[Sechzehn] - Verhandlungen und Kompromisse

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Naddy steht bereits vor der Immobilie, als Jolene und ich dort ankommen. Das Gebäude mit eigenen Augen zu sehen, ist beeindruckender, als auf den Fotos.
Während wir auf den Makler warten, inspiziert Jolene die Menükarte des Restaurants, das sich in der untersten Etage des Gebäudes befindet. Auch dies würde dann in unseren Besitz übergehen und Jolene will vermutlich wissen, ob es eine lukrative Gastronomie ist.
Jedenfalls sehen wir es als vorteilhaft, eine solche im Haus zu haben. Und auch Jolene sieht das als Vorteil. Denn BNS ist tatsächlich nur drei Blocks entfernt und sie könnte mit dem Restaurantbesitzer etwas aushandeln, das ihren Angestellten zu Gute kommt.

Während Naddy und ich durch die leeren Räume stiefeln und schon planen, wie wir was gestalten können, ist Jolene auf das Datenblatt der Immobilie fokussiert, um die Angaben mit den tatsächlichen Fakten zu vergleichen.
»Um Verhandlungspunkte zu finden«, erklärt sie mir auf Nachfrage.
Natürlich, während Naddy und ich eher auf Möglichkeiten der Einrichtung achten, interessiert Jolene nur das wirtschaftliche. Muss sie auch, wenn ich überlege, wie viel Geld sie hier rein investieren muss. Selbst bei einem Millionenbetrag zählt jeder Cent.
Bevor es dann in die Verhandlungen mit dem Makler geht, nimmt uns Jolene zur Seite und zeigt uns, wo sie ebensolche Verhandlungspunkte gefunden hat und fragt uns nach unserer Meinung, ebenso erörtert sie, wieso sie es als einen Ansatz empfindet.

Als wir uns einig sind, legt Jolene auch schon los. Dabei akzeptiert sie bei einigen Punkten die Aussage des Maklers nicht, darüber keine Entscheidungsgewalt zu haben, ebenso wenig akzeptiert sie sein Angebot, dies an den Eigentümer weiterzuleiten.
Jolene will hier und jetzt Nägel mit Köpfen machen.
Das führt letztlich dazu, dass der Eigentümer persönlich auftaucht, um an den Verhandlungen teilzunehmen.
Eine gute Stunde dauert deren Hin und Her um jeden Cent des Verkaufspreises, bis der Eigentümer einknickt. Selbst seine Versuche, die Immobilie zu seinem gewünschten Preis an einen anderen Interessenten zu geben, wenn Jolene nicht auf sein Angebot eingeht, konnte diese nicht beeindrucken, oder von ihrem Willen abbringen.
Sie hat gepokert und das sogar erfolgreich, denn wie sich herausstellte, gibt es gar keinen anderen Interessenten.

Mit einem breiten Grinsen stehen wir alle vor dem Gebäude, das in wenigen Tagen ganz offiziell uns gehört.
Jolene wird sich, sobald sie wieder im Büro ist, den Kaufvertrag zu Gemüte führen. Noch diese Woche will sie alles über die Bühne bringen, damit wir schon nächste Woche mit dem Gestalten und einrichten anfangen können.
Je schneller wir fertig sind, umso schneller können wir neue Leute einstellen und die ganzen Aufträge abarbeiten; und Jolene kann ihre Marketingabteilung vergrößern.

»Ich würde gerne erst noch mit zu CaddySign, um erste Pläne zu machen«, stoppe ich Jolene, die mich zu ihrem Auto führen und nach Hause bringen will; immerhin war das gestern eine Abmachung zwischen uns.
Einen langen Moment sieht sie mich musternd an. So wirklich zufrieden ist sie damit nicht, weshalb mein Ausdruck aus einem bittenden Lächeln besteht.
»Ich bringe sie dir nach Hause«, verspricht Naddy dann.
»Na gut«, nickt Jolene nach einem tiefen Atemzug. »Aber lass' dich bitte nicht von anderen Dingen vereinnahmen und vor allem nicht stressen. Ich möchte dich nachher nicht erst runterholen müssen, bevor ich dir einen runterholen kann«, grinst sie dann schelmisch und drückt mir einen Kuss gegen die Schläfe.
Mir hingegen schießt die Röte ins Gesicht und erheitere sie noch mehr damit. Mit einem Kuss auf meine Lippen verabschiedet sie sich bis später und steigt in ihren Mustang ein.

Naddys fragender Blick liegt durchbohrend auf mir, während wir zu ihrem Auto gehen.
»Was?«, frage ich sie, als wir einsteigen.
»Sie will dich nicht erst runterholen müssen, bevor sie dir einen runterholen kann??«, wiederholt sie Jolenes Worte.
»Wir hatten die Abmachung, dass ich nach der Besichtigung hier nach Hause fahre und mich entspanne«, erkläre ich ihr augenverdrehend, weil ich darüber gar nicht reden will, aber weiß, dass mich Naddy nicht in Ruhe lassen wird, bis sie ihre Antworten hat.
»Weil sie dich flachlegen will? Ist das jetzt so ein neues Spiel von euch? Kann ich also davon ausgehen, wenn du nicht zur Arbeit kommst, es daran liegt, weil du am Abend gebumst wirst?«
»Naddy!«, gebe ich empört von mir und sehe sie entsprechend an.
»Ja, was?«, grunzt sie.
Ich nehme einen tiefen Atemzug ehe ich ihr antworte. »Weil wir es wieder angehen wollen.«
»Was? Den Sex?«, fragt sie blöd.
»Ein Kind zu kriegen«, antworte ich entsprechend zischend.
Zunächst sieht sie mich überrascht an, dann aber verzieht sich ihr Gesicht zu einem schelmischen Grinsen.
»Kannst du bitte auf die Straße gucken!!«, gebe ich leicht panisch von mir, als sie ihren Blick nicht von mir abwendet.
Stattdessen aber fährt sie rechts ran, bleibt stehen und dreht sich auf dem Sitz zu mir.
Ihr starrer und durchbohrender Blick verunsichert mich, weshalb ich nicht weiß, wie ich darauf reagieren soll.

Schließlich aber beginnen ihre Augen freudig zu funkeln. »Du bist wieder bereit dazu?«
Stumm nicke ich, berichte aber auch direkt, unter welcher Bedingung ich wieder bereit bin.
Während ich ihr also erzähle, Johnny als Spender gewählt zu haben und weshalb, neigt sie ihren Kopf und mustert mich. Dennoch lässt sie mich erzählen, ohne mich dabei zu unterbrechen.
Ihr Gesicht verzieht sich allerdings, als ich auch berichte, dass Jolene mit der Spenderwahl nicht wirklich einverstanden ist und wir uns deshalb gestritten haben.
»Ihr habt beide gute Gründe«, sagt sie dann, setzt sich wieder gerade hin und lenkt den Wagen auf die Straße zurück. »Ich kann sowohl deine als auch ihre verstehen«, setzt sie noch nach.
Schweigend, aber seufzend nicke ich zustimmend. Natürlich kann ich auch Jolenes Gründe verstehen, allerdings hat es lange gedauert, sie mir zu nennen und ein einfaches 'Nein' reicht mir nicht, wenn es um wichtige Entscheidungen geht.
Auch wenn Jolene noch immer zweifelt, bin ich mir ganz sicher, dass es keine Probleme geben wird, wenn Johnny der Vater ist. Mit Chester klappt es schließlich auch sehr gut, wieso also sollte es mit dem zweiten Kind nicht auch funktionieren?
Johnny ist ein friedfertiger Mensch, der das Leben einfach nur genießt und sich daran erfreut. Er hat überhaupt keinen Sinn für Streitereien, Meinungsverschiedenheiten oder sonstigen negativen Gefühlen.
Von Jessica weiß ich auch, wie sehr sie von seiner ständig guten Laune frustriert ist. Denn es gibt durchaus Themen, über die sie sich mit ihm streiten möchte, es aber unmöglich ist, weil er dazu gar nicht fähig ist. Wenn sie ihren Unmut äußert, gibt er ihr nach und trägt sie auf Händen.
Wie oft hat sich Jessica deshalb über ihren Mann bei mir aufgeregt - und doch weiß sie diese Eigenschaft zu schätzen.
Mit Jolene geht es mir ja nicht unbedingt anders. Auch mit ihr zu streiten ist fast unmöglich. Entweder sie grinst und küsst mich, wenn sie es nicht allzu ernst nimmt, oder aber sie lässt mich toben und wartet bis ich mich ausgedampft habe, damit wir in Ruhe darüber reden können.

»Wichtig ist, ihr zieht an einem Strang«, reißt mich Naddy aus meinen Gedanken.
»Wir haben einen Kompromiss gefunden.«
»Ihr findet immer einen«, grunzt sie. »Welcher ist es?«
»Johnny hat eine Chance.«
Erneut sieht sie mich skeptisch musternd an.
»Jolene erlaubt Johnny als Spender, aber nur dieses eine Mal. Wenn auch das nichts wird, ist er raus«, erkläre ich ihr. »Allerdings ist es für mich dann ohnehin vorbei.«
Naddy schaltet den Motor aus, als sie den Wagen geparkt hat und sieht mich mal wieder durchdringend an. »Was meinst du damit?«
»Ich will dann nicht mehr.«
»Als ob«, lacht sie und tätschelt meine Schulter. »Das hast du die letzten beide Male auch gesagt«, tut sie es ab und steigt aus.
»Diesmal meine ich es so.«
»Cait«, wird sie ernst und sieht mir streng in die Augen. »Du bist erst dreißig, da geht noch die nächsten zehn Jahre was.« Sofort hebt sie ihren Finger, um mich am Sprechen zu hindern. »Du brauchst das nicht abweisen. Der Arzt hat gesagt, bei dir ist alles in Ordnung.« Ohne auf meine Antwort zu warten, dreht sie sich um und betritt das Gebäude, in dem sich unser Büro befindet. »Und nun reden wir nicht mehr davon. Du sollst dich ja nicht stressen«, gackert sie. »Habe keine Lust Jolene das erklären zu müssen, wenn sie dich doch erst runterholen muss, bevor sie dir ...«
»Ist gut!«, zische ich dazwischen und reibe mir mit der Hand durchs Gesicht. »Lass uns das neue Zuhause von CaddySign planen«, stöhne ich dann und gehe in unseren Gesprechungsraum.

Ich lege den Grundrissplan auf den Tisch, in den ich schon mal eingezeichnet habe, wie wir die Räume nutzen könnten. Jetzt, da wir auch wissen, wie diese in der Realität aussehen, steigert es unsere Vorstellungskraft erheblich.
Aber wirklich zum Planen kommen wir nicht, weil mein Handy vehement vibriert und nicht verstummen möchte.
Genervt ziehe ich es aus meiner Tasche. »Oh, nein«, hauche ich, als ich schon wieder die Nummer von Chesters Schule sehe. Entschuldigend sehe ich Naddy an und nehme den Anruf entgegen.
Aufgebracht meldet sich die Direktorin und verlangt von mir, sofort zur Schule zu kommen und Chester abzuholen. Zusätzlich verlangt sie eindringlich, auch meine Frau mitzubringen, weil sie mit uns reden muss.
Seufzend stimme ich zu und beende das Gespräch. Direkt danach rufe ich Jolene an, um ihr die frohe Botschaft mitzuteilen. Zu meiner Überraschung geht sie direkt dran und gibt an, bereits auf dem Weg zu mir zu sein, weil auch sie einen Anruf von der Schule bekommen hat.

Abermals muss ich ein wichtiges Gespräch mit Naddy unterbrechen und entschuldige mich aufrichtig bei ihr. Diese aber grinst nur, während sie sich lässig in den Stuhl zurücklehnt.
»Mit einem Reid hat man es halt nicht immer leicht«, scherzt sie. »Ganz die Mama, der Kleine.«
Ich aber finde es gerade nicht so witzig.

Jolene (+Family)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt