Augen gestiegen und doch raffte ich mich zusammen, um nach Antworten zu suchen: „Sag mir, was mit Kerem ist"

Der junge Mann starrte mich stumm an und ich erwiderte den Blick. Mein Herz schlug mir rasant gegen die Brust, denn ich wusste, dass nichts Gutes geschehen war. Es war schon eine Ewigkeit her, seitdem ich meinem Bruder begegnet war. Oder sollte ich eher Stiefbruder sagen ? War er eigentlich auch der Sohn von Mutter ? Ich war verwirrt und wusste nicht, an was ich zuerst denken sollte. Das alles war doch absurd.

Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf Berkan, der mit der Zunge schnalzte. Er schwieg darauf, als müsste er sich gut überlegen, ob es sinnvoll war, mich in die aktuelle Lage einzuweihen. „Er ist verschwunden." , erzählte er mir schließlich.

„Ver..Verschwunden ?"

„Genau. Nach der Hochzeit, kurz nach deinem tollen Abgang. Es gab eine Auseinandersetzung zwischen uns allen, weil Kerem nicht akzeptieren konnte, dass seine kleine Schwester eine Verräterin war. Und dann war er plötzlich mit Ebru weg. Wir wissen immernoch nicht, wo er steckt. Der Vollpfosten ist nochmal ein ganz anderes Problem, mit dem wir uns schlagen müssen. Und das alles nur deinetwegen."

Ich ignorierte seine Anschuldigung. Baff starrte ich in die Leere und versuchte zu verstehen, was Kerem als auch Ebru dazu gebracht hatte, aus der Bildfläche zu verschwinden. Was war da nur los ?

Meine Gedanken wurden durch Berkan unterbrochen, der spöttisch hinzufügte: „Ich kann dir nur eins sagen, undzwar, dass dein Vater nicht wirklich glücklich über die Situation ist. Sei gefasst darauf, dass er, wenn wir wieder in Leipzig sind-"

„Nenn ihn nicht meinen Vater. Er heißt Hüseyin." , unterbrach ich den Jungen in einer festen Stimme. „Dieser Mann ist nicht mein leiblicher Vater, aber das wisst ihr ja alle bereits."

Berkan schwieg. Ihn hatte die plötzliche Wahrheit sichtlich verblüfft. Und doch schien er wahrlich bereits von Allem Bescheid zu wissen: „Also hat Karaman dir davon erzählt ?"

Mein Herz zog sich zusammen. Yilmaz wusste es also auch. Dabei hatten wir uns doch versprochen, nichts voneinander zu verbergen. Plötzlich fielen mir Selim's Worte ein, die er mir damals mal über den Grund des Unfalls gesagt hatte.

Ich sollte nicht der sein, der dir den Grund verrät. Lass es Yilmaz tun.

Enttäuschung breitete sich in mir aus. Du wusstest es, und doch hast du mich in dieser Lüge weiterleben lassen. Berkan schien noch auf eine Antwort zu warten, also zischte ich nur: „Nein. Ich habe das Video gesehen."

„Welches Video ?"

Ich zog die Augenbrauen in die Höhe und verstand, dass Berkan doch nicht über alles Bescheid wusste. Wahrscheinlich hatte man ihm nur erzählt, dass Hüseyin nicht mein Vater war. Dass er deswegen Meryem Altintas umgebracht hatte, war ihm verschwiegen worden.

Amüsiert schüttelte ich bloß den Kopf. Wie konnte man bloß mit dem Gewissen leben, Menschen umgebracht zu haben und das auch noch mit Lügen zu vertuschen ? Irgendwo war ich glücklich, dass Hüseyin Altintas nicht mein Vater war.

Von draußen kam die Nachricht, dass das Flugzeug für den Abflug starklar war. Berkan hinterfragte das Video nicht weiter. Ich wurde stattdessen am Arm gepackt und unsanft hinausgezogen. Trotz meiner Bemühungen war ich erfolglos darin, mich von Berkan zu befreien. Ich wurde in ein Auto gesetzt und so schlossen sich mir wieder die Türen zur Freiheit.

„Du wirst damit nicht davonkommen." , rief ich dem Jungen am Steuer zu. Dieser ignorierte mich vollkommen, sondern beschäftigte sich eher damit, über den Flug mit seinem Begleiter zu sprechen. Eine Welle der Panik überkam mich, als das Auto anfing, zu rollen. Und schon bald war ich mir nicht mehr sicher, ob meine Worte doch nicht eher der Hoffnung gewidmet waren.

Wir fuhren und fuhren, ohne je angehalten zu werden. Ich war kurz vor einem Nervenzusammenbruch, doch wollte mich vor Berkan nicht schwach zeigen. Ihm zu bestätigen, dass keiner nach mir suchen würde und ich für Yilmaz bedeutungslos war, war das Letzte, was ich tun würde.

Dennoch spürte er die Verzweiflung in mir und fragte mich deswegen: „Was ist los, Züleyha ? Keiner da, der dich abholt ?" Wütend presste ich die Lippen aufeinander und schwieg. Ich ignorierte die Worte und lauschte, wie Berkan dreckig lachte. Und ich konnte nichts dagegen tun.

Schließlich erreichten wir den Flughafen. Die Idee, die dortigen Menschen auf meine Entführung aufmerksam zu machen, geriet ins Scheitern. Denn Berkan war schlau genug, uns durch einen privaten Bereich zu führen, der menschenleer war.

„Lauf" , forderte er mich harsch auf, als ich versuchte, umzudrehen. Er schubste mich nach vorne, weshalb ich widerwillig weiterlief. Verzweifelt schloss ich die Augen und spürte, wie mir die Tränen aufkamen.

War es das also ?
All das, was ich mit Yilmaz erlebt hatte, war also das gewesen ? Meine Lippe bebte. Natürlich war es nur das gewesen. Schließlich hatten wir uns damals in Leipzig nur darauf geeinigt, nur eine Ehe einzugehen. Dass Yilmaz mich auch wie seine wirkliche Frau behandeln würde, konnte ich nicht von ihm erwarten. Ich hatte getan, was er wollte. Seinen Nachnamen tragen, um die Altintas Familie in ein Chaos zu versetzen. Mehr bedeutete ich ihm nicht. Ich merkte nicht, wie ich nach diesen Gedanken leise anfing, zu schluchzen.

Berkan berührte mich an der Schulter, was mich in meiner Trauer nicht interessierte. Auch die provokanten Worte erreichten mich nicht: „Weine nicht, meine Züleyha. Ich bin doch jetzt da. Wir werden zusammen Leipzig erreichen und ich schwöre dir, dass ich dich anders als Yilmaz, niemals zum Weinen bringen werde. Wir werden wieder glücklich. Vergiss die Wut deines..Vaters. Ich bieg' das schon wieder gerade."

Ich weinte und spürte dabei, wie meine Schultern zitterten. Berkan schickte seine Begleiter fort, als wäre dies ein intimer Moment zwischen uns beiden. Während ich weiter Tränen vergieß, setzte er seine Hand an meinem Gesicht ab. Ich ließ zu, dass er mir über die nasse Haut strich, da ich keine Kraft mehr hatte, mich zu wehren.

„Ich liebe dich Züleyha, egal was du auch getan hast. Lass mich ein richtiger Mann für dich sein. Du brauchst Yilmaz nicht. Was du brauchst-"

„Bin ich."

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Feinde liebt man nicht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt