• Entblößt •

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K E R E M

Meine Beine waren eingefroren, während Yilmaz Karaman meine Schwester ins Auto trug. Ich ließ die Waffe sinken und sah ratlos zu. Die Worte des Feindes hallten in meinen Kopf umher, ohne dass ich sie verstand.

Sie hat mich freiwillig geheiratet, um es Hüseyin heimzuzahlen.

Durch die klare Fensterscheibe erkannte ich, wie Yilmaz sich um die Schusswunde von Züleyha kümmerte. Es verwirrte mich, Besorgnis in seinen Augen ablesen zu können. Mit Sorgfalt behandelte er ein Mädchen, das eigentlich auf der gegnerischen Seite stand.

Ohne Züleyha gehe ich nirgendwohin.

Gedankenströme übernahmen meinen Kopf. Keiner von ihnen konnte mir eine Erklärung für das Szenario vor mir geben. Fragen bauten sich über Fragen auf. Mit dem Ziel, Yilmaz eigenhändig zu köpfen, war ich ihm hinterhergerannt. Die Beute befand sich vor mir und war kurz davor, zu flüchten. Trotzdem hinderten mich Yilmaz Worte daran, zu handeln.

Wüsstest du, was dieser Mann euch angetan hat, würdest du niemals diese Waffe auf mich richten.

Die Tür hinter mir wurde aufgerissen. Ich starrte weiterhin eingefroren zum Auto, während hinter mir Flüche durch die Luft flogen. Als mich Vater am Kragen packte, erwarchte ich schließlich aus meiner Schockstarre.

„Wo sind sie hin ? Hast du diesen Dreckskerl aufhalten können ? Rede doch !" , rief er energisch. Seine Augen waren weit aufgerissen und spukten nach Feuer.

Die Weise, wie er mich berührte, ging mir deutlich gegen den Strich. Gereizt riss ich mich von ihm los und rückte den Sakko zurecht. Statt auf seine Fragen einzugehen, zischte ich ihm zu : „Sag du mir eher, wieso du Züleyha angeschossen hast ! Bist du eigentlich wahnsinnig ?"

Keine Antwort folgte. Vater starrte mich voller Zorn an, als wäre ich Schuld an allem. Das Schweigen wurde von Tarik unterbrochen. In seiner Stimme war ein Hauch an Unsicherheit herauszuhören, als er meinte: „Beruhige dich, Kerem. Es war ein Versehen gewesen."

Bevor ich darauf antworten konnte, richtete sich die Aufmerksamkeit jedermanns auf das Auto, was den Motor startete. Die aufgebrachten Reaktionen der anderen rückten in den Hintergrund, während meine Augen auf die des Feindes trafen.

Du stehst auf der falschen Seite, Altintas.

Ich konnte Vieles aus seinem Blick ablesen, was für mich nicht zu begreifen war. Frustration als auch Verwirrung keimten sich in mir auf, als Yilmaz Karaman schlussendlich mit meiner Schwester davonfuhr.

Von Vater war zu hören, wie er Männern den Befehl gab, sie zu verfolgen. Teilnahmelos schaute ich zu, wie er sich wutentbrannt durch das Gesicht fuhr. Ich bildete mir ein, dass seine Wut noch durch andere Dinge zu begründen war.

Meine Auffassung ging jedoch verloren, als Berkan sich nach langer Zeit zu Wort meldete: „Dass ausgerechnet von Züleyha sowas kommt, hatte ich nicht erwartet. Wie erbärmlich. Dafür fällt mir genau ein Begriff ein.."

Das zusätzliche Grunzen, um seinen provokanten Sätzen nochmal den Reiz zu geben, machte mich wahnsinnig. Ich trat ihm näher und hatte meine Hände bereits zu Fäusten geballt. „Was fällt dir dafür ein, huh ? Trau dich, zu sprechen."

Ebru, die ich neben mir nicht bemerkt hatte, berührte mich am Arm. Schnaufend drehte ich mich zu ihr, um ihr zu sagen, dass sich keiner einmischen sollte. Die Worte blieben mir aber im Hals stecken, als ich in Ebrus Blick ganz andere Sorgen erkennen konnte. Sie presste die Lippen aufeinander und bemühte sich, nicht in Tränen auszubrechen. Ein weiterer Haufen an Verwirrung machte sich in mir breit.

Feinde liebt man nicht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt