Das Treffen der Todesser

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Hallo zusammen! Heute mal wieder ein Kapitel aus Dracos Sicht, bevor wir dann im nächsten mit Cats Weg im siebten Schuljahr weitermachen. Ich würde mich auch mal wieder über Feedback freuen, ob euch eine Erzählung aus Dracos Sicht gefällt? Jetzt erst einmal viel Spaß beim Lesen!


Draco Malfoy hatte in seinem Leben noch nicht oft eine so tiefsitzende Panik empfunden. Als er mit sechs Jahren zum ersten Mal auf einem Besen gesessen hatte, hatte er Angst gehabt herunterzufallen. Als er im ersten Schuljahr für eine Strafarbeit in den Verbotenen Wald geschickt wurde, hatte er Todesangst gehabt. Und als Alastor Moody ihn im vierten Schuljahr in ein Frettchen verwandelt hatte, war er völlig verschreckt gewesen. Mittlerweile war die Angst sein täglicher Begleiter geworden. Seit er in die Reihen der Todesser aufgenommen wurde, musste er ständig damit rechnen, für irgendeinen belanglosen Fehler gefoltert zu werden. Ein ganzes Schuljahr lang hatte er täglich gebangt und gehofft vor lauter Panik, Voldemort würde die Geduld verlieren und zur Strafe seine Familie töten.

Doch Angst war nichts im Vergleich zu den Gefühlen, die er empfand, wenn er wie am heutigen Abend etwas abseits am großen Tisch im Malfoy Manor saß und die abscheuliche Kreatur mit den blutroten Augen und den Schlitzen anstelle der Nasenlöcher beobachtete. Eine unangenehme Mischung aus Ekel, Hass und Furcht erfüllte ihn von innen heraus, drehte ihm den Magen um, ließ ihn zittern und schwitzen zur selben Zeit und stellte ihm die Nackenhaare auf. Er hasste es, an diesem Tisch zu sitzen. Er hasste alles, wofür dieser Tisch und die Anwesenden standen. Er hasste sich selbst dafür, dass er nicht mutig genug gewesen war, sich von alledem loszusagen.

Draco achtete kaum auf die Gespräche, die in den nicht enden wollenden Runden der Todesser stattfanden. Das meiste war für ihn ohnehin nicht von Belang. Er hatte die Aufgabe erfüllt, für die er in die ‚privilegierten' Reihen der Todesser aufgenommen wurde, und nun nahm niemand mehr von ihm Notiz. Es war nicht so, dass es ihn störte. Im Grunde war er froh darum, soweit es ging außen vor zu bleiben. Doch gleichzeitig konnte er sich nichts vorstellen, dass sich falscher anfühlen konnte als mit diesen abscheulichen Menschen an einem Tisch zu sitzen und so tun zu müssen, als würde er tatsächlich hoffen, eine Aufgabe zugeteilt zu bekommen.

Der Angriff auf Hogwarts war nun bereits zwei Wochen her und die Treffen fanden seither deutlich häufiger statt, denn man plante, Potter noch vor seinem siebzehnten Geburtstag in die Finger zu bekommen. Die heutige Diskussion war deutlich aufgeladener als gewöhnlich. Immer wieder fing Draco Gesprächsfetzen auf wie ‚Ohne Dumbledore ist der Orden geschwächt' oder ‚Wir sollten zuerst das Ministerium unter unsere Kontrolle bekommen' und er zwang sich dazu, zustimmend zu nicken, um zumindest so zu tun, als wäre er aufmerksam. Doch eigentlich konnte er schon seit Tagen an nichts Anderes mehr denken als an Catherine. Wie es ihr wohl gehen mochte? Das letzte Mal, als er sie gesehen hatte, lag sie bewusstlos auf dem Boden der Großen Halle, mit roten Flecken und Brandblasen am ganzen Körper. Es machte ihn wahnsinnig, nicht zu wissen, wie es ihr ging oder ob sie es überhaupt überlebt hatte. Wenn sie gestorben wäre, weil sie gegen Bellatrix hatte kämpfen müssen, dann könnte er sich selbst niemals verzeihen. Draco war derart unruhig, dass er bereits mehrere Male einen Brief begonnen hatte, um Blaise zu fragen, wie es ihr ging. Aber jedes Mal hatte er den Gedanken verworfen und das Pergament verbrannt. Wenn Catherine tatsächlich tot wäre, dann hätte Blaise ihm geschrieben, davon war er überzeugt. Egal, was der Dunkelhäutige auch von ihm denken mochte, er wäre niemals so kaltherzig, ihm diese Tatsache zu verschweigen. Oder?

Die unangenehm scharrende Stimme des Dunklen Lords riss ihn irgendwann aus seinen Gedanken. „Nun, gut, wenn es keine weiteren Anmerkungen mehr gibt, schlage ich vor, dass jeder von euch seiner Aufgabe nachgeht." Voldemort stand von seinem Stuhl auf und streckte die Hand nach seiner Schlange aus, um sie zu sich zu locken. „Nagini!"

„Mylord, wenn ihr erlaubt, ich habe noch eine Angelegenheit, die eurer Aufmerksamkeit bedarf", meldete Bellatrix sich noch einmal vorsichtig zu Wort.

Der dunkle Lord hielt in seiner Bewegung inne, die Hände auf dem langen Tisch abgestützt, und musterte seine treuste Anhängerin genauestens. Er konnte den Hunger in ihren Augen erkennen und gleichzeitig zuckte ihre Mundwinkel nervös. Doch nicht nur sie schien vor seiner Reaktion zu bangen. Im Raum war es selbst für gewöhnliche Treffen in Anwesenheit ihres Meisters ungewohnt still geworden und alle sahen auf ihn. Langsam ließ er sich wieder auf seinem Stuhl nieder und hob stolz das Kinn. „Nun, Bellatrix, ich hoffe, diese Sache ist meiner kostbaren Zeit auch wert."

„Gewiss, Herr, das ist sie", versicherte die Schwarzhaarige ihm dankbar und nickte mehrfach mit dem Kopf, ehe sie zu berichten begann. „Bei unserem erfolgreichen Angriff auf Hogwarts, bei dem es uns gelang, Dumbledore zu töten, ..."

„Was gewiss nicht dein Verdienst ist, Bellatrix", mahnte Voldemort drohend.

„Natürlich nicht, Herr. Ich war nicht dabei", entschuldigte sie sich schnell und senkte demütig den Kopf. „Aber nur, weil ich damit beschäftigt war, diesen Volltrotteln zu zeigen, dass wir vor Nichts Halt machen, auch nicht vor ihren liebsten Orten, der großen Halle. Aber da kam dieses Mädchen, eine kleine, blonde Göre. Sie war auch schon im letzten Jahr mit Potter im Ministerium. Und wir kämpften gegeneinander."

„Komm zum Punkt, Bellatrix. Ich sehe nicht, wie ein unbedeutendes Schulmädchen mein Interesse wecken sollte." Der dunkle Lord klang ungeduldig, während er den Kopf der Schlange tätschelte, die bedrohliche zischte und die Anwesenden nacheinander fixierte.

„Darum geht es, Mylord. Diese Göre war nicht einfach nur ein Schulmädchen. Sie hatte..." Bellatrix suchte nach den richtigen Worten. „Fähigkeiten."

Voldemort legte den Kopf schief und beugte sich ein wenig über den Tisch zu der Todesserin. „Fähigkeiten?", wiederholte er interessiert.

„Fähigkeiten, Herr", bestätigte sie nickend. „Sie kämpfte ohne Zauberstab und Beschwörungen."

Seine Augen verengten sich ärgerlich. „Eine Schülerin, die ungesagte Zauber ausübt? Ohne Zauberstab, beeindruckend, aber nicht weiter interessant für unsere Sache."

„Mylord, sie übte keine Magie aus", unterbrach Bellatrix ihn. Ihre Stimme war schrill und klang panisch. Sie wollte ihren Meister nicht verärgern. „Es kam mir so vor, als beschwor sie die Elemente. Da war plötzlich ein starker Wind und sie ließ Glassplitter schmelzen, sie manipulierte den Himmel in der Großen Halle und ließ es regnen. Und dann hat sie Äste und ganze Bäume aus den zerstörten Bänken sprießen lassen, die mich angriffen."

Die Schwarzhaarige atmete schwer und hatte die Augen weit aufgerissen, während sie den Mann am Kopfende des Tisches anstarrte und auf eine Antwort wartete. Ihr Herz schlug hart gegen ihren Brustkorb, als er zurückblickte und in seinem Gesicht keinerlei Regung abzulesen war. „Rowle kann es bestätigen!", platzte es schließlich noch aus ihr heraus.

Der Dunkle Lord sah auf die andere Seite der Tischreihe zu dem blonden Todesser, der mit einem Mal kerzengerade auf seinem Stuhl saß und dessen Augen sich mit Panik füllten. „J- Ja, Mylord. Ich habe es auch gesehen", bestätigte er leise.

Voldemort sah zwischen Rowle und Bellatrix, die ihn verzweifelt anlächelte, hin und her, warf die Stirn in Falten und ließ die Information auf sich einwirken. Er wusste, dass das, was seine Anhänger beschrieben, nicht erfunden war. Es hatte einmal einen Vorfall gegeben. Und seitdem wusste er, dass Elementarmagie durchaus real war. „Eine Elementarmagierin? Wer ist sie?"

Bellatrix schüttelte mit dem Kopf und glotzte ihn aus großen Kulleraugen an. Auch Rowle zuckte nur mit den Schultern. Voldemorts Blick glitt über die Reihen seiner Todesser, er atmete einmal tief ein und konzentrierte sich, während er in den Geist jedes Einzelnen einzudringen versuchte. Bellatrix öffnete sich ihm bereitwillig, sodass er sofort auf die Geschehnisse in der Großen Halle zugreifen konnte. Er sah, wie dieses zierliche, blonde Mädchen mit rot lodernden Augen und wenigen Handbewegungen ganze Wirbelstürme und Regenschauer heraufbeschwor. Ein ungewohntes Gefühl kroch ihm über den Rücken, so als stellten sich alle Haare gleichzeitig auf. Dieses Gesicht. Dieses Mädchen. Diese Fähigkeiten!

Dann blickte er auf den jüngsten seiner Anhänger hinab, welcher unter dem drückenden Gefühl seiner Legilimentik zusammenzuckte und ihm nun direkt in die Augen sah. Wie eine Nadel stach der Dunkle Lord in seine Gedanken, um zu bekommen, was er wollte. Draco schlug das Herz bis zum Hals. Er hatte geschwiegen, während Bellatrix von ihrer Auseinandersetzung berichtet hatte. Was hätte er auch tun sollen? Er konnte sie nicht beschützen, wenn er für sie Partei ergriff. Er konnte sie nur schützen, wenn er sie für unbedeutend erklären konnte. Verzweifelt hatte er immer wieder zu Severus herübergesehen und seinen Blick aufgefangen, doch er ließ sich keine Regung anmerken. Er schien keineswegs beunruhigt, ein wenig gleichgültig, und Draco wusste nicht, ob das ein gutes Zeichen war oder aber ein verdammt schlechtes.

Die Geschichte von Catherine O'NeillWo Geschichten leben. Entdecke jetzt