Besuch eines Verbündeten

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Hallo zusammen! Heute gibts wieder was von mir ;) Leider das vorletzte Kapitel, das ich noch vorgeschrieben habe, danach werden die Wartezeiten wohl etwas länger! :( Ich wünsche euch trotzdem viel Spaß beim Lesen!

Cat saß auf dem staubigen Bett in Sirius' altem Kinderzimmer und blätterte in dem vergilbten Adressbuch, dass Dumbledore ihr in seinem Testament hinterlassen hatte. Wie auch Hermine versuchte sie seit einiger Zeit zu verstehen, wieso ihr ehemaliger Schulleiter ihr ausgerechnet diesen Gegenstand vermacht hatte. Doch je öfter sie durch die Seiten des Adressbuchs durchblätterte, desto weniger Zusammenhänge erkannte sie. Einzig das kleine, braune Visitenkärtchen mit der seltsamen Darstellung eines Pfeils schien nicht so recht dazu zu passen. Sie hatte das Symbol auf der Visitenkarte bereits mehrfach mit den Runen aus ihren Lehrbüchern verglichen, doch keine Übereinstimmung gefunden. Ob es wohl etwas mit den Horkruxen zu tun hatte, nach denen sie suchten? Würde es sie vielleicht zu einem dieser schwarzmagischen Gegenstände führen?

Vor einigen Tagen hatte ausgerechnet Kreacher den Vier den alles entscheidenden Hinweis zum Verbleib des echten Medaillons, der eigentlich ein Horkrux war, gegeben. Harry hatte ihn auf die Suche nach dem Dieb Mundungus geschickt – in der Hoffnung, er würde in wenigen Stunden zurück sein. Doch bislang war Kreacher nicht zurückgekehrt. Das passte Cat allerdings mehr in den Kram als sie zugeben wollte. Wenn der Hauself mit Antworten zurückkam, würden die Drei sofort losziehen und sich auf die Suche nach den Horkruxen machen. Aber der Alterungstrank war noch nicht fertig. Ein paar Tage würde es noch dauern, keine Ewigkeit mehr. Und dennoch hegte die Blonde die egoistische Angst, dass die Drei sie zurücklassen würden, wenn die Zeit drängte – was sie nun mal auch tat.

Seufzend legte die Blonde das Adressbuch in ihrem Schoß beiseite und stand vom Bett auf, um das Zimmer zu verlassen und sich zu ihren Freunden im Wohnzimmer zu gesellen. Doch als sie die Treppe herunter schritt, kam ihr Harry entgegen. Sein Gesicht war angespannt und er rieb sich die pochende Schläfe, als er zu dem Mädchen aufblickte. Aus dem Wohnzimmer drang gedämpft die schimpfende Stimme von Hermine an ihr Ohr. „Sie streiten wieder?", fragte die Gryffindor.

Harry nickte knapp. „Dieses Gezanke geht mir mittlerweile ziemlich auf die Nerven. Die Zwei sind schon wie ein altes Ehepaar!"

Cat grinste den Schwarzhaarigen an. „Früh übt sich."

Der Gryffindor begann herzlich zu lachen. Es war ein befreiendes Gefühl, so leicht und einfach – eine solche Stimmung hatte es die letzten Tage über nicht gegeben. Jeder war von einer alles erdrückenden Ungeduld und Angst befallen, die keinen Raum für Spaß ließ. Umso mehr war dieser kleine Witz für ihn wie ein Moment des Durchatmens.

Ein dumpfes Klopfen wischte den Beiden das Grinsen aus dem Gesicht und ihre Köpfe fuhren zur Tür herum. Das metallische Rasseln der Kette verriet ihnen, dass jeden Augenblick ein unangekündigten Gast eintreten würde. Harry zückte sofort seinen Zauberstab, während Cat neben ihn trat und die Hände vor die Brust hob. Die Tür schwang auf und eine Kapuzengestalt trat eilig ein. Sofort erhob sich die Staubgestalt aus dem alten Teppich und raste auf den Eindringling zu.

„Ich war es nicht, der dich getötet hat, Albus!"

Der Staub bröselte wirkungslos zu Boden und hinterließ eine dichte Wolke.

„Keine Bewegung!", rief Harry alarmiert aus. Im selben Augenblick polterten Hermine und Ron die Stufen hinab zu ihnen und zogen ihre Zauberstäbe.

„Nicht feuern! Ich bin es, Remus!"

Hermine atmete hörbar aus und legte sich beruhigend die Hand auf das pochende Herz. Ron ließ seinen Zauberstab sinken. Cat schüttelte mit dem Kopf. Auch Harry schien nicht überzeugt. Die Blonde legte die flache Hand direkt unter ihr Kinn und blies kräftig hinein. Ein starker Wind schoss durch den dichten, staubigen Nebel und bildete einen sauberen Tunnel, durch den der Mann treten konnte.

Remus Lupin trat mit erhobenen Händen an das kleine Grüppchen heran. „Ich bin Remus Lupin, Werwolf, manchmal Moony genannt, einer der vier Urheber der Karte des Rumtreibers, verheiratet mit Nymphadora, meist Tonks genannt, und ich habe dir, Harry, beigebracht, wie man einen Patronus hervorbringt, der bei dir die Gestalt eines Hirsches annimmt."

Harry ließ den Zauberstab sinken und nickte. „Ich wollte nur sichergehen."

Beinahe wie auf Kommando rannten die Jugendlichen die Treppe hinunter. „Was ist bei euch los? Sind alle okay? Was ist auf der Hochzeit passiert?"

Die Fragen platzten ihnen ohne Vorwarnung heraus. Eine halbe Ewigkeit hatten sie mit Unwissenheit verbracht und brannten förmlich darauf, endlich Antworten zu bekommen. Remus nickte geduldig und gab bereitwillig einen ausführlichen Bericht. Nur Cat schien zu bemerken, dass der Mann erschöpft wirkte. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, war unnatürlich blass und konnte nur ein müdes Lächeln hervorbringen.

„Ich gehe uns mal einen Tee machen", sagte die Blonde in die Runde, um dem Rumtreiber eine kleine Verschnaufpause zu gewähren. Remus lächelte sie dankbar an, ehe sie sich abwandte. Die Vier gingen gemeinsam in den Salon, während die Blonde Richtung Küche verschwand. Cat war froh, dass er hier war. Sie konnten den Rat eines Erwachsenen, der bereits einen Krieg gegen Voldemort und dessen Anhänger geführt hatte, gut gebrauchen. Außerdem war es beruhigend, endlich die Gewissheit zu haben, dass es ihren Liebsten gut ging und sich alle schadlos von der Hochzeit retten konnten.

Als die Blonde die Küche betrat, nahm sie einen alten Teekessel zur Hand, füllte ihn mit Wasser und stellte ihn auf den Herd. Während die Flüssigkeit langsam zu blubbern begann, zog die Gryffindor fünf Tassen aus dem Schrank und platzierte sie gemeinsam mit der Milch und dem Zucker auf einem großen, schweren Tablett.

„Begreift ihr nicht, was ich meiner Frau und meinem ungeborenen Kind angetan habe?" Es war Remus' Stimme, die gedämpft, doch durch seine Wut so klar und donnernd, an ihr Ohr drang.

Der Blonden gefror schlagartig das Blut in den Adern. Kind? Tonks war schwanger? Sie hielt in der Bewegung inne und lauschte angespannt der Reaktion ihrer Freunde. Sie wagte nicht einmal, einen weiteren Atemzug zu tun, aus Angst, sie könnte über das Schnaufen nichts verstehen. Doch es war ohnehin eine naive Hoffnung, mehr als ein unverständliches Gemurmel zu hören. Von den Stimmen war Harrys noch die lauteste und er sagte etwas, das klang wie ‚ziemlich für ihn schämen', doch Cat hätte es sich ebenso gut einbilden können.

Der Kessel mit dem heißen Wasser riss sie pfeifend aus ihren Gedanken. Schnell machte Cat sich daran, die Flüssigkeit vom Herd zu nehmen und gleichmäßig in den vorbereiteten Tassen zu verteilen. Vielleicht konnte ein heißes Getränk die erhitzten Gemüter etwas entspannen. Die Blonde stellte die Teekanne ebenfalls auf das Tablett und hob es vorsichtig mit beiden Händen vor ihre Brust, genauestens darauf bedacht, nichts zu verschütten.

Plötzlich knallte es laut, gefolgt von einem dumpfen Aufprallen. Cat sah instinktiv zur Tür, so als konnte sie hindurch blicken und erkennen, was sich im Wohnzimmer zwischen den anderen abspielte.

„Remus! Remus! Komm zurück!", drang Hermines panische Stimme an ihr Ohr. Sofort stellte die Blonde das Tablett mit der Teekanne wieder auf den Tisch, sodass es laut klirrte und etwas von der heißen Flüssigkeit überschwappte. Es kümmerte sie nicht, das konnte sie später auch noch sauber machen. Eilig riss sie die Tür zur Küche auf und konnte gerade noch mitansehen, wie der Rumtreiber an ihr vorbei stürmte.

„Halt!", protestierte Cat eilig und lief ihm hinterher. „Remus, warte!"

Doch er reagierte nicht auf ihre Rufe, sein Umhang wehte durch den Gang, so eilig hatte er es, zur Haustür zu gelangen. Er griff bereits nach dem Knauf, drehte ihn und zog dann die Tür einen Spalt auf, da streckte Cat die Hand aus. Eine Druckwelle ging von dort aus und ließ die Tür mit Schwung wieder zufahren, sodass Lupin der Knauf entglitt. Er knurrte etwas Unverständliches, griff aber erneut danach und zog die Tür auf. Doch wieder ließ die Blonde einen starken Windstoß seinen Plan durchkreuzen.

Wütend fuhr der ehemalige Lehrer zu ihr herum und funkelte sie giftig an. Aus einem Impuls heraus zog er seinen Zauberstab und richtete ihn auf das Mädchen. „Ich will dir nicht wehtun."

„Denkst du wirklich, dass du das könntest?", fragte die Gryffindor kühl und blinzelte zweimal, wobei sie ganz bewusst zuließ, dass ihre Pupillen für einen kurzen Augenblick zu silbernen Scheiben wurden.

Remus schluckte den Kloß in seinem Hals herunter, sein Zauberstab hatte begonnen zu zittern und er verzog das Gesicht, als erlitt er größte Schmerzen. Es war nicht so, dass er Angst vor ihr hatte – Respekt, das sicherlich –, aber gerade waren alle seine Gefühle so intensiv und sie zerfraßen ihn von innen. „Zwing mich nicht, das zu tun", flehte er sie beinahe an. Eine Träne kullerte ihm über die Wange.

Cat legte den Kopf schief und machte einen vorsichtigen Schritt auf ihn zu. „Hättest du das je zu meiner Mutter gesagt?", erkundigte sie sich ehrlich interessiert. „Hättest du je den Zauberstab gegen sie erhoben?"

Der Rumtreiber fixierte die Blonde ganz genau, als sie langsam auf ihn zu kam, wobei er den Zauberstab nicht senkte. Seine Augen hatten sich kaum merklich geweitet, doch es genügte, damit sie erkannte, dass sie einen Nerv getroffen hatte. Lily war immer verständnisvoll und liebevoll gewesen, er hätte es nie gewagt, nicht einmal im übelsten Streit, seinen Stab gegen sie zu erheben. Doch was ihn vielmehr irritierte, was ihn schockierte, war etwas Anderes. „Du weißt es", stellte er leise fest.

Die Blonde nickte leicht zur Bestätigung und tat dann den letzten Schritt auf Remus zu. Behutsam legte sie ihre Hand auf seinen Arm, mit dem er den Zauberstab auf sie richtete, und drückte ihn nach unten, während sein schockierter Blick sie noch immer nicht aus den Augen ließ. Aber er ließ es zu. „Und...weiß Harry...?", stotterte er weiter.

„Nein." Cat presste bitter die Lippen aufeinander. „Und deswegen würde ich es begrüßen, wenn du dich beruhigst und wir dieses Gespräch woanders weiterführen könnten."

Einen scheinbar endlos langen Moment regte sich ihr Gegenüber nicht, stattdessen musterte er das Mädchen mit gerunzelter Stirn, so als wäre er sich unschlüssig, ob es tatsächlich klug war, das Angebot für ein Gespräch anzunehmen.

Hinter der Gryffindor sprang die Tür zum Wohnzimmer auf und Hermine trat völlig aufgelöst heraus. „Cat? Remus? Was...?"

Die Blonde drehte sich zu ihrer Freundin herum und hob abwehrend die Hand. „Nicht jetzt, Hermine", bat sie und lächelte leicht. „Ich kümmere mich darum. Kümmere du dich um Harry. Bitte."

Die Brünette zögerte einen Augenblick. Sie sah zu Remus, der nervös zu zittern begonnen hatte. Dann nickte sie ihrer Freundin zu, ehe sie die Treppe wieder hinauflief und im Wohnzimmer verschwand.

„Es tut mir leid", rief Remus ihr plötzlich hinterher, doch die Tür war bereits wieder mit einem Knallen zugefallen. Dann wandte er sich wieder an Cat und seufzte, wobei seine Schultern erkennbar zusammenfielen. „Lass uns reden."

Die Gryffindor nickte zufrieden, dann drehte sie sich auf dem Absatz herum und lief die Treppe hinauf. Am Ätzen der Stufen erkannte sie, dass Remus ihr folgte. Als sie im Obergeschoss angekommen war, öffnete sie die Tür zu Sirius' altem Zimmer und ließ den Rumtreiber eintreten. Remus sah sich vorsichtig darin um und man konnte ihm ansehen, wie schwer es ihm fallen musste, zu begreifen, dass all seine Freunde – sofern man Peter Pettigrew nicht mitzählte und niemand schien jemals Peter mitzuzählen – ihn auf ewig verlassen hatten, dass alles, was ihm von ihnen geblieben war, nichts als Erinnerungen in Form von staubigen oder zerstörten Kinderzimmern waren.

Cat räusperte sich vorsichtig, um Remus' Aufmerksamkeit wieder auf sich zu richten. „Was ist passiert?"

Der Werwolf seufzte und stemmte die Hände in die Hüfte. „Ich bot Harry an, ihn auf seiner Reise – eurer Reise – zu begleiten."

„Und er ist wütend geworden", schlussfolgerte die Blonde sofort. „Weil er findet, dass du Tonks und dein Kind im Stich lässt."

„Ich tue das doch nicht aus Eigennutz!", wehrte er sich heftig. „Es herrscht Krieg. Ich möchte doch nur meinen Beitrag dazu bringen, dass wir siegen. Wäre James hier, würde er dasselbe tun. Für das größere Wohl."

Skeptisch zog die Blonde die Augenbraue in die Höhe. „Glaubst du das wirklich? Glaubst du wirklich, James hätte Lily verlassen, als sie schwanger war? Hätte Harry im Stich gelassen?"

„Das ist nicht dasselbe. James war kein..."

„Kein Monster?"

Remus schwieg, doch seinem bitteren Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte sie direkt ins Schwarze getroffen. Für ein paar Sekunden sahen sich die Beiden fest in die Augen. Der Mann zitterte vor Anspannung, die Wut, die er empfand, entlud sich in einem unangenehmen Prickeln in seiner Magengegend und er hatte das Gefühl, sich jeden Augenblick übergeben zu müssen. Schließlich seufzte er frustriert und warf die Arme über dem Kopf zusammen, seine Finger vergruben sich in seinem lichten Haar und zerrten daran. „Wenn die Beiden doch nur hier wären! Sie wüssten, was zu tun ist! Sie haben immer das Richtige getan."

Er lief ein paarmal im Zimmer auf und ab, schien mit sich selbst einen inneren Kampf auszutragen. Doch schlagartig blieb er auf der Stelle stehen und fixierte das Mädchen, das ihn besorgt musterte, mit den Augen. Sein Gesicht war sonderbar verzogen, so als wäre ihm eine Erkenntnis gekommen. „Kann ich...", begann Remus vorsichtig, doch seine zitternde Stimme brach ab. Es war vermessen, diese Frage zu stellen, das wusste er. „Kann ich es sehen? Wie du wirklich aussiehst?"

Cat wollte bereits den Mund öffnen, um zu protestieren. Sie mochte es nicht, hatte sich selbst noch nicht daran gewöhnt. Doch der Rumtreiber sah sie aus traurigen Augen an. „Bitte", flüsterte er.

Langsam schloss die Gryffindor wieder ihren Mund, atmete einmal tief ein und aus und nickte dann ergeben. Kaum hatte sie die Augen geschlossen, setzte die Verwandlung auch schon ein. Es war ein einstudiertes Ritual, das sie bereits mehrmals ausgeführt hatte, wenn sie alleine im Badezimmer war. Sie hatte die Hoffnung gehegt, sich so an ihr neues Ich, das neue Gesicht, das sie aus dem Spiegel heraus anstarrte, zu gewöhnen. Doch bislang waren die Bemühungen vergebens gewesen. Ruckartig öffnete sie die Augen wieder und griff sich unwillkürlich in ihr rotes, krauses Haar, das sich wie ein Fremdkörper auf ihrem Kopf anfühlte.

Lupins Mund öffnete sich, er atmete stoßweise, seine Hände zitterten leicht und er wich langsam zurück, bis seine Waden die Bettkante hinter sich berührten. Sofort gaben seine Muskeln dem Drang nach, sich einfach fallen zu lassen, und er setzte sich benommen auf die quietschende Matratze, ohne den Blick von dem Mädchen vor sich abzuwenden.

„Lily", hauchte er schockiert. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, dann hätte er geglaubt, dass vor ihm das fünfzehnjährige Mädchen stand, hinter dem sein Freund James wie verrückt her war. Doch vor ihr stand nicht Lily, sondern ihre Tochter, und wenn man genauer hinsah, konnte man auch die Unterschiede erkennen. Das Mädchen vor ihm hatte weniger Sommersprossen als seine Freundin damals und auch, wenn Lily immer sehr besonnen und reif gewesen war, so schien Catherine für ihr Alter deutlich gefasster und erwachsener als ihre Mutter. Als all diese Kleinigkeiten in sein Bewusstsein drangen, stachen ihm eintausend Nadeln direkt ins Herz, doch gleichzeitig hatte er ein seltsames Gefühl von glücklicher, friedlicher Beflügelung. Er lächelte leicht, als eine einsame Träne über seine Wange kullerte. „Du siehst deiner Mutter sehr ähnlich."

Cat erwiderte das Lächeln nur halbherzig und schloss dann wieder ihre Augen, um ihr altes Aussehen zurückzugewinnen. Es behagte ihr noch immer nicht, mit dieser anderen Gestalt in den Spiegel zu sehen. Sie hatte es oft versucht, wenn sie allein war. Sie wusste, dass das, was sie sah, sie selbst war, ihre roten Haare und die grünen Augen, aber immer, wenn sie sich selbst anblickte, fühlte sie sich so fremd in ihrem Körper, als würde sie nun das Leben einer anderen Person leben. Und hinzu kam noch die Tatsache, dass jeder, der ihre wahre Gestalt zu Gesicht bekam, in einem plötzlichen Anfall von glücklichen Emotionen zu ertrinken schien. Rational betrachtet war ihr auch vollkommen klar, dass diese Reaktion nur natürlich war, immerhin verbanden die Leute schöne Erinnerungen mit Lily und vermissten sie schrecklich. Doch persönlich betrachtet gab es der Blonden ein erdrückendes Gefühl, so als müsste sie nun Erwartungen erfüllen, die nie für sie gedacht waren, so als wäre sie – Catherine O'Neill – nunmehr nicht länger von Belang.

Die Gryffindor ließ sich neben dem Rumtreiber nieder und verschränkte die Hände in ihrem Schoß. Sie spürte, wie er seinen forschenden Blick über sie gleiten ließ, so als suchte er auch in diesem blonden Mädchen noch die Frau, die einst seine beste Freundin gewesen war. Es behagte ihr nicht und ihr Körper musste das mit jeder Faser ausstrahlen. Ihre Schultern waren unangenehm angespannt, die Knöchel ihrer Hände traten weiß hervor und ihre Lippen waren zu einem schmalen Schlitz zusammengepresst. Irgendwann wandte er glücklicherweise den Blick ab und starrte stattdessen auf die vergilbte Wand auf der anderen Seite des Bettes.

„Harry hat Recht, Remus", meinte Cat nach einer Weile der Stille, in der sie nebeneinander gesessen und die Wand in Sirius' Zimmer angestarrt hatten. „Er meint es nicht böse, er ist was das Alles angeht eben sehr empfindlich, aber er hat Recht."

Träge nickte sein Kopf zur Zustimmung, doch er vermied es, das Mädchen direkt anzusehen. „Es ist nur so, dass ich schreckliche Angst davor habe", gab er schließlich zu und ließ die Schultern schlaff hängen. Ein Schniefen entkam ihm und er rieb sich mit einem Tuch die Wangen trocken. „Ich kann dem Kleinen nichts bieten."

„Jeder hat Angst davor. Und jeder, der etwas Anderes behauptet, der lügt", meinte die Gryffindor bestimmt und lächelte ihr Gegenüber an, als sie behutsam eine Hand auf seine Schulter legte und leicht zudrückte. „Hör' zu, ich weiß, dass meine Eltern nicht perfekt sind und dass sie Fehler machen, das ändert aber nichts daran, dass ich sie liebe. Harry weiß, dass sein Vater in unserem Alter ein ziemlicher Idiot war und viel Unsinn getrieben hat und trotzdem verehrt er ihn förmlich. Und dein Kind wird dich auch lieben, Remus, solange du es wie dein Ein und Alles behandelst."

„Du bist wirklich genau wie deine Mutter", schmunzelte Remus und sah das Mädchen von der Seite an. „Sie war auch immer so klug und einfühlsam, hatte immer die richtigen Worte parat."

„Ehrlich gesagt bin ich mir da nicht so sicher", gab die Blonde kopfschüttelnd zu und seufzte. „Diese Familie ist mir vollkommen fremd, ich habe absolut keinen Bezug zu ihnen."

„Natürlich hast du den", widersprach der Rumtreiber. „Harry ist dein Bezug zu ihnen. Harry ist deine Familie."

„Ja, aber das ist etwas anderes", nuschelte die Gryffindor und legte ihr Gesicht in ihre Hände. „Harry und ich waren schon immer sehr eng miteinander verbunden. Aber jetzt auf einmal eine Potter zu sein, kommt mir so falsch vor, als hätte man mir eine Bürde, eine Bestimmung, auferlegt, die nie für mich gedacht war."

„Catherine, es ist in Ordnung, wenn du Lily und James nicht als Mom und Dad siehst. Du kennst die Beiden ja gar nicht. Alles, was zählt, was die Beiden jemals wollten, ist, dass ihr zwei – Harry und du – glücklich seid, gemeinsam. Halte daran fest."

Die Blonde blickte zu dem ehemaligen Lehrer auf und zog die Mundwinkel zu einem angespannten Lächeln. Sie nickte knapp. „Danke, Remus."

Der Werwolf erwiderte das Lächeln. Dann klatschte er mit beiden Händen auf seine Oberschenkel und erhob sich von dem Bett, das bei der Bewegung erleichtert quietschte. „Nun, da ich nicht vermute, dass Harry seine Meinung nach meinem vollkommen unangebrachten Ausbruch ändert, werde ich jetzt zurück zu meiner Frau gehen und ihr sagen, wie sehr ich sie und unser Kind liebe und dass ich für sie beide da sein möchte, wenn sie mich lässt."

„Da mache ich mir absolut keine Sorgen", entgegnete Cat grinsend und legte die Arme um ihn. Es sollte nicht nur ein Trost für ihn sein, das war es auch für sie. Ein kurzer Moment der Ruhe und Geborgenheit ehe der Krieg wieder über sie hereinbrechen würde. Remus war zunächst ein wenig überrascht, lächelte dann aber und drückte das Mädchen leicht an sich.

„Ich hoffe, ihr habt Erfolg bei was auch immer Dumbledore euch auferlegt hat." Seine raue Stimme flüsterte die Worte gegen ihr Ohr und mit einem leichten Kloß im Hals fügte Remus hinzu: „Aber bitte, zögert nicht, mich oder ein anderes Mitglied des Ordens zu kontaktieren, wenn ihr in Schwierigkeiten geratet. Dumbledore sagte mir einmal, in Hogwarts wird jedem Hilfe zuteil, der danach fragt. Das gilt auch für den Orden."

„Ich werde daran denken", versicherte die Blonde mit einem ehrlichen Lächeln und löste sich dann langsam aus der Umarmung, ehe sie gemeinsam die Treppe herunterstiegen. Harry und die anderen waren nirgendwo zu sehen, es war still im Haus und Cat vermutete, dass sie sich nicht blicken lassen würden, um sich zu verabschieden.

Vor der Eingangstür drehte Remus sich noch einmal zu dem Mädchen um und musterte sie von oben bis unten. „Mach es gut, Catherine Lily Potter. All unsere Hoffnungen liegen nun auf euren Schultern."

Cat hob die Hand zum Gruß. „Mach's gut, Remus, und grüße Tonks von mir." Schneller als ein Wimpernschlag hatte der Mann die Tür geöffnet, war herausgetreten und appariert. Die Tür fiel mit einem leisen Klicken wieder ins Schloss und die Blonde lehnte sich für ein paar Sekunden von innen daran an. Ihr Kopf ruhte an dem kühlen Holz und sie stieß angestrengt die Luft aus. Sie konnte nicht sagen, ob es klug gewesen war, Remus wegzuschicken. Ein Erwachsener als Unterstützung wäre sicherlich von Vorteil gewesen. Doch er musste bei seiner Familie bleiben. Und so blieb es wohl dabei, dass die Rettung der Welt an diesen vier Jugendlichen hing.

Die Geschichte von Catherine O'NeillWo Geschichten leben. Entdecke jetzt