Vorkehrungen

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Hallo zusammen und willkommen zum nächsten Kapitel! Danke an diejenigen, die mir ihre Meinung zum letzten Kapitel mitgeteilt haben, es hat mir Spaß gemacht, eure Reaktionen zu lesen! Und das Kapitel hat mir wirklich sehr am Herz gelegen. :) Nun geht's aber weiter und es wird wieder spannend! Denkt ihr, Cat hat die richtige Entscheidung getroffen? Wie wird sie sich im Kampf gegen die Todesser anstellen und was kommt danach?


Cat saß in einer der hinteren Ecken der Bibliothek und zitterte. Ihr war nicht kalt, sie war nervös. Sie war nicht hierhergekommen, um zu lesen oder ihre Hausaufgaben zu erledigen, sondern um in Ruhe nachdenken zu können. Der Abend, an dem Dumbledore ihr ihre wahre Identität verraten hatte, steckte ihr noch immer in den Knochen und sie hatte nächtelang kaum geschlafen. Egal, wie oft oder wie lange sie darüber nachdachte, ihr Gehirn schien die Information einfach nicht begreifen zu wollen. Es war wie ein Traum, vollkommen surreal, und sie würde jeden Augenblick aufwachen.

Doch allmählich hatte sie verstanden, dass es kein Traum war, sondern die Wahrheit. Und auch, wenn ihr der Gedanke an all das immer noch sehr schwerfiel, hatte sie nun den Entschluss gefasst, ihre Freunde und Harry – ihren Bruder – einzuweihen.

Sie formte das Wort ‚Bruder' stumm mit den Lippen. Es hinterließ einen faden Geschmack in ihrem Mund. Sie hatte sich immer einen Bruder gewünscht, am liebsten einen großen, der auf sie aufpasste und sie beschützte. Und Harry war über die Jahre hinweg vermutlich genau das für sie geworden. Sie waren sich so nah, dass es weit über eine Freundschaft hinausging. Das wusste die Blonde. Und dennoch konnte sie sich noch nicht vorstellen, wie es wäre, ihn ‚Bruderherz' zu nennen.

Ruckartig stand sie von ihrem Platz in der Bibliothek auf, atmete tief durch und machte sich auf den Weg zum Gemeinschaftsraum. Die Flure in Hogwarts waren leer, denn das Abendessen hatte gerade begonnen. Doch der Gryffindor war nicht sonderlich nach Essen oder Gesellschaft zumute. Im Grunde ging es ihr schon seit Tagen so, seit sie von Dumbledore erfahren hatte, wer sie wirklich war. Der Appetit war ihr seitdem schlichtweg vergangen. Noch immer zitterten ihre Hände. Sie war das Gespräch nun mehrere Male durchgegangen, hatte versucht, ihre Formulierungen mit Bedacht zu wählen. Doch die eine Unbekannte, die es noch immer gab, war Harrys Reaktion. Würde er sich freuen? Sicherlich wäre er erst einmal geschockt, verständlich, das war sie schließlich auch. Aber dann? Ob er wütend wäre, dass er all die Jahre über dachte, er hätte keine Familie mehr? Wäre er enttäuscht, dass sie es ihm nicht schon früher gesagt hatte?

Plötzlich wurde die Tür eines Klassenzimmers, an dem sie gerade vorbeilief, aufgerissen. Eine Hand packte sie unsanft am Arm und zog sie herein. Sie stolperte ein paar Schritte und wurde dann grob gegen die Wand gedrückt, ihr Kopf schlug dumpf dagegen und sie zog scharf die Luft ein.

In dem Raum war es stockfinster, obwohl es an diesem Sommerabend noch nicht dämmerte. Jemand musste die Fenster verbarrikadieren haben. Cat blinzelte ein paar Mal und bemühte sich, in der Finsternis etwas zu erkennen. Schließlich griff sie nach dem Zauberstab in ihrer Umhangtasche und ließ die Spitze aufleuchten. Ein blonder Schopf trat in das schummrige Licht und kurz wich die Gryffindor erschrocken von der kränklich, blassen Erscheinung zurück. „Draco? Was...?"

„Es ist soweit!", unterbrach er sie drängend.

Cat wusste sofort Bescheid, wovon er sprach. Er hatte es endlich geschafft, das Verschwindekabinett zu reparieren. Und das bedeutete, dass heute Nacht Todesser die Hallen des Schlosses entweihen würden. „Was? Heute? Aber..."

„Ja, heute", bestätigte er forsch. Seine Stimme war ganz erregt und er packte die Gryffindor beinahe unsanft am Arm. „Dumbledore ist heute Abend unterwegs und ich habe es endlich geschafft. Es ist meine einzige Chance."

Das Mädchen griff sich an die Schläfen und atmete einige Male tief ein und wieder aus, um sich selbst zu beruhigen. Der Zeitpunkt könnte nicht schlechter sein. Eigentlich wollte sie mit Harry über andere Dinge reden als einen Todesser-Angriff. Aber was hatte sie nun schon für eine andere Wahl? „Na gut!"

„Ich weiß, dir gefällt die ganze Sache nicht", sagte der Slytherin zögerlich.

„Natürlich nicht!", stieß sie wütend aus und warf die Hände über dem Kopf zusammen. „Hogwarts ist mein zweites Zuhause. Alle meine Freunde sind hier. Hier leben unschuldige Menschen – Kinder! Ich kann doch nicht einfach alle ins Messer laufen lassen!"

„Dann tu's nicht!", schlug er zu ihrer Verwunderung vor. „Warne alle. Hogwarts hat mir auch viel gegeben. Ich will genauso wenig, dass jemand verletzt wird. Sie sollen sich verstecken, einfach nicht aus ihren Schlafsälen kommen. Dann passiert niemandem etwas."

Cat dachte kurz über seinen Vorschlag nach und willigte dann nickend ein. „Das ist keine schlechte Idee. Nur werden einige sich nicht einfach so in ihrem Schlafsaal verbarrikadieren wollen. Sie werden kämpfen wollen."

Der Slytherin schüttelte entschieden den Kopf. „Das solltet ihr nicht tun. Ihr wisst nicht, mit was ihr es zu tun habt. Die Todesser sind grausam und sie bringen Werwölfe."

Die Blonde schnaubte. „Wir haben es schon einmal mit denen aufgenommen, falls du dich erinnern kannst. Und das ist nicht gerade gut für euresgleichen ausgegangen."

Draco seufzte und legte sanft seine Hände auf die Schultern des Mädchens, sodass er ihr direkt in die Augen sehen konnte. „Ich bitte dich, Catherine. Bleib in deinem Gemeinschaftsraum. Versuch nicht, die Heldin zu spielen."

„Du weißt, dass ich das nicht tun werde. Ich kann mich nicht verstecken, während alle meine Freunde ihr Leben riskieren, um dieses Schloss zu verteidigen", wehrte sie entschieden ab.

„Ich weiß. Aber ich hätte es mir nicht verziehen, wenn ich nicht wenigstens versucht hätte, dich davon abzuhalten", erklärte der Slytherin und ein Lächeln huschte über seine Lippen, so schnell, dass man es für eine Illusion hätte halten können. „Dann wird dir wohl nur Felix helfen können."

Die Blonde grinste und nickte, denn sie war dankbar, dass Draco sie verstand, dass er noch immer zu ihr hielt. Doch ihr Lächeln verschwand schnell und sie biss sich nervös auf der Unterlippe herum. „Jetzt wird alles anders, oder?"

„Ich wünschte, ich könnte dir versprechen, dass wir uns das nächste Mal unter besseren Umständen treffen werden", bekannte der Blonde bitter und sah zu Boden. „Aber ich habe so ein Gefühl, dass es noch ein weiter Weg bis dahin sein wird."

Ruckartig warf Cat sich ihm in die Arme und vergrub ihr Gesicht in seiner Schulter. Sie sog seinen Geruch tief ein, ganz so, als wäre es das letzte Mal in ihrem Leben, dass sie die Möglichkeit dazu hätte. Als er ebenfalls seine Arme um ihre Körpermitte schlang und seinen Kopf an ihren legte, ging eine angenehm prickende Welle durch ihren ganzen Körper. „Stirb nicht, okay?", nuschelte sie.

Der Blonde grinste. „Bis jetzt habe ich mich dabei doch nicht schlecht geschlagen, oder?"

Die Gryffindor löste sich ein wenig aus seiner Umarmung und sah ihm in die Augen. Ein angenehmes Kribbeln machte sich in ihrem Magen breit, sie hatte das Gefühl, alles auf einmal viel intensiver zu spüren. Unwillkürlich öffnete sich ihr Mund und sie atmete flach. Ihre Finger strichen über Dracos Wange und hinterließen eine leichte Gänsehaut. Sie konnte sich einfach nicht von seinen Augen lösen, diesen grauen Augen, so wunderschön und rein, dass sie sich beinahe wie hypnotisiert fühlte.

Draco schluckte hart. Sein Blick glitt kurz zu ihren vollen, weichen Lippen, so unfassbar rosa und unwiderstehlich. Er hatte das alles nicht gewollt. So wie es gekommen war, hätte es nie sein sollen. Er wollte bei ihr sein – immer. Aber es ging nicht. Doch dann wollte er wenigstens einen letzten Augenblick mit ihr.

Plötzlich drückte der Slytherin seine Lippen auf ihre und drängte sie gleichzeitig rückwärts, bis ihr Kopf mehr oder weniger unsanft gegen die kalte Steinwand des Klassensaals schlug. Es kümmerte keinen von Beiden, der Kuss wurde viel zu intensiv. Dracos Zunge verlangte Einlass und die Blonde gab sich ihm gerne hin. Ihre Hände vergrub sie in seinen Haaren und zogen leicht daran. Wie berauschend dieses Gefühl doch war, so rein und intuitiv. Es war einfach. Liebe war einfach. Leben war schwer.

Der Slytherin löste sich als erstes aus dem Kuss und öffnete schwerfällig die Augen. Er wollte nicht zurück in dieses Leben, das er so hasste. Doch er hatte keine Wahl. Ein Blick in ihre Augen gab ihm Kraft. Er wusste wieder, weshalb er all das tat, weshalb er diese Bürde auf sich nahm. Der Grund stand vor ihm und lächelte ihn an. „Ich liebe dich, Catherine. Egal, was passiert, vergiss das niemals."

Draco griff nach dem Türknauf und öffnete die Tür, bevor sie etwas erwidern konnte. Die kühle Luft der Gänge schlug ihnen entgegen und holte sie in die nüchterne, schwere Realität zurück. Sie traten auf den Gang hinaus, Hand in Hand, und sahen sich noch für einen Moment tief in die Augen.

Dann wandte Cat sich ab. Ihre Hand entglitt der seinen. Sie lief einfach weiter, immer schneller, bis sie rannte und sah dabei nicht zurück. Denn sie musste so schnell wie möglich zum Gemeinschaftsraum und die anderen warnen. Draco hingegen stand noch dort, regungslos, und sah ihr nach. Sah dabei zu, wie sie im Begriff war die Welt zu retten – und wusste dabei, dass er im Begriff war, sie zu zerstören. Der Gedanke lähmte ihn und sein letztes bisschen Hoffnung verschwand mit der Gryffindor hinter der Ecke, um die sie nun bog. Er seufzte schwer, seine Schultern hingen schlapp herunter. Dann wandte er sich ebenfalls ab und machte sich an die Arbeit.

Als Cat schwer atmend bei der fetten Dame ankam, musste sie sich erst einmal sammeln. Was sollte sie nur Harry und den anderen sagen? Wie sollte sie ihnen beibringen, dass Harry die ganze Zeit über Recht behalten hatte? Und dass sie es seit einiger Zeit wusste, aber nie etwas verraten hatte? Sie würden sie wieder hassen, ignorieren wie beim letzten Mal und dieses Mal vielleicht sogar für immer. Die Blonde schüttelte entschieden mit dem Kopf. Nein, darüber durfte sie jetzt nicht nachdenken. Es war egal, was ihre Freunde sagen würden. Sie musste nun das Richtige tun, egal welche Konsequenzen es nach sich ziehen würde.

„Ich weiß, dass es Malfoy war, der im Raum der Wünsche gefeiert hat!" Harrys wütender Ruf schallte ihr entgegen, als sie den Gemeinschaftsraum betrat. Seine Stimme klang keuchend und gehetzt, offenbar war auch er gerannt. „Ihr müsst ihn überwachen, und Snape auch. Spannt sämtliche Leute von der DA ein, die ihr finden könnt. Hermine, funktionieren diese Galleonen noch? Dumbledore hat zwar gesagt, dass er die Schule mit Schutz versehen hat, aber wenn er es mit Snape abgesprochen hat, dann weiß Snape auch, wie man den Schutz umgehen kann. Aber dass ihr auf dem Posten seid, erwartet er nicht, oder?"

„Harry...", begann Hermine, die die Augen vor Angst weit aufgerissen hatte.

In diesem Augenblick trat Cat aus dem Schatten des Porträtlochs hervor. „Es stimmt. Harry hat Recht", verkündete sie bedrückt und das Trio sah sie überrascht an.

„Aber woher...?", fragte nun Ron verwirrt.

„Draco hat es mir gerade gesagt", erklärte sie nüchtern. „Heute Nacht werden Todesser durch das Schloss wandern."

Hermine schnappte schockiert nach Luft, während Ron plötzlich wie eine Salzsäule mit panisch aufgerissenen Augen dastand. Lediglich Harry ballte die Fäuste und grummelte: „Das ist ja nicht..."

Cat warf ihm einen drohenden Blick zu, woraufhin er den Kopf schüttelte. „Ich habe ohnehin keine Zeit zu diskutieren. Ich muss zurück zu Dumbledore und einen Horkrux finden. Hier! Nehmt das Felix Felicis. Teilt ihn euch und gebt Ginny auch etwas davon. Grüßt sie von mir", erklärte der Schwarzhaarige noch rasch, ehe er sich zum Gehen abwandte.

„Pass auf dich auf!", rief die Blonde ihm hinterher und starrte nun noch ein paar Sekunden auf das geschlossene Porträt der fetten Dame.

„Merlin! Was sollen wir jetzt nur tun?", stieß Hermine panisch aus.

Ihre Freundin musterte sie einen Augenblick. Hermine war eine begnadete Hexe, aber solche Ernstfall-Situationen brachten sie völlig aus dem Konzept. „Wir tun das, was Harry gesagt hat", entschied Cat und klang dabei beinahe wie ein Feldmarschall kurz vor einer drohenden Schlacht. Im Grunde hätte sie ebenso viel Angst verspüren müssen wie ihre Freunde, doch das Adrenalin pumpte nun schon seit ihrer Begegnung mit Draco durch ihre Venen und brachte sie dazu, ausgesprochen klar und strategisch zu denken. „Hermine, du kümmerst dich um die Münzen. Ruf alle Mitglieder der DA, die du noch finden kannst, für ein Treffen in der Großen Halle in etwa dreißig Minuten ein."

Sie nickte und rannte die Stufen hinauf in ihren Schlafsaal, um ihre Aufgabe zu erledigen.

Die Geschichte von Catherine O'NeillWo Geschichten leben. Entdecke jetzt