• Schattenseiten •

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Z ÜL E Y H A

Yilmaz hatte die Stirn gegen meine gelehnt und starrte mich innig an. Ich spürte ein Kribbeln auf den Lippen, als würde er mich noch immer küssen.

Überrumpelt von den Ereignissen knetete ich meine Hände taub, wusste nicht, wie ich auf die Situation reagieren sollte. Unsere Augen trafen aufeinander und auch wenn ich nichts sehen konnte, schlug mein Herz auf Hochtouren.

„Hat er dir etwas angetan ?" , fragte Yilmaz in die Stille hinein. Sein Atem prallte auf mir ab und benebelte mich. Ich schüttelte benommen den Kopf, zu mehr war ich nicht imstande. Ein leises Seufzen seinerseits ertönte. Darauf nahm er die Hand von meiner, um sie gleich darauf um mich zu legen. „Ich hätte dich niemals gehen lassen sollen"

Mit dem Kopf lehnte er sich gegen meine Schulter und atmete schwer aus. Eine Gänsehaut überkam mich, als er die Finger verzweifelt in mein Oberteil grub. „ Er hat dich mitgenommen und ich..ich habe es einfach zugelassen. In dem Moment, in dem ich erfahren habe, dass du nicht mehr da bist, habe ich wieder diese Leere verspürt. Vor 17 Jahren empfand ich sie das erste Mal, als meine Familie mir weggerissen wurde. Ich..Ich dachte es wird wieder passieren"

Seine Worte drangen in mich hinein und trafen mich mitten ins Herz. Die Stimmung änderte sich. Ich hören ihn schneller atmen, spürte, wie sein Herz zu rasen begann. Als wären die Mauern um Yilmaz gefallen. Die Rüstung, welche stets davor gesorgte hatte, seine Gefühle zu verbergen, fiel von ihm ab. Und mit einem Mal sah ich den jungen Mann von seiner wahren Seite. Als Jemanden vor genau 17 Jahren.

Meine Lippe bebte. Vor mir saß nicht mehr Yilmaz, den alle als Bösen sahen, sondern ein Kind mit Ängsten. Mit der Angst, den wichtigsten Menschen in seinem Leben zu verlieren. Beinahe hätte Yilmaz mich verloren, so wie er seine Eltern verloren hatte.

Ohne weiter zu zögern, zog ich das Kind, den Mann an mich. „Es ist nichts geschehen, Yilmaz. Ich bin bei dir.." , wisperte ich nahe an seinem Ohr und fuhr ihm durch das Haar. „..und ich werde es auch immer bleiben"

Yilmaz gab sich den Berührungen hin und lehnte sich gegen meine Hand, um noch mehr von ihnen zu bekommen. Ich presste die bebenden Lippen berührt aufeinander. All die Jahre war Yilmaz ohne Mutterliebe ausgekommen. Und es zeriss mir das Herz, das er diese Nähe nun bei mir suchte.

Ich fuhr ihm durch den fülligen Bart, den ich so unfassbar liebte. Selbst in solch einer Situation brachte er mich dazu, die Fassung zu verlieren, indem er seine Hand auf meine legte. So berührten wir beide Yilmaz Gesicht und dabei spürte ich, wie mein Herz verrückt spielte.

„Versprich es mir, Züleyha Karaman"

„W-Was ?"

„Versprich mir, dass wenigstens du mich nicht verlassen wirst."

Ohne zu zögern schüttelte ich den Kopf. „Ich werde nicht gehen, Yilmaz" , erwiderte ich und lehnte die Stirn gegen seine. „Doch davor möchte ich eine Sache wissen"

Jetzt war der Moment gekommen. Wahrscheinlich übte ich schon seit einer Ewigkeit, diese Frage endlich zu stellen. Yilmaz nickte und war im Gegensatz zu mir wieder entspannter. Ich hingegen war kurz davor, in Ohnmacht zu fallen.

Doch bevor ich es aussprechen konnte, wurden wir durch Ömer unterbrochen: „Das Essen ist fertig !" Seine Stimme war dumpf aus der Küche zu hören. Wir lauschten, wie Ferhat aus seinem Zimmer eilte, um summend die Treppen hinunterzugehen.

Weitere Geräusche ertönten, was mir zu verstehen gab, dass es doch nicht der richtige Moment dazu war. Benommen nahm ich die Hände von Yilmaz ab und wollte mich zurückziehen. „Wir sollten auch zum Essen runter." , murmelte ich.

Doch bevor ich gehen konnte, packte Yilmaz mich am Arm und zog mich wieder auf das Bett. Ich fiel beinahe mit dem Gesicht auf die Matratze, war jedoch kurz davor noch in der Lage, mich bei Yilmaz zu halten.

Zornig wollte ich den jungen Mann zur Schnecke machen, bis er mich diese verdammte Frage stellte: „Wolltest du nicht noch etwas sagen ? Und dein Versprechen habe ich immernoch nicht bekommen"

Es war ja klar gewesen, dass er daran rumhaken würde. Mir schoss die Röte ine Gesicht. Plötzlich wusste ich nicht mehr, welche Worte ich tagelang vor dem Spiegel erlernt hatte. Oder ich wollte es nicht wissen.

„Züleyha ?", sprach er mich in meiner Verzweiflung an. Und ich könnte schwören, dass ihm die Situation gefiel. Als wüsste er genau, was ich fragen wollte.

Deswegen beschloss ich, mich nicht weiter lächerlich zu machen. Es war mein Recht, nach der Antwort zu suchen. Schließlich hatten wir uns geküsst und waren uns näher gekommen. Also haute ich es raus: „Was empfindest du für mich ?"

Schweigen. Ich atmete hektisch ein und aus. So, es war raus. In mir fiel alles in sich zusammen. Mir war warm, mir war kalt. Meine Wangen waren wie Tomaten rot gefärbt. Es zu verbergen, war zwecklos. Höchstwahrscheinlich hatte Yilmaz nun verstanden, dass ich eine ganz bestimmte Meinung zum Thema Empfindungen hatte.

Ich liebte den Idioten und nun würde ich endlich erfahren, ob er es ebenfalls tat. Gebannt lauschte ich der Stille, die nicht enden wollte. Es folgte keine Antwort. Was folgte, war etwas anderes.

Ehe ich mich versah, drückte Yilmaz seine Lippen auf meine Stirn. „Lass mich dich morgen ausführen. Dort gebe ich dir die Antwort" , sprach er mir leise zu, während die anderen im Hintergrund bereits mit dem Essen begonnen hatten. Enttäuscht presste ich die Lippen aufeinander, worauf Yilmaz amüsiert lachte. „Ich verspreche dir, dass du es nicht bereuen wirst, gewartet zu haben."

Und mit diesen Worten verschwand er und ließ mich mit tausenden Fragezeichen zurück.

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Hach die Süßen🙃🖤

Feinde liebt man nicht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt