Kapitel 1

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2012

"It's a new Soundtrack, I could dance to this beat forever", flüsterte ich während ich einige Akkorde auf meiner Gitarre spielte um nur kurz darauf eben diese Worte freudig auf den vor mir liegenden Block zu kritzeln. Es war das Erste mal seit ich in New York lebte, dass ich Inspiration und Zeit fand mich mit meinem nächsten Album, und den Songs die auf eben diesem erscheinen würden, zu befassen. Passend zu meinem neuen Lebensmotto, die Vergangenheit hinter mir zu lassen und nur noch nach vorne zu sehen, sollte dieses Lied von meinem Umzug in die Stadt der tausend Gesichter und den damit verbundenen Gefühlen handeln. "Like any true love it drives you crazy", schrieb ich zusammenhangslos auf einen meiner Notizzettel, welche über den ganzen Boden meines Wohnzimmers verteilt waren und konnte dabei nicht verhindern, dass meine Gedanken wieder eine Richtung einschlugen, die ihnen schon lange gesperrt sein sollte. "It keeps you guessing, it's ever changing" sind weitere Stichpunkte die ich dazu fügte, ehe ich die Augen schloss und versuchte bei mir zu bleiben. Perfekt, ich war mal wieder an dem Punkt an dem ich meine Gitarre weglegen und in Selbstmitleid versinken würde; so viel zu meinem Motto. Frustriert stand ich auf und ging in die Küche um mir einen Kaffee zu machen und das Fenster zu öffnen. In den vorher gegangenen Monaten hatte ich gelernt, dass ich mich einfach nicht von meinen Gedanken und Gefühlen übermannen lassen sollte, und was half da besser als ein Kaffee und frische Luft. Mit einer bald vollen Tasse in der Hand lehnte ich mich gegen die Kücheninsel und lies den Blick über mein nur notdürftig eingerichtetes Wohnzimmer schweifen, nur um mir zum tausendsten Mal neu vor zu nehmen mich in den der nächsten Zeit um einige Dekoartikel und Möbel zu kümmern. Außer einem relativ großem rosanen Sofa, einem passenden Glastisch und vielen Umzugkartons stand dort im Prinzip nicht mehr als in jedem anderen Raum in dieser Wohnung- nur das, was ich auch wirklich brauchte. Aus meiner alten Bleibe in Nashville hatte ich ohnehin nicht viel mitgebracht, das hier sollte ein Neuanfang für mich und meine Musik sein, und es sollte dabei nur um mich gehen; irgendwelche alten Dekorationen an denen Erinnerungen hafteten, die ich am liebsten aus meinem Gedächtnis gelöscht hätte, halfen mir da vermutlich nicht viel. Ich brauchte weder den goldenen Bilderrahmen mit unserem Bild darin, noch die weiße Kuscheldecke die er mir geschenkt hatte, weil mir immer so kalt war, noch die teure Blumenvase die ich mir immer gewünscht hatte und er mir zu meinem Geburtstag überreichte..

Ehe ich komplett meinen Erinnerungen nach hängen konnte, brachte mich der schrille Laut meiner Türklingel zurück in die Realität. Eigentlich wollte ich zu dieser Zeit niemanden sehen, sondern mich lieber verkriechen und alleine Kaffee trinken, war jedoch recht angenehm überrascht, als meine beste Freundin Brit breit grinsend vor mir stand und mich in eine herzliche Umarmung zog. Nachdem sie sich wieder von mir gelöst hatte, musterte sie mich kritischen Blickes und verdrehte die Augen als sie fertig war.
"Wie ich mir das gedacht habe. Tay, sei mir nicht böse, aber das hier-", begann sie zu sprechen und wedelte an mir vorbei ins Apartement gehend vor meinem Gesicht herum, "geht so nicht mehr. Es ist jetzt drei Monate her, dass du Schluss gemacht hast - du hast somit offiziell die Phase verlassen, in der es dir zusteht dich gehen zu lassen und depressiv herumzuliegen. Wir gehen shoppen."
Obwohl ich irgendwie wusste, dass sie Recht hatte, verletzten mich ihre Worte. So schlimm sah ich nun auch nicht aus; klar ich hätte vielleicht eine Hose ohne Löcher und einen Pullover der nicht ganz so dunkelgrün ist wie so viele seiner Oberteile es sind anziehen können, und ja ich hätte mir die Haare kämmen können - sie hatte vollkommen Recht.
"Ich habe ehrlich gesagt keine Lust raus zu gehen", merkte ich den Kopf in den Nacken legend an, während sie sich an meiner Kaffeemaschine zu schaffen machte und mich so keines Blickes würdigte. "Ich werde nicht diskutieren, ich habe mir den ganzen Nachmittag frei genommen für dich", entgegnete sie entschlossen und drehte sich zu mir, "Mein Gott, Tay, du lebst in New York. Komm aus deinem Mauseloch und sieh dir die Stadt an, ich bin mir sicher du kennst nicht viel mehr als den Ausblick aus deinem Schlafzimmerfenster."
Auch hier stimmte wieder was sie sagte, aber wieso war das denn so schlimm? Mir gefiel mein Apartment nunmal, dort konnte ich nur für mich sein und niemand redete mir in irgendetwas rein. Da ich aber genauso gut wusste, dass Brit hier so lange nörgeln würde, bis ich schließlich doch nachgab, konnte ich auch direkt aufhören zu diskutieren.
"Bin in zehn Minuten fertig", murmelte ich genervt und verschwand die Augen verdrehend in meinem Ankleidezimmer. Für den Augenblick musste das reichen, was ich ganz oben in einem meiner Kartons fand: In diesem Fall waren das eine hellblaue, gelöcherte Boyfriendjeans und ein schwarzes Oversize- Shirt, welches ich locker in die Hose steckte. Ehe ich mich daran machte meine Haare zu kämmen und in einen hohen Pferdeschwanz zu binden zog ich noch eine schwarze Lederjacke und farblich passende Vans dazu an. Um weiteres Gemotze meiner besten Freundin vorzubeugen schmierte ich mir noch ein wenig Make Up ins Gesicht und kehrte dann zurück in die Küche, wo sie gerade ihre Tasse leerte.
"Na also, geht doch", segnete sie meine Kleidung ab und zog mich freudig nach draußen, um zu ihrer Shoppingtour aufzubrechen.

Dass die Straßen vor allem an einem Freitagnachmittag mehr als gefüllt sein würden, hätten wir uns auch im Vornherein schon denken können. Im Gegensatz zu mir schien Brit das überhaupt nicht zu stören, oder auch nur im Geringsten zu interessieren, sie ging selbstbewusst wie eh und je neben mir her und zog mich von Geschäft zu Geschäft. Auch wenn ich nichts anprobierte und mich noch nicht einmal richtig umsah, tat mir der kleine Ausflug irgendwie gut. Die Stadt an sich war es schon wert nach draußen zu gehen, genauso wie die vielen komplett verschiedenen Menschen, welche einem mit freundlichen Gesichtern und Gesten entgegenkamen. Brit kaufte kräftig ein und war daher verständlicherweise nach zwei Stunden bereits völlig entkräftet und schob mich in ein kleines Café mitten in der Fußgängerzone. Da ich mit dem Staunen über die Einrichtung nicht mehr hinterherkam, bestellte meine Beste Freundin für mich irgendeinen Kaffee von dem ich noch nie etwas gehört hatte, bis sie mich schließlich ein wenig besorgt musterte.
"Wieso siehst du mich so an? Bist du mit deinen Einkäufen unzufrieden?", erkundigte ich mich die Augen verdrehend und zog meine Lederjacke aus, um diese über meine Stuhllehne zu hängen.
"Ich erkenne dich nicht wieder, meine Liebe, deshalb sehe ich dich so an. Noch nie habe ich erlebt, dass du bei einem Shoppingtrip nicht einmal ein Armband ansiehst, du hängst ständig deinen Gedanken nach", erklärte sie leise und griff nach einer meiner Hände, welche auf dem Tisch zwischen uns lagen. "Was ist los?"
Es war erstaunlich wie gut sie mich doch kannte, obwohl wir einander beinahe nie sahen. Glücklicherweise brachte die freundliche Bedienung uns genau in diesem Moment unsere Bestellung, sodass ich einen kurzen Moment mehr Zeit hatte mir eine Antwort zurecht zu legen. Als dieser jedoch verstrichen war, wurde ich nur von zwei noch erwartungsvolleren Augen angesehen. Mit einem erschlagenen Seufzen beugte ich mich ein wenig weiter zu ihr, damit nicht irgendwelche uns umgebenden Tische etwas zu hören bekamen; das Letzte was ich brauchen konnte sind Schlagzeilen, und schon gar nicht solche.

"Es ist einfach nicht unbedingt schön, betrogen zu werden", flüsterte ich niedergeschlagen. "Und schon zweimal nicht wenn man den Betroffenen wirklich liebt. Das tut, auch wenn du es vielleicht nicht verstehst, selbst nach drei Monaten noch weh."
Seit Wochen hatte ich niemandem mehr daran teilhaben lassen, wie es mir ging; meistens nicht einmal mich selbst. Mit einem Schluck von meinem, wie ich jetzt fest stellte Eiskaffee, wartete ich auf eine Reaktion von ihr; irgendetwas was mir signalisierte, dass es nicht falsch gewesen war, mich ihr zu öffnen.
"Ich verstehe wirklich, dass dir das ganze derartig nahe geht und dass du nicht sofort wieder die Alte sein wirst, und ich verstehe auch, dass es noch wehtut. Aber Tay, wir alle müssen mit Verlusten umgehen. Ob es die große Liebe ist, oder eine gute Freundin, oder der Hamster. Irgendwie und irgendwann werden wir egal wen sicher verlieren, und damit müssen wir leben. Wichtig ist, dass wir uns nicht uns selbst überlassen, denn die eigene Seele ist der schlechteste Psychiater der Welt, wenn sie verletzt wurde", antwortete sie ruhig während sie mich auf meinem Stuhl fixierte und dann einen Schluck ihres Kaffees nahm. "Deswegen musst du dich ablenken. Geh raus, lern Leute kennen, feiere dein junges Single-Leben und zeig ihm, was er verloren hat."
Bei ihrem Vergleich eines Ex-Freundes mit einem toten Hamster musste ich schon beinahe lachen, aber ich verstand was sie mir damit sagen wollte. Bald schon beschlossen wir beide, die Shoppingtour als beendet zu erklären und nach Hause zu gehen, da Brits Verlobter wahrscheinlich bereits auf sie wartete. Nach einigen kurzen Abschiedsfloskeln trennten sich unsere Wege vor dem Coffee Shop und ich war wieder auf mich alleine gestellt.

Auch wenn sie nicht sonderlich lange gewesen war, die Unterhaltung mit Brit vorhin hatte mir gut getan; ich wusste nun, dass ich nicht komplett auf mich gestellt war und dass es okay war, wenn ich noch immer litt. Mir wurde aber auch klar, dass ich aufhören musste, mich in meinem Selbstmitleid zu wälzen und dafür langsam aber sicher beginnen musste, ins Leben zurück zu kehren. Wie aufs Stichwort erreichte mich genau in dem Moment, in dem ich wieder an meinem Apartment war, eine Nachricht meines Besten Freundes Ed. Noch während ich meine Schuhe auszog öffnete ich sie, um erfreut fest zu stellen dass er die kommende Woche in New York verbringen und mich schon am folgenden Tag besuchen würde. Lächelnd antwortete ich ihm, dass ich mich bereits freute ihn zu sehen, steckte mein Telefon wieder in meine Hosentasche, und stellte mich entschlossen ins Wohnzimmer. Noch am gleichen Abend machte ich mich daran die vielen Kartons zu lehren und füllte dieses, genauso wie mein Schlafzimmer, mit Lampen und Decken von zu Hause.

(A/N: So meine Lieben, hier ein erster Einblick in meine neue Story. Wenn sie euch gefällt lasst doch bitte ein Vote oder einen Comment da, ich würde mich wirklich freuen! :-) xoxo)

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