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K E R E M

Vor meinen Augen flackerten Erinnerungen aus der Kindheit. Es fühlte sich eigenartig an, zurückzuschauen und zu wissen, dass die Altintas Familie nie meine gewesen war. Die aufkommenden Gefühle ließ ich am Lenkrad raus, welches ich fest umklammert hielt. Dass ich in Wirklichkeit ein Karaman war, war für mich nichts Neues. Es war jedoch die Begegnung mit Yilmaz gewesen, die mich wieder aufgewühlt hatte.

10 Minuten zuvor:

Es vergingen keine 5 Sekunden, ehe Züleyha nach der Wahrheit zusammenbrach. Schweigend verfolgte ich, wie Yilmaz Karaman sie in die Arme schloss. Ich sah Panik in seinem Blick flackern. Die Passanten starrten zu uns rüber, während Yilmaz hektisch versuchte, seine Frau wachzubekommen. Er strich ihr die wirren Haare aus dem Gesicht, küsste sie und rief nach ihrem Namen: „Züleyha !"

Dies verwunderte mich, denn eigentlich war Yilmaz keiner, der so schnell die Fassung verlor. Immer trug er diesen mörderischen Blick, mit dem er jeden erdolchen könnte.
Doch hier kniete er, machtlos und gefallen. Wegen einer einzigen Frau.

Es kümmerte meinen leiblichen Bruder nicht, dass ich ihn in diesem Zustand sah. Was ihn nur noch interessierte, war Züleyha.

Yilmaz war ein Monster, hatte mir Hüseyin immer eingeredet; Ein Mann, der wie sein Vater nichts außer Hass in sich trug. Das Szenario vor mir widersprach jedoch seinen Worten.

Was ich hier nämlich sah, war ein Mensch, der liebte. So sehr, dass der geliebte Mensch seine einzige Schwachstelle war. Und irgendwo beruhigte es mich, dass Züleyha solch einen Mann an ihrer Seite hatte.

Schließlich wurde ich auch unruhig darüber, dass Züleyha nicht die Augen öffnete. Hatten die Worte sie so sehr getroffen ? Ich wusste nicht, wieso ich das so plötzlich getan hatte. Auch wusste ich nicht, ob Züleyha für mich schweigen würde. Doch ich wusste, dass diese Frau genauso wie ich endlich verdient hatte, die Wahrheit zu erfahren.

Als noch immer kein Zeichen von Züleyha kam, wollte ich zur Hilfe eilen. Ich setzte den ersten Schritt in ihre Richtung, wurde jedoch des Besseren belehrt. Blitzschnell schossen die Blicke aller in meine Richtung. Ich hörte, wie eine Waffe klickte und sah, dass Emir sie warnend auf mich gerichtet hielt. Auch Yilmaz war auf mich wieder aufmerksam geworden.

„Ein Schritt weiter und ich blas dir den Kopf weg" Ich überhörte die Drohung. Alles rückte in den Hintergrund, als ich meinem Bruder in die Augen sah. Er erwiderte den Blick und so vergaß ich beinahe, zu atmen.

Yilmaz Karaman
Kerem Karaman.
Zwillinge, die vor 28 Jahren gemeinsam in einem Bauch gelebt hatten. 3 Minuten war er älter als ich. Nach all der Zeit hatten wir wieder zueinander gefunden. Doch dieses Mal hatte Yilmaz mich bereits vergessen. Und ich wünschte, dass ich das ebenfalls tat.

Alles an ihm war das Gegenteil von mir. Während ich hellbraune Haare hatte, war seine Mähne pechschwarz. Ich war größer, er aber muskelöser. Es fühlte sich an, als würde Mehmet Karaman vor mir stehen. So ähnlich sahen sie sich aus. Ich hingegen war die Kopie von Ayse Karaman, meiner Mutter.

So stand mein Bruder da, mit der Waffe auf mich gerichtet. Ahnunglos und voller Hass. Ich hatte die Pistole ebenfalls hervorgeholt, um nicht mit leeren Händen dazustehen. Der einzige Unterschied dabei war jedoch, das ich niemals abdrücken könnte und würde.

Ihn zu hassen wäre falsch, doch ihn zu lieben käme niemals in Frage. Verschiedenste Gefühle brachen in mir aus, während ich meinen Bruder ansah. Ich musste frustriert schmunzeln, denn der Gedanke, mit diesem Mann verwandt zu sein, war so ziemlich absurd.

Wütend schmiss ich die Waffe in meiner Hand weg und kehrte der Wahrheit meines Lebens dem Rücken zu. Ich kniff die Augen zusammen und atmete zittrig aus. Das alles war doch ein schlechter Scherz, verdammt nochmal.

Feinde liebt man nicht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt