Ein Fünkchen Wahrheit

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Hallo zusammen! Wie ergeht es Cat wohl in den Ferien, nachdem sie so schlecht mit Draco auseinander gegangen ist? Das erfahrt ihr hier. Ich freue mich, eure Vermutungen zu den neuen Erkenntnissen dieses Kapitels zu erfahren! Lasst mir eure Meinung gerne in Form eines Kommentars da. Viel Spaß beim Lesen :)


Tag neununddreißig und noch immer kein Brief von Draco. Heute war Mittwoch, glaubte Cat zumindest. Die letzten Tage waren alle gleich verlaufen. Morgens kam sie kaum, und wenn nur spät, aus dem Bett. Das Essen, wenn sie überhaupt erschien, rührte sie nur spärlich an und ignorierte damit entschieden ihren knurrenden Magen, was nicht besonders förderlich für die missbilligenden und mitleidigen Blicke ihrer Eltern war. Sie hatte nicht besonders viel mit ihnen geredet, so wie sie es eigentlich immer in den ersten Tagen der Sommerferien tat. Vielmehr ging sie den Erwachsenen so gut es ging aus dem Weg und auf ihre Fragen beim Essen antwortete die Blonde so knapp wie möglich. Den Rest des Tages verbrachte sie damit, in ihrem Zimmer auf dem Bett zu liegen, die Kopfhörer über den Ohren und die lauteste, schlimmste Heavy Metal Musik zu hören, die die Welt zu bieten hatte. Auch, wenn sie jeden Abend pünktlich im Bett lag, in der Hoffnung, je länger sie schlief, desto weniger müsste sie an Draco denken, lag sie doch die halbe Nacht wach, still und leise weinend, damit niemand ihren Schmerz ertragen musste.

Die Gryffindor wusste einfach nichts mehr mit ihrem Kopf und ihren Gefühlen anzufangen. Es kostete sie eine Menge Kraft, die Bilder und Gedanken an die Ereignisse im Ministerium fernzuhalten, aber es gelang ihr irgendwie. Doch die Nacht war unbarmherzig und der Schlaf machte sie angreifbar. Immer öfter träumte sie von Sirius' Tod, von Harrys Schreien und Bellatrix' Lachen. Ihr Körper reagierte darauf mit Schreien und Weinen und immer, wenn sie aus ihrem Traum aufschreckte, fand sie sich in den tröstenden Armen ihrer Eltern wieder.

Bislang hatte Cat jede Woche einen Brief von Hermine erhalten. Sie las jeden einzelnen davon, doch sie hatte noch auf keinen geantwortet. Selbst, wenn sie gewusst hätte, was sie schreiben sollte, hätte sie es nicht über sich gebracht. Hermine wusste nicht, was sie in der Nacht im Ministerium getan hatte und sie hatte Angst vor der Reaktion ihrer Freundin, die bisher noch immer die richtigen Entscheidungen getroffen hatte. Außerdem erinnerten die Briefe sie zu sehr an die Geschehnisse aus dem letzten Jahr. Und irgendwie hoffte die Blonde zunehmend, dass ihre Probleme verschwinden würden, wenn sie nur jeden Gedanken an Magie verdrängte.

Auch Harry schrieb ihr bald regelmäßig Briefe, welche ohne Antwort von Cat zunehmend besorgter klangen. Offenbar waren er und die Brünette im Fuchsbau bei den Weasleys und hatten eine schöne Zeit. Er lud seine beste Freundin mehrmals ein, auch zu kommen, doch sie fühlte sich noch nicht bereit dazu, den anderen wieder gegenüber zu treten. So lagen die Briefe auf einem Haufen in der Ecke ihres chaotischen Zimmers und blieben weiterhin unbeantwortet.

Die Gryffindor hatte viel Zeit damit verbracht, über sich selbst nachzudenken und war dabei unweigerlich jedes Mal bei ihrem Verhalten im Ministerium angelangt. Sie hatte sich viele Male selbst dafür gehasst, doch erklären konnte sie es bis heute nicht. Sie hatte sich schon häufiger gefragt, ob ihre Gabe sie langsam aber sicher wahnsinnig machte oder ob sie einfach ein böser Mensch war. Immerhin waren die liebevollen Menschen, mit denen sie zusammen lebte, nicht ihre leiblichen Eltern und Merlin allein wusste, von wem sie abstammte. Der Gedanke, sie wäre direkt mit Todessern oder anderen blutdurstigen Zauberern verwandt, jagte ihr einen Schauer über den Rücken und verdrehte ihr den Magen. Doch seit sie es das erste Mal in Erwägung gezogen hatte, bekam sie das Bild nicht mehr aus ihrem Kopf.

An diesem Mittwoch also lag Cat auf ihrem Bett und nahm sich Victor Hugos „Les Misérables" vor. Doch egal, wie sehr sie sich auch konzentrierte, es fiel ihr zunehmend schwerer, sich auf die Worte auf dem Papier, statt auf die Worte in ihrem Kopf zu konzentrieren. Es waren Dracos Worte, seine Schuldzuweisungen, seine Vorwürfe, seine missbilligenden Blicke. Die Gryffindor hatte noch den schmerzlichen Klang seiner Worte im Kopf, wusste genau, wie er sie angeschrien hatte, sie sollte ihn in Ruhe lassen, als sie ihn am dringendsten gebraucht hätte. Es steckte wie eine Endlosschleife in ihrem Bewusstsein und ließ ihr keinen Frieden. Ganz bewusst las sie sich nun die Geschichte auf den vergilbten Seiten vor ihr laut vor, um ihren Kopf mit etwas anderem zu beschäftigen.

Doch sie kam nicht weit, da ertönte die Stimme ihrer Mutter vom Treppenabsatz zu ihr herauf. „Kitty, würdest du bitte mal runter kommen?"

Genervt rollte die Blonde mit den Augen und vergrub ihren Kopf im Kissen. Wie sie diesen Spitznamen hasste! Sie war fünfzehn und nicht mehr fünf! Außerdem konnte sie es nicht gebrauchen, Zeit mit ihren Eltern zu verbringen. Sie wollte keine Fragen beantworten, auf die die Erwachsenen keine Antworten haben wollten, nicht wirklich zumindest. „Ich kann gerade nicht!"

„Keine Widerrede, junge Dame!" Die Stimme der Mutter klang wütend, doch Cat konnte ein Zittern darin hören, das ihr eine böse Vorahnung gab. Also erhob sie sich mit einem lauten Stöhnen, klappte das Buch mit voller Wucht zusammen und stapfte schlecht gelaunt aus ihrem Zimmer die Treppe herunter. Als sie im Wohnzimmer ankam, saßen beide Elternteile bereits nebeneinander auf der Couch und beobachteten ihr Kind, dem nun nichts anderes übrig blieb als den Platz auf dem Sessel gegenüber einzunehmen.

Es war eine Weile still zwischen den Erwachsenen und ihrer Tochter, geradezu unangenehm leise. Die Eltern beobachteten das Mädchen vor sich genau. Sie hatte stark abgenommen, war blass und wirkte müde. Ihr ganzer Körper wirkte kränklich und schwach, so als würde etwas daran zehren, als würde all ihre Energie von einem unausgesprochenen Kummer aufgefressen werden. Die Mutter war die erste, die zu sprechen begann. „Kitty, wir haben gemerkt, dass es dir offensichtlich nicht gut geht und wir machen uns Sorgen um dich. Du isst kaum noch, gehst nicht mehr raus, antwortest deinen Freunden nicht auf ihre Briefe. Und fangen wir gar nicht erst an von den Alpträumen, die du jede Nacht hast. Du bist so verschlossen, so gereizt. Das kennen wir alles gar nicht von dir. Und wir möchten dir helfen. Also bitte, was ist in Hogwarts passiert?"

Die Blonde antwortete nicht, verschränkte die Arme vor der Brust und ließ sich genervt schnaubend in den weichen Sessel sinken.

„Ist es wegen diesem Draco? Bist du unglücklich verliebt, Schatz?", hakte ihre Mutter weiter nach und betrachtete ihr Kind mit einem mitleidigen Blick.

Die Gryffindor verkrampfte sich und riss schockiert die Augen auf. „Woher kennst du diesen Namen?"

Die Eltern sahen einander an ehe der Vater ruhig erklärte: „Du sagst ihn im Schlaf, wenn du deine Alpträume hast."

Wieder trat Stille ein und Cat überlegte sich jedes Wort, das sie nun sagen würde, sehr genau. „Draco und ich sind zusammen, das stimmt. Es ist nicht unbedingt einfach. Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich in letzter Zeit so...angespannt bin."

Ihre Mutter beugte sich zu ihr über den Beistelltisch hinweg und griff nach ihrer Hand, eine warmherzige Geste, die der Blonden normalerweise so viel Kraft gespendet hätte, doch jetzt gerade einfach nur toxisch wirkte. „Kitty, du weißt, dass du mit uns über alles reden kannst."

„Ach, kann ich das?", fragte die Blonde spöttisch, entzog der Frau ihre Hand und kassierte dafür überraschte Blicke. „Mal abgesehen davon, dass ihr keine Zauberer seid und nur die Hälfte von dem versteht, was ich euch erzähle, weiß ich selbst nicht, was ich darüber denken soll. Es ist so viel passiert im letzte Jahr und ich weiß einfach nicht mehr, wer ich bin."

Ihr Vater zog eine Augenbraue in die Höhe und legte den Kopf schief. „Wie meinst du das? Du weißt nicht mehr, wer du bist?"

Sie sah ihn an und unter der Verletzlichkeit, die sie bis gerade eben noch eingenommen hatte, blitzte Wut auf und die Worte traten ohne ihr Zutun aus ihrem Mund. „Ich meine, dass ich adoptiert bin!"

Die Frau ihr gegenüber blinzelte völlig überrumpelt und schüttelte schnell den Kopf. „Wie kommst du denn jetzt darauf?"

„Ich habe mich schlau gemacht. Meine Fähigkeit tritt nur in reinblütiger Abstammung auf. Das hat mich stutzig gemacht, also bin ich ins Rathaus und wollte meinen Stammbaum einsehen. Aber ups..." Die Blonde machte ein gespielt geschocktes Gesicht und zuckte mit den Schultern. „Wie es scheint, existiert kein Eintrag über meine Person. Ich bin ein Geist."

Sofort schüttelte ihr Vater den Kopf und setzte an: „Das ist vollkommener Blöd..."

„Es stimmt", unterbrach seine Frau ihn allerdings und wandte ihren Blick dann von der Tochter ab. „Tut mir leid, aber ich ertrage es nicht mehr länger. Sie soll es jetzt erfahren."

Ihr Mann seufzte und nickte knapp, sodass sie fortfahren konnte. „Es stimmt. Du bist adoptiert. Wir konnten selbst nie Kinder bekommen, weißt du? Es war ein Segen für uns, dich zu haben."

Ungläubig schüttelte Cat den Kopf, presste sich die Hände an die Schläfen und blickte zwischen ihren Eltern hin und her. Im Grunde wusste sie es bereits seit einem Jahr, aber nun endlich die Bestätigung zu erhalten, dass sie all die Jahre bei Fremden gelebt hatte, war ein größerer Schock, als sie es sich vorgestellt hatte. Ihre Mutter hatte bereits Tränen in den Augen, die sie nicht mehr länger zurückhalten konnte. Ihr Vater hatte seine Hand beruhigend auf die Schulter seiner Frau gelegt und schwieg. „Wusstet ihr, dass ich eine Hexe bin? Wusstet ihr, wer meine leiblichen Eltern waren?" Das Zittern in ihrer Stimme war kaum zu überhören, als sie diese Frage stellte und sie war sich nicht sicher, ob sie die Antwort tatsächlich hören wollte.

Die Geschichte von Catherine O'NeillWo Geschichten leben. Entdecke jetzt