Ein Wiedersehen

109 6 8
                                    

Es ist so weit, Cat und Draco treffen wieder aufeinander! Wie es wohl zwischen den beiden weitergehen wird im 6. Schuljahr? Lasst euch überraschen! Viel Spaß beim Lesen!


Cat saß in einem leeren Abteil des Hogwarts-Express und hatte eines ihrer Bücher zur Elementarmagie auf ihrem Schoß geöffnet. Allerdings kümmerte sie sich nicht besonders um den Inhalt, stattdessen lag ihr Blick auf der vorbei rauschenden Landschaft der englischen Felder. Es fiel ihr leichter, denn sie musste sich nicht konzentrieren, konnte einfach nur den Verlauf eines kleinen Flusses verfolgen oder zusehen, wie die Wälder sich in Wiesen und Weiden verwandelten, auf denen hin und wieder ein paar Tiere grasten. Im Grunde lag das Buch nutzlos auf ihrem Schoß herum, denn sie las nicht darin. Es diente lediglich dem Schein, sodass jeder vorbeilaufende Schüler den Eindruck bekam, sie wollte lesen und nicht gestört werden.

Denn das wollte sie auch nicht. Sie wollte allein sein.

Harry, Ron und Hermine hatten kein einziges Wort mehr mit ihr gewechselt seit sie am Abend zuvor die Bombe hatte platzen lassen. Die Couch war nicht sonderlich bequem gewesen, das Polster war hart und bereits durchgesessen. Aber es hätte ohnehin keinen Unterschied gemacht, denn geschlafen hatte sie keine Sekunde. Die ganze Nacht hatte sie wach gelegen und war in einen Strudel aus Gefühlen geraten, den sie nicht mehr verlassen konnte. Mrs. Weasley war sichtlich überrascht gewesen, als sie die Blonde am Morgen im Wohnzimmer aufgefunden hatte, wollte aber nicht weiter nachfragen. Da Cat ihr bereits früh im Haushalt geholfen hatte, hatten die beiden Frauen gemeinsam gefrühstückt, was der Gryffindor entgegen kam, denn dadurch musste sie nicht auf ihre Freunde treffen.

Die Fahrt nach King's Cross hingegen war geprägt von einem unangenehmen Schweigen, das über den vieren lag. Ron und Harry wirkten, als würden sie die Blonde am liebsten in der Luft zerfetzen. Sie starrten das Mädchen an, die Augenbrauen grimmig zusammengezogen, die Stirn in Falten geworfen. Ginnys Blick war ähnlich vorwurfsvoll gewesen, doch sie bemühte sich im Gegensatz zu den Jungs noch um etwas Diskretion. Hermine, die die Rothaarige am Abend wohl noch eingeweiht haben musste, war die einzige der Jugendlichen, die ihren Blick starr auf den Boden gerichtet hatte. Ihre Züge waren weich, geradezu verletzlich und sie mied bewusst sowohl Cats Blicke als auch die der Jungs. Die Blonde kannte ihre Freundin gut genug, um zu wissen, dass sie nicht wusste, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte.

Am Bahnhof hatten sich ihre Wege getrennt. Während Harry noch ein Gespräch mit Mr. Weasley unter vier Augen führen wollte und Hermine, Ginny und Ron sich herzlich von der Mutter verabschiedeten, hatte sich die Blonde hastig für die Gastfreundschaft bedankt und war im Zug verschwunden, wo sie ein freies Abteil gesucht hatte. Und ihre Freunde hatten keine Anstalten gemacht, ihr nachzukommen. Als der Zug losgefahren war, ahnte sie bereits, dass dies das schwerste aller Schuljahre werden würde. Seufzend hatte sie ihr Buch aus der Tasche gekramt, den Kloß mit der Größe eines Pfirsichs in ihrem Hals heruntergeschluckt und versucht, sich von der unangenehmen Situation abzulenken. Bislang war es ihr allerdings nicht sonderlich gut gelungen.

Die Tür zum Abteil wurde aufgezogen und der Lärm der herumirrenden Schüler drang an ihr Ohr, sodass ihre labilen Gedanken abdrifteten und sie den Kopf hob, um den Neuankömmling anzusehen. Blaise Zabini hatte den Kopf durch die halb geöffnete Schiebetür gesteckt und grinste die Blonde breit an. „Qu'est-ce que vous faites ici toute seule, ma chérie?"

Cat konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und schüttelte belustigt den Kopf. „Wie ich sehe, hast du dein Französisch wieder verbessert", wich sie der Frage aus und sah wieder hinab auf die Seiten ihres Buches. Dabei strich sie sich verlegen eine blonde Strähne aus dem Gesicht.

Doch der Dunkelhäutige ließ sich nicht so leicht abwimmeln. Er schlüpfte elegant durch den Türschlitz und schloss sie hinter sich. Dann setzte er sich neben der Gryffindor auf die Polster der Bank und rückte dabei verdächtig nah zu ihr heran. Cat bemühte sich, den Slytherin zu ignorieren, doch sie spürte seinen warmen Atem in ihrem Nacken, als er über ihre Schulter hinweg mitlas. So saßen sie dort ein paar Minuten, doch dem Mädchen gelang es nicht, sich wieder auf die Worte in ihrem Buch zu konzentrieren. Also schloss sie den dicken Wälzer mit einem dumpfen Klatschen, brachte etwas Abstand zwischen sich und den Dunkelhäutigen und drehte sich dann zu ihm hin.

„Ziemlich hartnäckig heute, also was kann ich für dich tun, Blaise?" Ihre Stimmlage war zwar ziemlich abweisend, doch innerlich verspürte sie eine Art Heiterkeit. Die Begegnung tat ihr gut nach all der kaltherzigen, wütenden Abweisung durch ihre Freunde.

Der Slytherin deutete auf das Buch in ihrem Schoß. „Elementarmagie für Fortgeschrittene", las er vom Einband vor. „Ist es das, was du bist? Das, was du mit Draco am Ende des vierten Schuljahres getan hast? Du kontrollierst die Elemente?"

Sie wusste zwar, dass Blaise nicht auf den Kopf gefallen war, doch die Vermutung lag mit dem Buch in ihrer Hand auch zugegebenermaßen nahe. Es war auch nicht besonders scharfsinnig von ihr gewesen, es weiterhin offen bei sich zu behalten, hatte Dumbledore ihr doch eingeschärft, dass es zu gefährlich war, wenn zu viele Leute davon erfuhren. Also legte sie das Buch beiseite, sodass es aus ihrem Blickfeld verschwand und zuckte mit den Schultern. „Wie wäre es, wenn du mir eine Frage stellst, die ich nicht mit einer Lüge beantworten muss?"

Der Dunkelhäutige grinste sie verschmilzt an, war ihre Gegenfrage doch Aussage genug. Dem war sich auch Cat bewusst, doch sie hatte bereits beim Weihnachtsball der vierten Klasse das unerklärliche Gefühl gehabt, dass Blaise kein Mensch war, der Geheimnisse in die Welt hinaustrug oder seinen Profit daraus schlug. „Na gut, dann erzähl mir doch, wieso du hier so allein sitzt. Wieso bist du nicht bei deinen kleinen Freunden aus Gryffindor? Ich meine, Potter habe ich zwar eben noch im Slug Klub getroffen, aber diese Granger und das Wiesel waren nicht dort."

„Was, bei Merlin, ist Bitteschön der Slug Klub?", erkundigte die Gryffindor sich und zog die Augenbrauen in die Höhe.

Ihr Gegenüber zuckte nur mit den Schultern. „So ein langweiliger, elitärer Klub von Slughorn. Da versammelt er alle Schüler mit großem Namen. Potter und McLaggen waren beide dort. Der Alte liebt es, Leute mit Einfluss und Ansehen um sich zu scharen und rühmt sich gerne damit, die klügsten Köpfe dorthin gebracht zu haben, wo sie heute sind."

Cat verdrehte die Augen. „Klingt wie ein richtiger Vollidiot, dieser Slughorn."

„Du bist doch nur neidisch, weil er dich nicht eingeladen hat, ihn zu treffen." Blaise grinste sie an und schubste sie sanft gegen die Schulter. Sie wollte schon protestieren, da fuhr er noch einmal dazwischen. „Aber du lenkst ab. Also wieso sitzt du nicht bei Granger und Weasley?"

Die Blonde schnaubte und versuchte sich an einem spöttischen Lächeln, das ihre Augen aber nicht erreichte. Sie könnte jetzt natürlich lügen. Hermine und Ron waren beide Vertrauensschüler und sicherlich bei einer dieser Versammlungen. Doch wozu es noch herauszögern? Spätestens beim Abendessen würde ganz Hogwarts Bescheid wissen, denn das Quartett würde zum ersten Mal seit zwei Jahren getrennt essen. „Wir hatten einen Streit", erwiderte sie knapp.

Blaise rückte erneut etwas näher an das Mädchen heran und verschränkte die Arme in seinem Schoß, während er sie aufmerksam musterte. „Um was ging es?"

„Noch so eine Frage, die ich mit einer Lüge beantworten müsste", erklärte Cat und schmunzelte über die Art, wie der Slytherin sich in diesem Gespräch verhielt. Es war so ungewohnt, ihre beiden Häuser zusammen zu sehen und das ohne, dass sich ihre Mitglieder gegenseitig verhexten.

„Es ist wegen Draco, richtig? Weil ihr zusammen seid." Blaise Aussage ging ihm so leichtfertig von den Lippen, dass Cat die Kinnlade herunter klappte und sie sich um Fassung bemühen musste. Ihr Hirn begann zu rattern und fragte sich, woher er diese Information haben könnte. Ihr Mund war mit einem Mal trocken und sie wurde hibbelig.

„Ich...du...", stotterte sie zuerst, dann atmete sie einmal tief durch und fing erneut an: „Draco hat es dir erzählt?"

Der Slytherin schüttelte den Kopf, das Grinsen in seinem Gesicht hätte gar nicht größer sein können, als er antwortete: „Merlin, niemals würde Draco zugeben, dass er eine Beziehung mit einem Schlammblut führt. Noch dazu mit Potters bester Freundin und seiner erklärten Erzfeindin. Ich bin zwar sein bester Freund, aber seine Erziehung behält sich gewisse Grenzen vor."

Cat nickte, doch die Verwirrung wich ihr nicht aus dem Gesicht. „Aber von wem weißt du es dann? Wir haben immer aufgepasst, dass uns niemand erwischt. Und meinen Freunden habe ich es erst gestern verraten."

Sie hatte sich getäuscht. Das Grinsen in Blaise' Gesicht drohte nun all seine Muskeln zu übermannen und sie befürchtete schon, er würde einen Krampf bekommen. Dann brach er in schallendes Gelächter aus. „Na, von dir natürlich! Du hast es mir gerade eben verraten. Ich habe nichts weiter als eine Vermutung geäußert und deine Reaktion hat sie mir bestätigt."

Cat war nicht zum Lachen zu Mute. Sie lief knallrot im Gesicht an, ihrem Mund entfuhr nur ein ernüchtertes ‚Oh' und sie wandte den Blick schnell aus dem Fenster. Bei Merlin, Draco würde sie umbringen, wenn er rausfinden würde, dass sie seinem besten Freund von dieser heimlichen Beziehung erzählt hatte! Und das alles noch während sie sich nicht einmal im Klaren darüber war, welchen Stand diese Beziehung gerade noch hatte.

„Hey, Erde an Catherine!" Blaise' Stimme riss sie wieder aus ihren Gedanken und sie wandte ihm den Blick erschrocken zu. „Keine Sorge. Draco wird nichts von mir erfahren. Er hat seine Geheimnisse und ich habe meine."

Er zwinkerte ihr zu, was Cat erleichtert lächeln ließ. „Es wäre ja nur halb so schlimm, wenn ich wüsste, wie wir überhaupt gerade zueinander stehen."

Nun warf der Slytherin verwirrt die Stirn in Falten. „Wie meinst du das?"

„Wir hatten vor den Ferien einen ziemlichen Streit wegen der Sache im Ministerium. Du weißt, dass sein Vater verhaftet wurde?" Blaise nickte nur, um sie nicht zu unterbrechen. „Naja, ich war dort auch dabei und Draco hat mir vorgeworfen, ich hätte daran Schuld und er wisse nicht, ob das mit uns auf unterschiedlichen Seiten funktioniert. Er hat sich die ganzen Ferien über auch nicht bei mir gemeldet." Die Worte sprudelten der Blonden aus dem Mund. Jetzt, da sie sich das Thema zum ersten Mal von der Seele reden konnte, wollte sie gar nicht damit aufhören. Es war Befreiung und Schmerz zugleich, denn sie wusste, dass das Schlimmste noch vor ihr lag, und bei dem Gedanken fiel ihr Körper in sich zusammen und sie stützte den Kopf in die Hände.

Blaise legte seine warme Hand auf ihren Rücken und strich sanft darüber. „Hey, Catherine. Mach dir keine Gedanken. Ich bin nicht blind, weißt du? Ich sehe, wie Draco dich ansieht. Schon seit mehr als einem Jahr geht das so. Er ist unaufmerksam im Unterricht, er beobachtet dich beim Essen, er reagiert nicht einmal mehr auf die zugegeben recht aufdringlichen Flirt-Versuche der Slytherin-Mädchen. Ich war zwar noch nie verliebt, aber ich weiß, wie es aussieht, wenn man es ist. Und Draco ist definitiv ein hoffnungsloser Fall im Vertuschen seiner Gefühle."

„Meinst du wirklich?", nuschelte die Gryffindor durch ihre Hände hindurch, ohne aufzusehen.

„Ich würde meinen Nimbus 2001 darauf verwetten, dass er dich noch genauso liebt wie vor den Ferien."

Cat hob den Kopf und sah ihr Gegenüber an. Der Slytherin lächelte sie aufmunternd an und legte eine Hand auf ihre. In seinen Augen konnte sie erkennen, dass er es ehrlich meinte. Also erwiderte sie sein Lächeln, wischte sich die Feuchte mit dem Ärmel ihres Pullovers aus den Augen und hauchte: „Danke, Blaise."

„Nichts zu danken, Catherine", tat der Slytherin es ab und erhob sich aus dem Ledersitz des Abteils. Auffordernd streckte er der Blonden seine Hand hin und nickte ihr mit dem Kopf zu, doch sie warf bloß die Stirn in Falten. „Jetzt komm schon mit."

„Wohin denn?", wollte die Gryffindor wissen, als sie auch endlich aufstand und schon nach der Hand des Dunkelhaarigen greifen wollte.

„Du glaubst doch wohl nicht, dass ich dich hier die Fahrt über sitzen lasse, oder? Ich nehme dich mit ins Slytherin-Abteil, damit du Gesellschaft hast."

Sofort zog Cat ihre Hand wieder zurück und riss die Augen auf. „Ins Slytherin-Abteil? Bist du wahnsinnig? Die werden mich mit ihrem Blicken auffressen. Und das ist vermutlich noch das Harmloseste, das sie mir antun wollen."

Blaise lachte kurz auf und schüttelte den Kopf. „Wir sind vielleicht Schlangen, aber wir beißen nicht." Er zwinkerte ihr zu und streckte ihr erneut die Hand hin. „Außerdem wird dir niemand etwas tun, solange ich bei dir bin."

„Na schön! Aber nur unter einer Bedingung", forderte die Blonde, während sie bereits ihren Koffer von der Ablage herunterholte. Angestrengt seufzte sie, als sie das schwere, klobige Gepäck auf den Boden stellte und ihr Buch in eine der vorderen Taschen stopfte. Dann stemmte sie die Hände in die Hüfte und grinste ihr Gegenüber breit an. „Du nennst mich endlich Cat. Alle meine Freunde nennen mich so."

Blaise erwiderte nun das Grinsen und nickte zustimmend. Dann griff er nach ihrem Koffer, noch ehe sie protestieren konnte, und trug ihn aus dem nun leeren Abteil heraus. Cat folgte ihm, wie er zielstrebig durch die Gänge lief und sich an den wenigen Schülern vorbeidrückte, die nicht in ihren Abteilen herumlungerten. Einige sahen ihnen verwundert hinterher, tuschelten dann aufgeregt miteinander, doch die Beiden machten sich nichts daraus. Je weiter sie kamen, desto weniger Schüler waren noch auf den Gängen versammelt. Es war ohnehin nicht mehr weit bis Hogsmeade und die meisten würden wohl bereits ihre Habseligkeiten zusammenpacken. Als sie eine Tür am Ende des Ganges erreichten, griff Blaise nach dem Griff und öffnete sie schwungvoll, während er beiseite trat und eine elegante, einladende Handbewegung machte. „Darf ich bitten, meine Dame?"

Die Blonde schmunzelte und machte einen Knicks. „Vielen Dank, der Herr, Ihr seid zu freundlich."

Die beiden lachten, dann wollte die Gryffindor durch die Tür treten, hielt aber kurz inne, als sie das Gefühl hatte, dass etwas ihren Arm streifte. Sie warf die Stirn in Falten und sah zu der Stelle, wo der Stoff ihres Pullovers auf ihrer Haut kribbelte. Unbewusst stich sie darüber und schüttelte dann den Kopf, ehe sie eintrat, Blaise direkt hinter ihr.

Die Geschichte von Catherine O'NeillWo Geschichten leben. Entdecke jetzt