Der barmherzige Samariter

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Hallo zusammen! Da dieses Kapitel ja irgendwie mit dem letzten zusammenhängt, wollte ich jetzt mal nachfragen, wie es euch gefallen hat. Fandet ihr es zu brutal, unrealistisch? Auch würde ich mich nach diesem Kapitel über eure Meinung zu Draco freuen. Habt ihr Wünsche/Ideen oder Vermutungen wie die Geschichte weitergeht? Liebe Grüße


Cat taumelte den Gang entlang, bis sie am anderen Ende an der Wand ankam und sich schwer atmend daran abstützte. Schlagartig wurde ihr von der kalten, klaren Luft schwindelig und ihr Gehirn wurde wieder mit genügend Sauerstoff versorgt, sodass sich das gesamte Ausmaß dieses Nachsitzens deutlich machte.

Draco trat vorsichtig an sie heran und beobachtete sie eine Weile stumm, ohne sie anzufassen oder anzusprechen. Er wollte ihr Zeit geben, um durchzuatmen und nachzudenken. Aber das unangenehme Ziehen in seinem Bauch drängte ihn schnell dazu, nachzuhaken. „Catherine, geht es dir gut?"

Unter seiner tiefen Stimme direkt neben ihr zuckte die Gryffindor erschrocken zusammen. Das hatte sie ja ganz vergessen, dass der noch hier war. Wie konnte er es überhaupt wagen, sie gerade anzusprechen, war er doch an ihrer ganzen Situation überhaupt schuld!

„Ja, blendend, Malfoy. Es ging mir noch nie besser", fuhr sie ihn sarkastisch an und drehte sich ruckartig zu ihm um, was sie allerdings sofort wieder bereute, da ihre Sicht verschwamm und sie kraftlos und verwirrt über ihre eigenen Füße stolperte.

Draco reagierte sofort und breitete die Arme aus, sodass die Blonde direkt dort landete. Schwach krallte sie sich an ihn, um Halt zu finden, doch ihre letzte Kraft hatte sie schon längst verloren. Sie fühlte sich schlaff und müde und wollte einfach nur noch schlafen. Es war immerhin auch schon Sperrstunde.

Als der Slytherin ihr half, sich wiederaufzurichten, streifte seine Hand nur für einen Augenblick über den Rücken des Mädchens, woraufhin ihr ein schmerzhaftes Zischen entfuhr. Und als er dann die Feuchte an seiner Hand spürte, hob er sie ins Dämmerlicht des Ganges. Und was er sah, ließ ihn stocken. Sie war von tiefrotem Blut befleckt.

„Du bist verletzt. Wir müssen dich zu Madame Pomfrey bringen!", sagte der Blonde sofort und wollte sich schon zum Gehen umwenden, doch Cats Hand schnellte zu seinem Handgelenk und hielt ihn fest.

„Nein, nicht Madame Pomfrey. Die wird es nur McGonagall erzählen und dann läuft die zu Dumbledore und diese Genugtuung will ich der alten Hexe nicht geben", lehnte die Gryffindor entschieden ab.

„Aber das, was sie dort tut, ist barbarisch, und jemand muss etwas dagegen unternehmen!", protestierte Draco verwirrt.

Cat schüttelte traurig den Kopf. „Glaubst du wirklich, dass sich etwas ändert, wenn Dumbledore davon weiß? Die Alte ist vom Ministerium höchst persönlich geschickt worden, das heißt, sie besitzt Immunität, die ihr niemand nehmen kann. Die wird einfach weiter machen und wir müssen nur noch mehr darunter leiden."

Draco riss sich aus ihrem Griff los und fuhr sich frustriert durch die zerzausten Haare, wobei er ein leises Stöhnen herausließ. „Aber...", begann er noch einmal.

„Kein aber, Malfoy", unterbrach die Gryffindor ihn sofort. „Wir sind hier auf uns allein gestellt. Oder vielmehr ich bin auf mich allein gestellt."

„Du bist nicht allein", widersprach Draco und griff nach ihrer Hand, um sie mit einem leichten Druck zu halten. Die Beiden standen nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt und Cat konnte förmlich die Verzweiflung in seinen Augen sehen. „Ich bin bei dir. Ich habe dich dort rausgeholt und ich würde es immer wieder tun."

Ein müdes Lächeln stahl sich auf Cats Lippen und sie sah zu Boden. „Wenn du mir wirklich helfen willst, dann versprich mir einfach, niemandem hiervon etwas zu sagen. Keinem Lehrer und keinem Schüler."

„Unter einer Bedingung", seufzte der Blonde resigniert. „Du lässt dich verarzten. Diese Wunden sind zu stark, um sie einfach so heilen zu lassen."

„Ich habe doch gesagt, dass ich nicht zu Madame Pomfrey..."

Weiter kam Cat nicht, denn der Slytherin unterbrach sie sofort, indem er sanft ihr Kinn zu sich zog, damit sie gezwungen war, ihn anzusehen. „Ich rede auch nicht von Madame Pomfrey. Ich rede von mir."

„Du? Wie willst du mir denn helfen?", fragte die Gryffindor verwirrt nach.

„Ich habe eine Salbe in meinem Schlafsaal, die Wunden schneller heilen lässt und eine Entzündung verhindert", erklärte er. Stille. Als Cat nach einer Weile immer noch nicht antwortete, kam es über seine Lippen. „Bitte."

Cat seufzte und lächelte schwach. „Na gut", gab sie schließlich nach. „Aber danach bringst du mich sofort zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum."

„Versprochen." Draco erwiderte das Lächeln kurz, dann legte er seine Arme unter Cats Rücken und Kniekehle und hob sie mit einem Ruck hoch, bevor er sofort Richtung Kerker loslief.

„Malfoy, was tust du da?", quietschte das Mädchen überrascht, während sie sich vollkommen versteifte wegen dem ungewöhnlichen Gefühl, in Dracos Armen zu liegen.

„Du kannst kaum stehen, da würde es Stunden dauern, bis ich mit dir im Kerker wäre", erklärte er belustigt. „Und jetzt stell dich nicht so an, O'Neill. Ihr Mädchen wünscht euch doch alle einen starken Kerl, der euch auf Händen trägt."

„Und du hälst dich für so einen starken Mann?" Cat zog fragend eine Augenbraue hoch und musterte sein Gesicht von der Seite, während sie einen Arm um seinen Nacken legte, damit sie sich besser festhalten konnte. Ein wohliges Gefühl breitete sich in ihrem Bauch aus.

„Ich trage dich doch gerade auf Händen, oder etwa nicht?", erwiderte Draco und seine arrogante und überhebliche Art kam wieder etwas zum Vorschein.

Die Blonde schüttelte amüsiert den Kopf. „Das ist doch metaphorisch gemeint, Malfoy. Wir wollen keinen Mann, der uns durch die Gegend trägt, auch wenn das zugegeben ganz angenehm ist. Wir wollen einen, der uns beschützt und sich für uns einsetzt, wenn es darauf ankommt. Einer, der uns für unseren Charakter liebt und nicht nur für unser Aussehen, auch wenn es ab und zu schön ist, das zu hören. Einer, bei dem wir ‚wir selbst' sein können und uns nicht verstellen müssen."

Stille trat ein und Cat beobachtete den Jungen ganz genau, es schien fast so, als würde er darüber nachdenken, was sie gerade gesagt hatte, als wäre er fast ein bisschen enttäuscht. Als er nach einer Weile immer noch nichts erwiderte, fügte sie noch schulterzuckend hinzu: „Zumindest ist das das, was ich mir von einem Kerl wünsche. Ich kann schließlich nicht für alle Frauen auf der Welt sprechen."

„Ich habe dich gerade vor Umbridge gerettet", meinte Draco schließlich ruhig und ohne sie anzusehen. „Erfülle ich damit deine Kriterien etwa nicht?"

„Ja, das ist sehr ehrenwert von dir, aber abgesehen von diesem Abend haben wir beide füreinander nicht mehr übrig als Verachtung und Provokation. Außerhalb dieses Abends würde keiner von uns für den anderen einstehen und sich in die Schussbahn werfen", erklärt Cat, wobei sie einen kleinen traurigen Unterton nicht aus ihrer Stimme halten konnte.

Nach einer erneuten Stille, die die Blonde nicht wagte zu unterbrechen, blieb der Slytherin vor einer Wand im Kerker stehen und sah kurz zu dem Mädchen, das in seinen Armen lag. Sie wirkte schwach und bleich, doch ihre blauen Augen strahlten ihn so klar wie eh und je an und für einen Moment verlor er sich darin. Er hatte lange darüber nachgedacht, was sie ihm gerade erzählt hatte und es hatte etwas in ihm ausgelöst, das ihn nicht losließ, das wie ein Spukgespenst in seinem Kopf herumschwirrte.

„Blutsverräter", hauchte Draco und in der Wand öffnete sich die Tür zum Slytherin-Gemeinschaftsraum. Zu Cat gewandt meinte er noch: „Wenn du das jemandem verrätst, bist du dran."

„Keine Sorge, Malfoy. Ich habe kein Interesse diesen Teil des Schlosses freiwillig zu betreten", beschwichtigte die Gryffindor.

Auf dem Weg durch den Gemeinschaftsraum die Treppe hoch zu Dracos Zimmer konnte die Gryffindor sich interessiert umschauen. Es waren keine Schüler mehr außerhalb ihrer Schlafsäle, dennoch brannte im Steinkamin ein warmes Feuer. Daneben hingen Vorhänge mit dem Wappen von der Decke. Das grünliche Licht, das offenbar vom Wasser des Sees gefärbt wurde, beschien einen kleinen Tisch umgeben von schwarzen Ledersesseln und einer Couch. Der Rest des Raumes bestand eigentlich nur aus den kalten, grauen Wänden des Schlosses.

Und auch Dracos Schlafsaal sah kaum anders aus. Die Betten waren mit schwarzer Bettwäsche bezogen und konnten durch grüne Vorhänge abgedunkelt werden. Im Prinzip war es genauso wie bei ihnen, nur dass sie hier in Slytherin alles in grün hatten und es nicht so hell und offen wirkte, dank dem einen kleinen Fenster, das der Gryffindor einen Blick in die dunkle, wolkenverhangene Nacht erlaubte.

Die Geschichte von Catherine O'NeillWo Geschichten leben. Entdecke jetzt